Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen stellt mit dem Jahrbuch Sucht 2011 die aktuellen Daten zu den verschiedenen Suchtstoffen sowie zum Pathologischen Glücksspiel und zu Essstörungen vor: Konsumzahlen, Zahlen zur Behandlung, aber auch Zahlen zur Versorgung Suchtkranker, der Suchthilfe und der Suchtrehabilitation.
Alkoholkonsum, der Konsum von Medikamenten mit Suchtpotenzial und illegale Drogen sind in Deutschland dramatisch etabliert. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V., der Zusammenschluss, der in der Suchtprävention und Suchthilfe bundesweit tätigen Verbände, stellt ihr Jahrbuch SUCHT 2011 vor.
„Dies ist die eine gute Nachricht in einer dramatischen Situation: Der Tabakkonsum sinkt in Deutschland. Der Alkoholverbrauch bleibt entschieden zu hoch, zu riskant, zu folgenreich.“ Dr. Raphael Gaßmann, der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen in Hamm, stellt klar: „Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Medien und die Politik für jedes Suchtmittel eigene Regeln schaffen, je nach Lobbypartnern und Wahlterminen – und dies von einer Konsumgesellschaft gern aufgegriffen wird.“
Die nur geringfügigen Reduzierungen im Bereich legaler Suchtmittel (siehe: Alkohol, Tabak) bestätigen die Forderungen der DHS nach Angebotsreduzierung, Preiserhöhung und Werbeeinschränkung der verschiedenen abhängig machenden Substanzen.
ÜBERBLICK
Im Überblick der einzelnen Drogen wird deutlich, dass Alkohol im Vergleich zu anderen Drogen die schwerwiegendsten Folgen aufzeigt (in Bezug auf Abhängigkeits-, Todes- und Unfallrate).(Jeder Fünfte zwischen 18 und 64 Jahren hat ein Alkoholproblem. )
TABAK
Der Rückgang des Zigarettenverbrauchs ist deutlich, aber halb so intensiv wie im Jahr zuvor (2008: 3,8% Rückgang / 1.071 Zigaretten je Einwohner, 2009: 1,6% / 1.055 Zigaretten je EW). Trotz dessen muss von jährlich 110.000 – 140.000 tabakbedingten Todesfällen ausgegangen werden.
MEDIKAMENTE
Schätzungsweise 1,4 Mio. sind abhängig von Medikamenten mit Suchtpotenzial (psychotrope Medikamente). 4 – 5 % aller häufig verordneten Arzneimittel besitzen ein eigenes Suchtpotenzial und sind verordnungspflichtig. Schätzungsweise ein Drittel dieser Mittel werden nicht wegen akuter Probleme, sondern langfristig zur Suchterhaltung und zur Vermeidung von Entzugserscheinungen verordnet.
Die DHS fordert für dieses Suchtproblem stärkere Präventionsbemühungen sowie eine intensive Forschung.
ILLEGALE DROGEN
Im Bereich illegale Drogen gehört Deutschland mit geschätzten 3,3 problematischen Drogenkonsumenten pro 1.000 Einwohner im Alter von 15 bis 64 Jahren zu den Ländern mit niedriger Prävalenz.
Nach Schätzungen des Epidemiologischen Suchtsurveys 2009 liegt für 1,2 % der Gesamtbevölkerung zwischen 18 bis 64 Jahren eine Cannabisabhängigkeit oder problematischer Cannabiskonsum vor. Doch die Schätzung ist ungenau und gemäß Autoren übertrieben. Verlässlichere Zahlen sprechen von ca. 220.000 Cannabisabhängigen.
Im Vergleich zu Cannabis weist der geschätzte Anteil Abhängiger und Problemkonsumenten von Kokain (0,2 %) und Amphetaminen (0,1 %) deutlich geringere Werte aus.
ALKOHOL
Erfreulich ist auch der Rückgang des Alkoholkonsums in Deutschland. Im Jahr 2009 wurde 2,0% weniger getrunken als im Jahr zuvor. Doch für viele vermeidbare Gesundheitsschäden und sozialen Folgen infolge des Alkoholkonsums ist dieser geringfügige Rückgang entschieden zu gering.
Im internationalen Vergleich der WHO (2005) steht Deutschland bezüglich des Alkoholkonsums an elfter Stelle. In Deutschland konsumieren insgesamt 9,5 Mio. Menschen Alkohol in gesundheitlich riskanter Weise (davon konsumieren 2,0 Mio. missbräuchlich und 1,3 Mio. sind abhängig).
Von 2000 zu 2009 ergibt sich prozentual eine Steigerung der Alkoholvergiftungen in allen Altersgruppen von 111,91%. Mit 333.800 Behandlungsfällen ist die psychische oder verhaltensbezogene Störung durch Alkohol die dritthäufigste Einzeldiagnose aller Hauptdiagnosen der Krankenhausstatistik des Jahres 2008. In krassem Gegensatz dazu steht das Image des Alkohols. Er gilt je nach Bedarf als Muntermacher, Kontaktstifter, Problemlöser oder auch als Schlaftrunk.
Der Zusammenhang zwischen Alkohol und Straffälligkeit zählt zu den ältesten und am besten untersuchten Erkenntnissen der Kriminologie über die Entstehung von Straftaten. So wurde 2009 bei rund 35% aller Tatverdächtigen wegen gefährlicher und schwerer Körperverletzung ein Alkoholeinfluss zum Tatzeitpunkt festgestellt. Durch die enthemmende Wirkung des Alkohols fühlen sich viele Menschen mutiger und furchtloser, sind aber gleichzeitig auch leichter reizbar. Außer bei Gewalttaten spielt der Alkoholeinfluss auch im Bereich von Straßenverkehrsdelikten eine beträchtliche Rolle. 2009 starben 440 Personen, über 10 % aller Verkehrstoten, an den Folgen eines Alkoholunfalls.
Wie kommt es dazu, dass in Deutschland alljährlich so viele Menschen durch Alkohol sterben, dass eine Stadt der Größenordnung Brandenburgs ausgelöscht wird, ohne dass es einen Aufschrei in Politik und Gesellschaft gibt?
Einen Anteil an der allseitigen Akzeptanz des Alkoholkonsums hat ohne Zweifel die lange Tradition von Bier, Wein und Spirituosen. Darüber hinaus gibt es in Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland eine besonders hohe Anzahl von Alkoholkonsumenten (97,1 Prozent der 18 bis 64-Jährigen). Immer weiter wird das Bild vom ungefährlichen Lifestyle-Produkt Alkohol verbreitet. Durch die verharmlosende Imagewerbung, die fehlenden Warnhinweise auf Produkten und Verpackung, das hohe Ausmaß an Produktplatzierung in Filmen und TV und die Verbindung von Sport und Alkohol durch Werbung und Sponsoring. Den Höchstausgaben von über einer Milliarde Euro für Alkoholwerbung stehen weder entsprechende finanzielle Ressourcen für Prävention, noch eine konsistente Präventionsstrategie gegenüber (Die Kontrolle von Alkoholwerbung liegt allein in den Händen der Alkoholhersteller sowie Werbe- und Medienbranche). Die für ein europäisches Land vergleichsweise niedrigen Preise für Alkoholika ermöglichen es in Deutschland jedem, sich für ein Minimum an Geld maximal zu betrinken, zudem ist Alkohol rund um die Uhr verfügbar.
Für das Jahr 2007 wurden volkswirtschaftliche Kosten infolge alkoholbezogener Krankheiten in Höhe von 26,7 Mrd. Euro ermittelt, demgegenüber stehen die Einnahmen des Staates aus alkoholbezogenen Steuern, die bei 3,305 Milliarden Euro (2009) liegen.
Seit Jahren muss von jährlich über 73.000 Todesfällen ausgegangen werden, die auf alkoholbezogene Gesundheitsstörungen zurückzuführen sind. Gut ein Fünftel aller Todesfälle zwischen 35 und 65 Jahren sind alkoholbedingte Todesfälle, allein bei den Männern dieser Altersgruppe ein Viertel aller Todesfälle.
Die DHS fordert, dass übermäßiger Alkoholkonsum nicht mehr allein bei Jugendlichen kritisiert werden darf. Zahlenmäßige sind die Erwachsenen das größte Problem, Preiserhöhungen für alkoholische Getränke sowie ein Stopp des abendlichen und nächtlichen Verkaufs, eine Alkoholprävention auf gesetzlicher Grundlage (z.B. finanzielle Beteiligung durch eine zweckgebundene Abgabe für Prävention und Therapie auf jede Flasche eines alkoholischen Getränks). Der Einstieg in eine gesundheitspolitisch ausgerichtete Abgabenpolitik ist ganz einfach.
Mehr Informationen:
- Was ist die DHS?
- DHS-Pressemeldung bezüglich des Jahrbuchs
- Jahrbuch SUCHT kaufen
- Aktionswoche Alkohol 21.-29. Mai
- DHS-Informationen zu Cannabis
- DHS-Informationen zu Alkohol
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