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DHV-Newsletter: Rundbrief zur Cannabispolitik vom 17.07.2008

DHV-Newsletter: Rundbrief zur Cannabispolitik vom 17.07.2008

Newsletter vom 17.07.2008


Newsletter des Deutschen Hanf Verbandes – Ausgabe Juli 2008


1. Österreich: Cannabiskonsumenten heimlich entkriminalisiert?

Ein Oberösterreicher, den die Polizei mit mehr als zehn Kilo frisch geernteten Cannabispflanzen ertappte, dürfte als der erste Profiteur des neuen österreichischen Suchtgiftgesetztes in die Geschichte eingehen. Weil es der Polizei nicht gelang, ihm Drogenhandel nachzuweisen, trat der zuständige Staatsanwalt für eine Probezeit von 2 Jahren von der Verfolgung der Straftat zurück.

Der spektakuläre Fall ist die erste öffentlich wahrgenommene Anwendung des seit dem Jahreswechsel geltenden §35 des Österreichischen Suchtmittelgesetzes (SMG, Bundesgesetz über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Drogenausgangsstoffe). Die Vorschrift zwingt die Staatsanwaltschaft, das Verfahren einzustellen, wenn die Tat “ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen worden ist, ohne dass der Beschuldigte daraus einen Vorteil gezogen hat”.
Die Neuregelung kommt einer Revolution des österreichischen Suchtmittelrechts gleich, weil sie unabhängig von der Menge und Art der gefundenen Drogen gilt. Sie muss immer dann angewendet werden, wenn die Polizei dem Täter keine Handelsabsichten nachweisen kann.

Bisher wurde der Vorwurf des Drogenhandels oft allein an der Menge der gefundenen Rauschmittel festgemacht. Das reicht den Staatsanwaltschaften nun nicht mehr.

Mit der Neuregelung setzte das Justizministerium einen EU-Beschluss zur Bekämpfung des Handels mit Drogen um. Die “heimlich” durchgeführte Entkriminalisierung einfacher Konsumenten soll bei Polizei und Staatsanwaltschaft Ressourcen für eine intensivere Verfolgung von Drogendealern freimachen.
Eine echte Legalisierung ist die Gesetzesänderung jedoch nicht. Weiterhin muss die Polizei ermitteln, wird gefundenes Cannabis beschlagnahmt und droht den Betroffenen der Entzug der Fahrerlaubnis.

Mehr zum Thema

  • Neues Suchtmittelgesetz für Österreich (mittlerweile offline)
  • Artikel auf akzept.org: “Straffrei trotz Besitzes von zehn Kilo Gras”

2. Schweiz: Nur Konservative weiter gegen Hanfinitiative

Am 30.11.2008 sind die Schweizer Wahlberechtigten dazu aufgerufen, darüber zu entscheiden, ob “der Konsum psychoaktiver Substanzen der Hanfpflanze sowie Besitz, Erwerb und Anbau für den Eigengebrauch straffrei” werden soll.

Der Vereinigung “Pro Jugendschutz – Gegen Drogenkriminalität” war es im vergangenen Jahr gelungen, 105.994 Unterschriften für eine Liberalisierung des Schweizer Betäubungsmittelrechts zu sammeln. Weil das Parlament die Initiative jedoch ablehnte, kommt es nun zur Volksabstimmung.

Ende Juni war es nun an den Parteien über die Hanfinitiative zu beraten und ihren Wählern ein Nein oder Ja für die Abstimmung zu empfehlen.
Wenig überraschend erteilte die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) der Forderung nach straffreiem Cannabiskonsum eine Absage. Schon im Nationalrat war die CVP die treibende Kraft hinter der Ablehnung der Initiative gewesen. Wie sich jedoch die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) und die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) entscheiden würden, war im Vorfeld unklar. Am Ende empfahlen beide ihren Anhängern, die Volksinitiative “für eine vernünftige Hanfpolitik mit wirksamen Jugendschutz” zu unterstützen. Während die Entscheidung der SP relativ geräuschlos und mit nur wenigen Gegenstimmen fiel, gab es bei den Beratungen der FDP einen heftigen Schlagabtausch zwischen Befürworter und Gegner einer Neuausrichtung der Drogenpolitik.

Öl ins Feuer der Cannabisgegner war der Auftritt des Vorsitzenden der Schweizer Jusos Cedric Wermuth, der sein Plädoyer für die Initiative damit beendete, dass er sich noch am Rednerpult einen Joint ansteckte. Welchen Anteil diese provokante Aktion am überraschend positiven Abstimmungsergebnis der Sozialdemokraten hatte, ist indes ungewiss.

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3. USA: Keine Transplantate für Cannabispatienten

Der 56jährige Timothy Garon aus Seattle (Washington) wurde am 01.05.2008 Opfer der äußerst fragwürdigen Transplantationspolitik des “Komitee der medizinischen Kliniken der Universität von Washington”.

Dieses lehnte es ab, den Musiker auf die Warteliste für ein lebensrettendes Lebertransplantat zu setzen, weil er von seinem Arzt verordnetes Marihuana konsumiere. Das Komitee forderte Garon ultimativ dazu auf, ein zweimonatiges Entzugsprogramm zu durchlaufen, bevor er für die Transplantationswarteliste in Frage komme. Timothy Garon verweigerte dies, weil er das Cannabis als Medikament gegen Übelkeitsattacken, Bauchschmerzen und zur Appetitsteigerung benötige.

Nach dem Tot Garons zeigte sich sein behandelnder Arzt erschüttert über die Entscheidung der Krankenhausgremiums. Wenn er gewusst hätte, dass dies eine Transplantation unmöglich mache, hätte er seinem Patienten nicht zur Cannabistherapie geraten.

In den USA überlässt es die Bundesorganisation für Transplantationsmedizin (UNOS United Network for Organ Sharing) den Krankenhäusern, über die Transplantationsrichtlinien zu entscheiden. Einheitliche Regeln gibt es im Gegensatz zu Deutschland nicht.
Wie viele Cannabisnutzer schon durch Transplantatverweigerung zu Tode kamen, lässt sich nicht abschätzen. Es gibt schlicht keine solche Statistik.

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4. EU: Drogenbehörde veröffentlicht umfangreichen Cannabisbericht

Die Europäische Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction) hat im Juni ihre bisher umfangreichste Stellungnahme zum Thema Cannabis veröffentlicht. Die mehr als 700 Seiten starke Monographie “A cannabis reader: global issues and local experiences” (etwa “Ein Cannabis-Reader: Globale Aufgaben und lokale Erfahrungen”) beschreibt Perspektiven und Kontroversen bei Fragen der Behandlung von Cannabisabhängigen und einer europäischen Regulierung des Cannabismarktes.

In der Monographie kommen unterschiedlichste Experten aus ganz Europa zu Wort. Sie beschreiben ausgehend von der Geschichte des Cannabiskonsums im 19. Jahrhundert die politische Entwicklung bis in unsere Tage, erklären, was zur neuerlichen Diskussion über Cannabismedizin geführt hat und welche unterschiedlichen Strategien die nationale Drogengesetzgebung in der EU prägen.

Mehr zum Thema

  • Meldung der Nachrichtenagentur AFP “Mehr als 13 Millionen Europäer konsumieren Cannabis”
  • Die Monographie “A cannabis reader: global issues and local experiences” gibt es als englisches PDF oder im Buchhandel (ISBN 978-92-9168-311-6).

5. Medizin: Lässt Cannabis das Gehirn schrumpfen?

Eine Studie des ORYGEN Research Centre und der Universität von Melbourne Australien) sorgte im vergangenen Monat für einigen Medienrummel. Grund war eine falsche Überschrift der Nachrichtenagentur Reuters, die von der dpa mit weiteren Übersetzungsfehlern garniert und so von den meisten Journalisten falsch übernommen wurde.
Reuters hatte die Ergebnisse der Studie unter der Überschrift “Heavy marijuana use shrinks brain parts – study” (etwa “Schwerer Marihuanakonsum läßt Teile des Gehirns schrumpfen – Studie”) veröffentlicht, dabei zogen die beteiligten Forscher selbst keine so eindeutigen Schlüsse.

Die Forscher wollten ermitteln, ob langjähriger intensiver Cannabiskonsum mit Veränderungen zweier Hirnregionen mit besonders vielen Cannabinoidrezeptoren einhergeht.
Sie vermaßen dazu den Hippocampus und die Amygdala von 31 Männern. Die Hälfte der Probanden waren Cannabiskonsumenten, die für mindestens die letzten zehn Jahre täglich mindestens 5 Joints geraucht hatten. Außerdem durften die Probanden keine anderen Drogen missbrauchen und ihre Krankengeschichte musste frei von Nerven- und Geisteskrankheiten sein. Die Ergebnisse der Messungen verglichen die Forscher mit den Werten von 16 Nichtkonsumenten.

Die Cannabisnutzer hatten zwar im Durchschnitt kleinere Volumina in Hippocampus und Amygdala, eine Aussage über einen Schrumpfungsprozess war den Forschern jedoch schon deshalb unmöglich, weil sie die Teilnehmer nur einmalig “vermaßen”. Auch hätten begleitende Tests, bei denen die Probanden eine Liste mit 15 gesprochenen Begriffen wiederholen mussten, keinen Zusammenhang zwischen Sprach-Lern-Fähigkeit und der Größe der für diesen Prozess benötigten Hirnregionen ergeben.

Reuters zitiert den Studienleiter Dr. Murat Yücel mit den Worten: “Like with most things, some people will experience greater problems associated with cannabis use than others. Our findings suggest that everyone is vulnerable to potential changes in the brain, some memory problems and psychiatric symptoms if they use heavily enough and for long enough.” (etwa “Wie bei den meisten Dingen werden manche Menschen größere Probleme im Zusammenhang mit Cannabiskonsum erleben als andere. Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass jeder für potentielle Veränderungen im Gehirn verwundbar ist, für einzelne Gedächtnisprobleme und psychiatrische Symptome, wenn er nur lange und intensiv genug konsumiert.”)

Noch viel falscher wurde der Bericht über die Studie dann beim Versuch der dpa, ihn für den deutschen Sprachraum zu übersetzen und auf Nachrichtentickerlänge zu kürzen. Wohl, weil in der Originalmeldung davon die Rede ist, dass “die Studienteilnehmer praktisch jeden Tag der letzten 20 Jahre breit gewesen seien”, konstruierte die dpa eine Langzeitstudie, bei der die Teilnehmer “über 20 Jahre beobachtet und deren Gehirne regelmäßig gemessen” wurden.
Und weil Nachrichten nach Worten bezahlt werden müssen, ließ man auch die entscheidenden Einschränkungen und Konjunktive im Studienergebnis weg. Wo es im Original von Reuters zumindest im Text noch heißt “intensiver Langzeit-Cannabiskonsum könnte zwei wichtige Hirnregionen schrumpfen lassen” steht in der dpa-Meldung “Tägliches Marihuana-Rauchen lässt das Gehirn schrumpfen.”

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6. Kommt zur Hanfparade 2008

Am ersten Samstag im August (02.08.2008) findet in Berlin erneut eine Hanfparade statt. Die zwölfte Ausgabe der größten deutschen Demonstration für die Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel steht unter dem Motto “Jugendschutz, Verbraucherschutz, Legalisierung” und beginnt um 13:00 Uhr zu Füßen des Fernsehturms.

Nach einer Auftaktkundgebung zieht die Hanfparade 2008 über die Straße „Unter den Linden“ und die Friedrichstrasse zum Checkpoint Charlie. Anschließend geht es an Bundesfinanzministerium und Bundesrat vorbei bis zum Potsdamer Platz. Dort soll bis 22:00 Uhr eine Abschlusskundgebung mit Musik und Redebeiträgen stattfinden.

Das Hanfparade-Wochenende beginnt jedoch schon am Freitag (01.08.). Das Hanf Museum Berlin begeht dann nämlich den 2. Schweizer Tag im Hanf Museum. Angesichts der Ende November bevorstehenden Abstimmung (Siehe 2. Schweiz: Nur Konservative weiter gegen Hanfinitiative) wollen Cannabisexperten rund um den Eve&Rave-Aktivisten Hans Cousto über das Betäubungsmittelrecht unseres südlichen Nachbarn informieren. Auch eine kleine Sonderausstellung ist geplant.

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