In Berlin wird in der Boulevardpresse regelmäßig und insbesondere in jedem Sommerloch der Drogenhandel im Görlitzer Park thematisiert. Für die einen gehören grillen, chillen und Cannabis zusammen, das Drogenabgebot ist für sie ein Standortvorteil. Andere halten den Drogenhandel und damit verbundene negative Begleiterscheidungen für eine nicht hinnehmbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und warnen vor der Drogenhölle am Görli. Anwohner fordern Sicherheitslotsen für Grundschüler und die CDU hat die Absicht eine Mauer… einen Zaun um das Gelände zu bauen. Der CDU-Innensenator Henkel will das Problem mit einigen Razzien und “hohem polizeilichen Aufwand” in den Griff bekommen. Die Presse jenseits von BILD und Co. bezeichnet die Angstszenarien der Anwohner, Besucher und sonstige Bedenkenträger schlicht als fiktiv. In einem Kommentar hierzu heißt es
Immer aufdringlicher seien die Dealer, würden mittlerweile auch normale Passanten ansprechen. Nun, so funktioniert Drogenhandel. Das ist das Wesen des Dealers: Er fragt Leute. Wer gefragt wird, kann „Nein“ sagen. In wohl 99,9 Prozent aller Fälle ist das Gespräch dann beendet. Stattdessen wird ein Schreckensszenario entworfen, in dem Drogenhändler zwecks Absatzsteigerung jedem kaufunwilligen Passanten eins auf die Nase geben – oder ihn gleich ausrauben. Wenn aber jedes Drogengeschäft mit Verletzten einherginge, wäre der Park voller Polizei, Tag und Nacht.
Die neue grüne Bezirkzsbürgermeisterin Monika Herrmann lehnte die Law-and-Order-Vorschläge von CDU und Anwohnerinitiative bereits vor ihrem ersten Amtstag ab: “Ich glaube, es ist inzwischen in der Stadt klar, dass wir nicht einfach mit einer Hundertschaft da reingehen, einmal kurz aufräumen und nochmal kurz aufräumen und das Thema hat sich erledigt – so wird es nicht sein. […] Mein Appell ist: Ungewöhnliche Lösungen denken. Geht zum Beispiel ein Coffeeshop so wie in den Niederlanden, den wir zu einem akzeptierten und überschaubaren Platz für Drogenhandel machen?“ Damit war die Idee eines Coffeeshops für den Görli als mögliche Lösung des Problems ins Spiel gebracht. “Ein Coffeeshop für den Frieden”, so nannte die Berliner Zeitung den Vorschlag in einem zustimmenden Kommentar. Die LINKE und die Piraten in der Bezirksversammlung begrüßten den Vorschlag, der Abgeordnete Simon Kowalewski weist jedoch auch sehr richtig darauf hin, dass die Probleme am Görli nicht alleine in der Drogenpolitik zu finden sind.
Nichtsdestotrotz war es damals erst einmal “nur” ein erfrischender Vorschlag einer Grünen Bürgermeisterin, die zudem ihr eigenes Wahlprogramm kennt und dazu steht. Schnell wurde jedoch klar, dass Herrmann ihren Vorschlag nicht nur ernst meinte, sondern auch schon einen konkreten Plan zur Umsetzung hat. In diesem Interview mit der Taz erwähnte sie den §3 BtMG, der eine solide rechtliche Basis für drogenpolitische Experimente darstellt:
Zurzeit wird heftig über die Dealer im Görlitzer Park diskutiert. Sie haben die Idee Ihres Vorgängers aufgegriffen, einen Coffeeshop einzurichten. Wie stellen Sie sich das vor?
Ich habe die Idee nicht aufgenommen, wir hatten sie beide. Ich verurteile die Dealer nicht. Wenn es keine Nachfrage geben würde, gäbe es auch nicht das Angebot. Aber die Belagerung an den Parkeingängen ist schon suboptimal. Die Frage ist: Was kann man machen im Görlitzer Park, um die Situation zu entspannen? Es gibt da ein kleines rechtliches Schlupfloch.
Sie meinen den Paragrafen im Betäubungsmittelgesetz, der eine Ausnahmeregelung für „wissenschaftliche oder andere im öffentlichen Interesse liegende Zwecke“ vorsieht?
Genau. Da werden wir jetzt gucken, wie wir diesen Spielraum nutzen können. Wir planen, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen.
Und wie wollen Sie legal an Gras kommen?
Gute Frage. Wir haben ja auch noch eine Bezirksgärtnerei… (lacht). Nein, das muss man tatsächlich sehen. Mein Ziel ist es, das auf die Beine zu kriegen. Und wenn wir es nicht schaffen, werden wir detailliert darlegen, warum nicht.
Die rechtliche Grundlage ist damit im Prinzip die Gleiche wie bei unserer Petition, nur dass hier die Initiative direkt von der Bürgermeisterin ausgeht. Über den §3 BtMG und Modellversuche zur legalen Abgabe von Cannabis haben wir im Kontext unserer Petition bereits ausführlich geschrieben. Eine Mehrheit für drogenpolitische progressive Projekte ist gegeben. Für alle die die Sitzverteilung in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg nicht kennen: Die Grünen sind hier mit 22 Sitzen die stärkste Partei und haben zusammen mit der LINKEN (13 Sitze) oder den Piraten (7 Sitze) bereits eine deutliche Mehrheit. Die Volksparteien SPD und CDU haben hier nur 13 bzw. 5 Sitze!
In ihrer Pressemitteilung “Hanfparade in Berlin: Coffeeshop jetzt” fordern die Grünen in Frieke konkret, “Drogen wie Cannabis in Drogenfachgeschäften zu verkaufen. Nur so können die verheerenden Folgen des Schwarzmarktes, wie wir ihn derzeit am Görlitzer Park erleben, entschärft werden. Die dortigen Razzien der letzten Wochen zeigen, dass die Kriminalisierung von Drogen wie Cannabis die falsche Strategie ist.”
Weiter schreiben sie: “In diesem Zusammenhang hatte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) vorgeschlagen, mit einem Coffeeshop, an dem kontrolliert und unter Beachtung des Jugendschutzgesetzes Cannabis verkauft wird, dem Drogenproblem im Görlitzer Park entgegen zu wirken. Ein entsprechender Antrag soll in den nächsten Wochen im Bezirksparlament diskutiert werden”
Der aktuelle Entwurf des Antrages liegt uns vor und soll kommende Woche in die Bezirksversammlung eingebracht werden. Diese tagt am 28.8. und wird den Antrag vermutlich zur parlamentarischen Beratung in die Ausschüsse verweisen. Berliner sind herzlich geladen, zum Treffen der Bezirksgruppe Friedrichshain-Kreuzberg am 27.08.2013 zu kommen, dort steht das Thema: “Ein Coffee shop am Görli? Chancen und Möglichkeiten der Entkriminalisierung” mit Monika Herrmann, Bezirksbürgermeisterin Friedrichshain-Kreuzberg, auf der Tagesordnung.
Im Antrag heißt es konkret: Das Bezirksamt wird beauftragt, gemeinsam mit Expert*innen, Beratungsstellen und Anwohner*innen die nötigen Schritte einzuleiten, um durch eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten in lizensierten Abgabestelle(n) am Görlitzer Park den negativen Auswirkungen der Prohibition und des dadurch entstehenden Schwarzmarkt entgegen zu treten.
Hierzu soll ein Runder Tisch mit allen Beteiligten und Betroffenen einberufen werden und es sollen die offenen rechtlichen Fragen zum Antrag beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (Der Antrag des Landes Schleswig-Holstein hatte 100 Seiten) ebenso wie praktische Aspekte wie die Cannabisbeschaffung geklärt werden.
Die Begründung des Antrages lautet:
Die Situation am Görlitzer Park verdeutlicht, dass die Prohibitionspolitik der letzten Jahrzehnte gescheiter ist. Sie führt nicht zu weniger Drogenkonsum, verhindert einen effektiven Jugendschutz sowie eine gezielte Präventions- und Hilfearbeit,. Anwohner*innen beschweren sich immer häufiger über die Verkaufspraxis der Dealer im Görlitzer Park. Die Polizeieinsätze führen maximal zu einer Verlagerung des Handels in die umliegenden Straßen oder in die Hasenheide. Ist der Polizeieinsatz vorüber, kehrt auch der Handel wieder in den Park zurück. Das ist teuer und sinnlos, denn: Solange die Nachfrage da ist, wird es ein Angebot geben. Zudem setzen sich Konsument*innen aus aller Welt Gefahren aus, da keine effektive Kontrolle bzgl. THC-Gehalt oder schädlichen Substanzen zur Streckung des verkauften Stoffes möglich ist. Auch eine effektive Präventions- und Abhängigkeitshilfearbeit wird durch die Kriminalisierung erschwert. Zudem gibt es bis heute weltweit keinen Nachweis, dass Verbote den Drogenkonsum einschränken. Im Gegenteil: In Portugal und Holland, wo der Konsum von Drogen aus der Cannabispflanze entkriminalisiert ist, ist die Zahl der Konsument*innen gesunken. Eine sinnvolle Alternative zum Schwarzmarkt wäre, Drogen wie Cannabis kontrolliert in Verkaufsstellen abzugeben, um dem Handel im Park die Grundlage zu entziehen und effektive Präventionsarbeit leisten zu können. § 3 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) sieht Ausnahmen vom generellen Verkehrsverbot von Cannabis vor, solange daran ein begründetes wissenschaftliches oder ein anderes öffentliches Interesse besteht. In einem Modellprojekt zur Abgabe von Cannabis könnte dabei zum Beispiel die Fragestellung untersucht werden, in wie weit Personen mit problematischen Konsummustern eher erreicht werden können, ob gesundheitliche Schädigungen durch einen effektiven Verbraucher*innenschutz verringert werden können oder in wie weit der Jugendschutz durch eine Zerschlagung des allgemeinen Schwarzmarktes besser durchzusetzen ist.
In Zusammenarbeit von Expert*innen, Anwohner*innen und Initiativen soll das BA daher einen Antrag an das BfArM entwickeln, der den Genehmigungsanforderungen genügt.
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