DHV-Newsletter: Rundbrief zur Cannabispolitik vom 10.07.2009
Newsletter vom 10.07.2009
- Weltdrogenreport: Viel Lärm und wenig Belastbares
- Kanada: Strafverschärfung für Cannabisdelikte
- Kroatien: Cannabisanbau für kranke Ex-Soldaten legal
- Medizin: Bundesopiumstelle erleichtert Antragstellung für Cannabispatienten
- Hanfparade – Für eine freie Wahl
- Termine
1. Weltdrogenreport: Viel Lärm und wenig Belastbares
Am 24.Juni wurde in Washington der Weltdrogenbericht 2009 (WDR) vorgestellt. Wie in jedem Jahr griffen die Medien das Thema bereitwillig auf. Leider machten sich die wenigsten Journalisten die Mühe, selbst einen Blick in den Bericht zu werfen. Stattdessen wurde vielfach lediglich die Presseerklärung der UNODC abgedruckt.
Dabei sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass der UNODC-Chef Antonio Maria Costa gelegentlich allzu sorglos mit den Fakten umgeht. Wenn Costa die Vorstellung des Weltdrogenberichts außerdem dazu nutzt, dem neuen US-Drogen-Zar Gil Kerlikowske eine Bühne zu bieten, sollten bei Mitgliedern der schreibenden Zunft endgültig die Alarmglocken läuten.
Kerlikowske, dessen Amtsübernahme am 07.05.2009 von der Drug Policy Alliance noch mit den Worten “wir sind vorsichtig optimistisch, dass der ehemalige Polizeichef von Seattle die drogenpolitische Reformagenda der Obamaregierung unterstützt” begrüßt wurde, zeigte in den vergangenen Monaten deutlich, dass er an der Repression festhalten wird.
So erklärte er am 22.05. in einem Radiointerview “Eine wie auch immer geartete Legalisierung von Drogen hieße, die weiße Flagge zu schwenken”. Die Legalisierung “sei kein Thema, über das er diskutiere”. Befragt nach den Kontroversen über eine Legalisierung von Cannabis in Kalifornien sagte er: “Das Wort Legalisierung gibt es in meinem Wortschatz nicht.” “Marihuana,” so Kerlikowske “ist eine gefährliche Droge”, für deren medizinische Wirkung es “keinerlei Beweise” gebe.
Kein Wunder also, dass die von Costa und Kerlikowske veröffentlichte Presseerklärung nur wenig mit den Aussagen des Weltdrogenberichts zu tun hat. Besonders deutlich wird dies am Beispiel Cannabis.
In der Presseerklärung zum Weltdrogenbericht steht dazu:
“Cannabis bleibt die am häufigsten angebaute und konsumierte Droge weltweit, allerdings liegen weniger genaue Schätzungen vor. Erhobene Daten verdeutlichen auch, dass die Droge schädlicher ist als gemeinhin angenommen. Der durchschnittliche THC-Gehalt (der schädliche Bestandteil) von Marihuana aus Hydrokultur in Nordamerika hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Das hat weitreichende Folgen für die Gesundheit, wie sich an der signifikant gestiegenen Anzahl von Menschen zeigt, die sich in eine Therapie begeben.”
Presseerklärung der UNODC zum WDR 2009 “Weltdrogenbericht 2009 unterstreicht Verbindung zwischen Drogen und Kriminalität“
Im Bericht selbst liest sich das freilich etwas anders.
Richtig ist, dass Cannabis (mit weitem Abstand) die am häufigsten konsumierte illegalisierte Substanz ist. Laut WDR haben im Jahr 2007 zwischen 143 und 254 Millionen Menschen Cannabis genutzt (Vorjahr 166 Millionen). Sie verbrauchten dabei nach Schätzungen des UNODC zwischen 8.600 und 50.900 Tonnen Haschisch und Marihuana.
Nicht vom Bericht gestützt wird indes die Aussage, dass Cannabis “schädlicher” sei, “als gemeinhin angenommen”. Das einzige, was zur Frage der Gefährlichkeit in ihm zu finden ist, ist die Aussage:
“It is thought that high potency cannabis may have the potential to be more harmful.”
(Etwa: Es gibt Vermutungen, dass hochpotentes Cannabis (hoher THC-Gehalt a.d.DHV) potentiell schädlicher sein könnte.)
Noch offensichtlicher ist die fragwürdige Interpretation des Berichts in der Presseerklärung, wenn es um die vermeintlich gestiegenen THC-Gehalte geht.
Der WDR beschäftigt sich diesmal schwerpunktartig mit dieser Frage und kommt zu dem Ergebnis, dass ein relevanter Anstieg des THC-Gehalts nur aus den USA berichtet wurde.
Die dortigen Ergebnisse sind jedoch für die UNODC kein Ergebnis eines tatsächlichen Anstiegs der Werte, sondern schlicht die Folge mangelhafter Lagerung. Die vermeintliche Verdoppelung der THC-Werte in US-Homegrow erklärt der Weltdrogenbericht wie folgt:
“It is believed that claims of increases in potency of cannabis preparations confiscated over a period of 18 years in the United States10 may have been affected by the stability of THC in old samples.”
(Etwa: Es wird angenommen, dass die Behauptung eines Anstiegs der THC-Werte in Cannabiszubereitungen, die in den vergangenen 18 Jahren in den Vereinigten Staaten beschlagnahmt wurden, von der Stabilität des THCs in alten Proben beeinflusst wurde.)
- Weltdrogenreport 2009 vom 24.06.2009 (PDF, englisch)
- Presseerklärung der UNODC zum WDR 2009 “Weltdrogenbericht 2009 unterstreicht Verbindung zwischen Drogen und Kriminalität” (PDF)
- Artikel auf DiePresse.com vom 24.06.2009 “UN: Legalisierung von Drogen ein historischer Fehler“
2. Kanada: Strafverschärfung für Cannabisdelikte
Während in den USA immer lauter über eine (zumindest einzelstaatliche) Legalisierung des Besitzes und Anbaus von Cannabis nachgedacht wird, geht die vom konservativen Stephen Harper geleitete Regierung Kanadas in die andere Richtung.
Bereits zum 2. Mal in diesem Jahr wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Situation der Cannabiskonsumenten des Landes verschlechtern wird.
Wandte sich das “Bill C-14” genannte erste ergangene Gesetz noch primär gegen die organisierte Kriminalität, so wurde z.B. die Verurteilung als Mitglied einer kriminellen Bande erleichtert, richtet sich das neue Gesetz gegen beinahe jeden Konsumenten.
Schlimmer noch, die am 08.06.2009 verabschiedete Bill C-15 sieht für die meisten Delikte Mindeststrafen vor, die an die schlimmsten Zeiten der Regierung Reagan erinnern. So wird bereits der Anbau einer einzelnen Cannabispflanze mit mindestens 6 Monaten Gefängnis bestraft. Wer dies auf fremden Besitz tut, wird zu mindestens 9 Monaten verurteilt.
Auch die Regeln für die Höchststrafe im Zusammenhang mit Cannabis wurden verschärft – Zukünftig drohen bis zu 14 Jahren Gefängnis.
Zum Vergleich: In Deutschland wird der Anbau einer einzelnen Cannabispflanze in der Regel nur mit einer Geldstrafe geahndet. Im Höchstfall drohen sieben Jahre Gefängnis.
Die Konservativen sehen in der radikalen Verschärfung der Gesetze einen “ausgewogenen Ansatz”. Ed Fast, Sprecher der konservativen Fraktion des Kanadischen Parlaments, behauptete sogar:
“We’re not going after the marijuana users. We’re going after the guys who really present an ongoing danger to our community.”
(Etwa: Wir verfolgen keine Marihuanakonsumenten. Wir jagen die Jungs, die eine echte dauerhafte Gefahr für unsere Gesellschaft darstellen.)
Kritiker quer durch alle Bevölkerungsgruppen und politischen Parteien halten den Schritt für einen nicht wiedergutzumachenden Fehler. Sie fürchten, dass die kommenden Jahre eine massive Zunahme der Gefängnisinsassen bringen und verweisen auf das Scheitern der Mindeststrafen-Ideologie in den USA.
Schon heute leidet Kanada unter der höchsten Inhaftierungsquote in seiner Geschichte. 2008 saßen erstmals mehr als 2,3 Millionen Kanadier hinter Gittern.
- Meldung des Hanf Journals vom 15.06.2009 “Kanadas leiser Abschied von liberalen Grundsätzen“
- Artikel des Drug War Chronicles vom 12.06.2009 “Canadian House of Commons Passes Mandatory Minimum Drug Sentencing Bill” Canadian House of Commons Passes Mandatory Minimum Drug Sentencing Bill” (englisch)
- Artikel auf Straigth.com vom 26.03.2009 “Bill C-15 could fill Canadian prisons with drug offenders” (englisch)
3. Kroatien: Cannabisanbau für kranke Ex-Soldaten legal
Der Oberste Gerichtshof Kroatiens hat in einem Grundsatzurteil einen Mann frei gesprochen, der in seinem Hinterhof Cannabis für den eigenen Bedarf angebaut hatte.
Im Gegensatz zum Strafgericht, das den Kriegsveteranen zu einem Jahr Gefängnis verurteilt hatte, erkannte das Berufungsgericht die Erklärung des Mannes an, dass er das Marihuana gegen seine Posttraumatischen Belastungsstörungen nutze.
Laut DerStandard.at leiden rund 18.000 ehemalige Soldaten unter dieser Erkrankung. Das Urteil gibt ihnen nun die Möglichkeit, mit Cannabismedizin gegen Depressionen, Persönlichkeitsstörungen und den Drang zur Selbstverstümmelung zu kämpfen.
- Meldung des Cannabis-Blog vom 05.06.2009 “Kroatien: Kriegsveteranen dürfen Cannabis rauchen“
- Artikel auf DerStandard.at vom 04.06.2009 “Kriegsveteranen dürfen Cannabis rauchen“
4. Medizin: Bundesopiumstelle erleichtert Antragstellung für Cannabispatienten
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Bundesopiumstelle das Verfahren für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach §3 Abs. 2 BtMG für die Nutzung von Cannabis als Medizin zugunsten der Patienten geändert.
Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin wertet die vielen kleinen Erleichterungen, insbesondere bezüglich der Dokumentation der Krankengeschichte und bisherigen Medikamentation, als echten Fortschritt.
So ermöglicht es der Verzicht auf eine “Darstellung des gesamten Krankheitsbildes bzw. -verlaufes” den Patienten endlich das Antragsverfahren mit einem “neuen” Arzt anzugehen. Bisher führte ein Arztwechsel dazu, dass die benötigten Unterlagen nur sehr schwer in der geforderten Genauigkeit erstellt werden konnten. Vielfach fehlte dem behandelnden Arzt schlicht der Überblick über die Krankheitsgeschichte des Betroffenen.
Positiv hebt die IACM darüberhinaus hervor, dass die Hinweise für den Ausnahmeantrag nur noch von Cannabis sprechen. Das BfArM trägt damit dem Umstand Rechnung, dass eine potentielle Genehmigung nicht nur für den Cannabis-Extrakt möglich ist, sondern auch natürliches Cannabis des niederländischen Unternehmens Bedrocan regelmäßig für die Therapie in Frage kommt.
- Informationen der Bundesopiumstelle für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach §3 Abs. 2 BtMG (PDF)
- Mitteilung der IACM vom 20.06.2009 “Bundesopiumstelle erleichtert Antragstellung für Ausnahmegenehmigungen zur medizinischen Verwendung von Cannabis“
5. Hanfparade – Für eine freie Wahl
Am 01.08.2009 wird in Berlin die 13. Hanfparade stattfinden. Die Organisatoren rechnen damit, dass sich mindestens 1.000 Menschen an der traditionsreichen Demonstration für die Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel beteiligen werden.
Die Hanfparade steht in diesem Jahr unter dem Motto “Für eine freie Wahl” und beginnt um 13:00 Uhr am Fernsehturm auf dem Berliner Alexanderplatz.
Aufruf zur Hanfparade 2009
Am 1. August 2009 werden zum 13. Mal im Rahmen der Hanfparade Menschen auf die Straße gehen, um für die längst überfällige Legalisierung von Cannabis zu demonstrieren.
Wir wollen den Kandidaten der Bundestagswahl zeigen, dass wir keine Politik hinnehmen, die Menschen ihren Arbeitsplatz, ihr Ansehen, ihre Gesundheit und ihre Freiheit raubt.
Wir lassen uns von doppelmoralischen Gesundheitsaposteln und verlogenen Politikern unsere Selbstbestimmung nicht nehmen und fordern von den Verantwortlichen gerechtes Handeln.
Wir fordern das Recht eines jeden Erwachsenen, heimische Pflanzen für seine persönlichen Bedürfnisse zu kultivieren.
Wir fordern einen geregelten Verkauf von Cannabisprodukten, um das Gesundheitsrisiko kalkulierbar zu machen – bisher ein Privileg der Alkohol- und Tabakfreunde.
Wir fordern objektive, und vor allem, glaubwürdige Aufklärung, die Mündigkeit vermittelt.
Kurz: Wir fordern eine freie Wahl!”
aus einer Presseerklärung der Hanfparade
6. Termine
- 01.08.2009 Berlin, Hanfparade “Für eine freie Wahl”; Demonstration für die Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel
- 15.08.- 16.08.2009 Seattle (USA), Seattle Hempfest; weltgrößte Demonstration und Festival rund um Marihuana
- 25.09.- 26.09.2009 Frankfurt/Main, 9. Internationaler akzept Kongress; Vorträge und Diskussionen über alternative Drogenpolitik
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