Die Bundesregierung hatte einige Interessenverbände aufgefordert, eine Stellungnahme zur geplanten Gesetzesänderung, die den Zugang für Patienten erleichtern und auch medizinische Cannabisblüten verkehrsfähig machen soll, abzugeben. Während die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) und der Apothekerverband auch die Abgabe von pflanzlichem Cannabis begrüßen, wollen die Bundesärztekammer (BÄK) und der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) Medizinal-Blüten am liebsten gar nicht mehr in der Apotheke sehen.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) begrüßt den Referentenentwurf grundsätzlich, sieht jedoch mögliche Probleme bei der Dosierung von Blüten sowie einigen Applikationsformen. Deshalb solle sichergestellt werden, dass
“bei jeder Applikation gleich hohe Wirkstoffmengen aufgenommen werden und das im Cannabis überwiegend als Säure vorliegende ∆ 9-THC durch ausreichende Hitzezufuhr (180 bis 190°C) in das pharmakologisch wirksame phenolische ∆ 9-THC umgewandelt wird, wie beispielsweise bei der Inhalation mittels Verdampfern/Vaporisatoren.”
Backen und andere lebensmittelähnliche Aufnahmeformen sollen ebenso wenig empfohlen werden wie das Rauchen, das der Apothekerverband nicht nur bei medizinischem Cannabis grundsätzlich ablehnt. Um genauere Dosieranleitungen und Aufnahmeformen zu entwickeln, bietet die ABDA dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ihre Unterstützung an.
Die Bundesärztekammer (BÄK) möchte pflanzliches Cannabis am liebsten ganz außen vor lassen, wie ihr Vorsitzender Frank Ulrich Montgomery bereits vor einem Jahr angekündigt hatte.
“Die Bundesärztekammer und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) begrüßen grundsätzlich das Vorhaben des Bundesministeriums für Gesundheit, eine erweiterte Verordnungsfähigkeit cannabinoidhaltiger Arzneimittel zu schaffen. Eine Verordnungsfähigkeit von Cannabis in Form von getrockneten Blüten und Extrakten wird jedoch abgelehnt,”
heißt es in der aktuellen Stellungnahme. Der entsprechende Paragraf wurde in dem Papier der BÄK komplett zusammengestrichen und durch einen eigenen Vorschlag ersetzt, der lediglich Fertigpräparate und Rezeptursubstanzen berücksichtigt.
Fertigpräparate kosten viel mehr
Die Krankenkassen wollen Medizinal-Blüten auch zukünftig nicht bezahlen und werfen den Apotheken zu hohe Gewinne vor.
“Da es sich bei der Abgabe in der Apotheke um eine Abgabe von Stoffen in unveränderter Form handelt, würde gemäß Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ein Aufschlag von 100 Prozent auf den Einkaufspreis der Apotheke berechnet“,
den die Kassen als „unangemessen hoch“ bezeichnen. Dabei wird allerdings nicht erwähnt, dass Sativex für die Versicherung und somit die Gemeinschaft der Versicherten bei gleicher Wirkstoffmenge ungefähr vier mal so teuer, Dronabinol sogar acht mal so teuer ist wie die gleiche Wirkstoffmenge in Form von Bedrocan-Blüten. Zudem erwähnen die Kassen nicht, dass sehr viele Apotheken zugunsten der Patienten derzeit auf mögliche Gewinne verzichten und die Bedrocan-Blüten mit einer sehr niedrigen Gewinnspanne veräußern. Es kommt aber noch dicker: Wer schon einmal wegen Substanzmissbrauch auffällig geworden sei, soll bei der Verschreibung grundsätzlich außen vor bleiben.
“Nein, Cannabis kann ich Ihnen nicht verschreiben. Als das noch verboten war, sind Sie doch mal beim Konsumieren erwischt worden und mussten anschließend zur MPU. Steht so in den Unterlagen, tut mir Leid”.
Auch die Höchstmenge solle weitaus niedriger als im jetzigen Entwurf liegen:
“Statt wie geplant bei 100 g Cannabis in Form von getrockneten Blüten soll die Höchstmenge bei 1000 mg Cannabis in Form von getrockneten Blüten mit standardisiertem Wirkstoffgehalt (bezogen auf den Δ9-Tetrahydrocannabinol-Gehalt)“ liegen,”
zitiert die “apotheke adhoc” aus der Empfehlung des GKV-Spitzenverbandes.
Die Sicht der Betroffenen gibt die Stellungnahme der ACM am treffendsten wider:
“Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) begrüßt die Pläne der Bundesregierung zur Erleichterung des Zugangs der Bevölkerung zu einer Therapie mit Cannabis bzw. auf Cannabis basierenden Medikamenten. Insbesondere begrüßt sie die Pläne zur Verschreibungsfähigkeit von Cannabisblüten, Möglichkeiten zur Erstattungsfähigkeit von Cannabis basierten Medikamenten sowie den Aufbau einer Cannabis-Agentur zur Sicherstellung der Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten in Deutschland. Nach Auffassung der ACM sollte die Entscheidung über eine Therapie mit Cannabis basierten Medikamenten im Dialog zwischen Arzt und Patient über mögliche Ansätze zur Behandlung schwerer Erkrankungen erfolgen. Insbesondere sollte diese Entscheidung bzw. diese Behandlungsoption nicht von den finanziellen Ressourcen der betroffenen Patienten abhängen. […],”
schreibt der ACM-Vorsitzende Dr.Franjo Grotenhermen in der Stellungnahme.
Der Deutsche Hanfverband wurde übrigens nicht zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert, obwohl DHV-Sprecher Georg Wurth im Mai 2012 als Sachverständiger zu dem Thema bei einer Anhörung im Bundestag geladen war.
Es bleibt spannend
Es ist also noch gar nicht so sicher, ob der Status von medizinischen Cannabisblüten wirklich geändert wird. Bis der Gesetzentwurf im Parlament verabschiedet wird, werden die jeweiligen Interessenverbände in Berlin die Zeit nutzen, ihn ihren Vorstellungen so gut wie möglich anzupassen. Sollten sich die Lobbyisten von BÄK und GKV bezüglich Medizinal-Hanfblüten durchsetzen, stünden den gut 500 anerkannten Cannabis-Patienten sowie der hohen Dunkelziffer derer, die ihre Selbsttherapie illegal durchführen (müssen), schwere Zeiten ins Haus. Deshalb heißt es jetzt, bei der weiteren Entwicklung bis zum fertigen Gesetzesvorschlag ganz genau hinzusehen. Andererseits lassen die Gerichtsurteile der letzten Jahre der Regierung wenig Spielraum dafür, die Blüten komplett außen vor zu lassen.
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