Fast zwei Jahre, nachdem Colorado Cannabis re-legalisiert hat und ein knappes Jahr nach Eröffnung der ersten Hanf-Fachgeschäfte ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Marijuana Industry Group hat eine sehr interessante Artikelsammlung veröffentlicht, die die Entwicklung in Colorado anhand zahlreicher Medienberichte eindrucksvoll dokumentiert. Zusammenfassend lässt sich wohl sagen, dass die neu geschaffene Regulierung viel besser als das vorher geltende Verbot funktioniert. Auch wenn es sicher noch Kinderkrankheiten gibt, an denen es zu arbeiten gilt. Die wohl wichtigsten und meist diskutierten Punkte sind nicht nur in Colorado Jugendschutz und Prävention. Hier ist Colorado auf dem besten Wege, denn der Konsum von jugendlichen Cannabiskonsumeten nimmt seit 2009 stetig ab. Die Prävalenz bei High School Schülern sank in dieser Zeit von 24 auf aktuelle 20 Prozent. Der legale Verkauf an über 21-Jährige unterstützt diese Entwicklung, denn durch die zweckgebundenen Steuereinnahmen wurden bereits Präventionsprogramme finanziert und sogar direkt ins Schulsystem investiert. Auch ein Sport- und Freizeizentrum der Stadt Denver soll eine 3,2 Millionen Dollar Spritze erhalten, die direkt aus den Einnahmen des Hanfblüten-Verkaufs stammen.
Die Wirtschaft des Bundesstaates hat direkt und indirekt profitiert. Zahlreiche Cannabis-Touristen bescherten der Tourismus-Branche das beste Jahr seit ihrem Bestehen, besonders die Ski-Ressorts konnten einen regelrechten Boom verzeichnen. Die Arbeitslosenquote ist mit 4,3 Prozent auf dem tiefsten Stand seit sechs Jahren und Colorado ist der Staat mit den besten Wirtschaftsprognosen in den USA.
Anfängliche Befürchtungen, die Regulierung ginge mit einer steigenden Zahl an Verkehrsunfällen einher, haben sich nicht bestätigt. Auch hier scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein, denn seit der Gesetzesänderung verzeichnet Colorado nicht mehr DUI (Driving under influence) Fahrten oder Unfälle als zuvor. Die Schnelltests, die auch in Colorado eingesetzt werden, sollen hingegen keine positive Auswirkung auf die Verkehrssicherheit haben. Eine andere Studie beweist sogar, dass die Zahl schwerer Verkehrsunfälle in Staaten mit „Medical Cannabis“ von 1999-2009 im Vergleich zur vorherigen Dekade um neun Prozent gesunken ist. Die gleiche Studie bestätigt nicht nur den positiven Effekt der Re-Legalisierung auf die Verkehrssicherheit, sondern auch auf die Entwicklung von Gewaltverbrechen. Denn auch deren Rate ist entgegen allen Befürchtungen in Denver, dem Zentrum der Cannabis-Industrie, sogar gesunken. Eine weitere, neue Studie aus den USA hat zudem festgestellt, dass häusliche Gewalt bei Paaren, die Cannabis konsumieren, seltener vorkommt als im allgemeinen Durchschnitt.
Die Steuereinnahmen sind nicht nur in Colorado, sondern auch in Washington ein Segen für den Staatshaushalt. Im Oktober hat Colorado, ähnlich wie in den Monaten zuvor, fast acht Millionen an Cannabis-Steuern eingenommen. Nimmt man diese Zahl als Grundlage, so kommt der fünf Millionen Einwohner Staat in diesem Jahr auf knapp 100 Millionen Dollar Steuereinnahmen. Übertragen auf Deutschland mit seinen 80 Millionen Einwohnern wären das 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Dabei muss berücksichtigt werden, dass das Verkaufssystem in Colorado lange noch nicht flächendeckend funktioniert und längst nicht alle erwachsenen Einwohner die Möglichkeit haben, mal eben schnell Gras zu kaufen. Außerdem ist der Anteil der Konsumenten in Colorado sowie in der gesamten USA höher als in Europa. Trotzdem könnte auch bei uns ein stattliches Sümmchen zusammenkommen. Funktioniert das System erst einmal in ganz Colorado, werden die Steuereinnahmen noch einmal steigen.
Zwar scheinen sich die mexikanischen Kartelle aufgrund der Liberalisierung in den ganzen USA immer mehr aus dem Grasgeschäft zurückzuziehen, allerdings existiert auch in Colorado noch ein florierender Schwarzmarkt. Das hat vor allen Dingen zwei Gründe: Aufgrund der Besteuerung ist „Recreational Cannabis“ circa um ein Viertel teurer als Schwarzmarkt-Gras, die illegale Unze kostet 180, die legale im Schnitt 240 Dollar. Zweitens können Bewohner ländlicher Gegenden oft gar nicht legal einkaufen, ohne eine halbe Tagesreise zu unternehmen. In Denver und den Städten hatten sich Konsumenten auch auf dem Schwarzmarkt ähnliche oder gar niedrigere Preise als in den Hanfapotheken gewöhnt. Die Hanf-Fachgeschäfte klagen über Einheimische, die sich nicht an das neue Preisniveau gewöhnen wollen. Es gibt sogar Shopbetreiber, die ein Menu für Touristen und eins für „Locals“ anbieten. Geld ist wohl auch der Grund, weshalb die Zahl der Cannabispatienten seit Anfang des Jahres um fast 20 Prozent hoch geschnellt ist, obwohl Cannabis als Medizin schon lange legal ist. Es kostet einfach weniger. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Produktion von „Recreational Cannabis“ durch größere Produktionsanlagen und Automatisierung in naher Zukunft weitaus günstiger wird und so den verbleibenden Schwarzmarkt verdrängen kann. Ein weiteres, noch endgültig zu lösendes Problem, sind die Dosierungen, Verpackungen und Sicherheitshinweise auf den so genannten „Edibles“, also den mit Cannabis versetzten Riegeln, Lollis oder Drinks. Nachdem es hier aufgrund von Dosierungsproblemen hin und wieder zu Zwischenfällen gekommen war, gibt es dazu derzeit lediglich eine vorläufige Verordnung aus dem Oktober 2014. Die Vorschläge reichen von Selbst-Regulierung der Edible-Industrie bis hin zum staatlichen Total-Verbot. Wahrscheinlich wird man eine Höchstgrenze pro Verzehreinheit einführen und die Verpackung noch sicherer gestalten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Regulierung in Colorado in vielerlei Hinsicht geglückt ist. Der US-Bundesstaat floriert wirtschaftlich und ist auch nicht auf dem Wege, zum Drogensumpf oder Rückzugsgebiet der Mafia zu werden. An einigen Punkten muss noch nachgebessert werden, doch insgesamt hat der Staat in Colorado, insbesondere die neu geschaffene Marijuana Enforcement Division (MED), echte Pionierarbeit für die Geschichtsbücher geleistet.
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