Erstmals bilden DIE LINKE, GRÜNE und SPD eine Koalition in Bremen. So wollen es jedenfalls die Unterhändler der Parteien. Bevor es losgehen kann mit dem gemeinsamen Regieren, muss der Koalitionsvertrag allerdings noch drei Parteitage und einen Mitgliederentscheid bei den Mitgliedern der LINKE überstehen. Bei der Lektüre des kürzlich vorgestellten Koalitionsvertragentwurfs sind Hanffreunde über die Grenzen Bremens hinaus hellhörig geworden – denn was der Vertrag verspricht, ist – für die Landesebene – äußerst ambitioniert und bislang einer der cannabisfreundlichsten Koalitionsverträge, die je vorgestellt wurden. So sollen unter anderem Ermittlungsverfahren bei bis zu vier Pflanzen zum Eigenanbau grundsätzlich eingestellt werden.
Auf Seite 96 des Anfang Juli vorgestellten Koalitionsvertragentwurfs wurde folgendes festgehalten:
Wir wollen eine Drogenpolitik, die Gesundheits‐ und Jugendschutz in den Mittelpunkt stellt. Wer süchtig ist, braucht Hilfe und keine Strafverfolgung. Die Kriminalisierung von Cannabis schadet mehr als sie nützt. Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um ein wissenschaftliches Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis auf den Weg zu bringen und uns dabei
ggf. mit anderen Ländern und Kommunen zusammentun. Wir setzen uns auf Bundesebene dafür ein, die kontrollierte Freigabe von Cannabis an Erwachsene gesetzlich zu ermöglichen.
Solange werden wir wie das Land Berlin die Möglichkeiten zur Entkriminalisierung auf Landesebene nutzen.Die Staatsanwaltschaft wird nach den Umständen des Einzelfalles von Strafverfolgung gemäß §31a BtMG absehen, beim Besitz von Cannabisharz oder Marihuana von nicht mehr als 15g für den Eigenbedarf.
Bei Besitz von nicht mehr als 10g Cannabisharz oder Marihuana oder von bis zu vier Pflanzen im Eigenanbau wird das Ermittlungsverfahren grundsätzlich eingestellt.
In jedem Fall ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen.Wer nicht berauscht am Straßenverkehr teilnimmt, soll – wie beim Alkohol – grundsätzlich den Führerschein behalten können.
Wir werden die öffentlich geförderte Suchtberatung in Bremen finanziell absichern und niedrigschwellige präventive Beratung und Aufklärung sowie die Hilfe bei problematischem Konsum stärken.
Wir wollen die Risiken von Drogenkonsum mindern (Harm Reduction). Deswegen werden wir, orientiert an den Erfahrungen aus Berlin, Drug‐Checking ermöglichen und Warnungen über Verunreinigungen veröffentlichen.
Im ersten Schritt werden die bereits jetzt bei beschlagnahmten Substanzen erhobenen Werte bzgl. Zusammensetzung und Wirkstoffgehalt über die Drogenberatungsstellen veröffentlicht.
Während der Verhandlungen wandte sich der Deutsche Hanfverband Mitte Juni an die drogenpolitischen Verhandlungsführer der drei Parteien, um sich für die dringend benötigten Reformen im Bereich der Strafverfolgung bei Cannabiskonsumenten auf Landesebene einzusetzen. Folgende fünf Punkte schlugen wir den verhandelnden Politikern vor:
1. Heraufstufung der sog. “geringen Menge” nach §31a BtmG: Sinnvoll wäre eine SOLL-Grenze bis 15 Gramm. (Derzeit ist in Berlin die weitestgehende Regelung: SOLL-Einstellung des Verfahrens bis 10g Cannabis und bis 15g: KANN-Regelung). Auch wäre es hilfreich, wenn frühere Pläne aus Bremen, auch den Eigenanbau weniger Hanfpflanzen zum Eigenkonsum bei der Einstellungspraxis mit zu berücksichtigen, wieder aufgenommen würden.
2. Eine klare Initiative zur Umsetzung von Modellprojekten zur Cannabisabgabe. Hierbei ist die Umsetzung eines eigenen Modellprojektes eine Variante. Eine zusätzliche Variante wäre, sich einem anderen Bundesland in der Umsetzung anzuschließen. Das Land Berlin lässt gerade ein neues Forschungsdesign und den Antrag an das BfArM erstellen.
3. Einen Vorratsbeschluß, um Initiativen für eine reformorientierte Drogenpolitik im Bundesrat mit zu unterstützen.
4. Eine landesspezifische Regelung, nach der für die Polizei klar gestellt wird, dass reine Besitzdelikte nicht mehr zu einer Meldung an die Führerscheinstellen führt (und damit zu einer Überprüfung der Fahreignung mit MPU).
5. Einführung des Drugcheckings unter Mitberücksichtigung von Cannabisprodukten.
Aus unserer Sicht haben die Koalitionäre die cannabispolitischen Möglichkeiten auf Landesebene gut berücksichtigt und wir begrüßen es, dass sich die geplante Koalition vor allem mit der Hochstufung der Geringen Menge sowie der grundsätzlichen Einstellung des Verfahrens bei bis zu vier Pflanzen im Eigenanbau sehr progressiv zeigt. Dieser Vertrag ist ein wichtiger Impuls für die Legalisierung, diese kann aber nur auf Bundesebene erfolgen.
Wir werden die Umsetzung des Koalitionsvertrag allerdings genaustens beobachten, denn es wäre nicht das erste Mal, dass die Bremer SPD sich fortschrittlich beim Thema Cannabis zeigt, dann aber in Regierungsverantwortung Teile der Partei den entscheidenen Reformwillen vermissen ließen. Sollte der nun geschlossene Koalitionsvertrag aber genauso umgesetzt werden, wäre dies auf Landesebene einer der weitreichendsten in Sachen Cannabispolitik, die je in Deutschland verabschiedet wurden.
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