Das Bezirksparlament Friedrichshain/Kreuzberg hat gestern Abend mit deutlicher Mehrheit das von den Grünen beantragte Modellprojekt zur Cannabisabgabe beschlossen. Das ist ein historischer Moment, auch wenn die Arbeit jetzt erst beginnt und eine Genehmigung fraglich ist.
Laut einer Pressemitteilung der Grünen im Bezirk ist der Antrag “mit großer Mehrheit” beschlossen worden. Gerade habe ich erfahren, dass der Beschluss sogar einstimmig war! Nicht nur die Grünen, Linken und Piraten haben dafür gestimmt, sondern auch die SPD! Die CDU war nicht im Saal…
Hier ein Auszug aus der Grünen Pressemitteilung:
Geplant ist ein Runder Tisch bzw. Fachtag mit Anwohnern, Initiativen, Suchthilfeträgern, Experten, Polizeivertretern und Fachpolitikern. Offene rechtliche Fragen, beispielsweise nach möglichen Betreibern und Beschaffungsmöglichkeiten, sollen geklärt werden. (…)
„Die Situation im Görli zeigt, dass die Prohibitionspolitik der letzten Jahrzehnte gescheitert ist. Wir müssen jetzt ungewöhnliche Lösungen denken“, sagt Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne). (…)
„Das Bezirksparlament begrüßt unsere Initiative – nun beginnt die eigentliche Arbeit“, sagt Jonas Schemmel (Grüne).
Diese Nachricht geht heute quer durch die Presse, es gab unter anderem Agenturmeldungen dazu, s. z.B. Kölnische Rundschau und B.Z. Letztere zitiert einmal mehr den Kritiker des Projektes im Berliner Senat, Gesundheitssenator Marion Czaja (CDU):
Doch die eigentliche Hürde steht noch bevor: die Genehmigung durch das Bundesamt für Arzneimittel. Gesundheitssenator Marion Czaja (38, CDU) ist weiter skeptisch, ob der Antrag des Bezirks Erfolg haben wird. Die Coffee Shop-Idee hält er für den falschen Weg.
Der DHV wird sich an den Diskussionen um die Umsetzung des Projektes beteiligen. Es wird sicherlich noch einige Monate dauern, bis tatsächlich ein Antrag ausgearbeitet ist und eingereicht werden kann. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte Ende der 90er Jahre unter Gesundheitsminister Seehofer einen ähnlichen Antrag von Schleswig-Holstein abgelehnt.
Ob die neue Bundesregierung da fortschrittlicher ist, darf im Moment wohl bezweifelt werden. Deshalb muss der Bezirk auch prüfen, ob ggf. gegen eine Ablehnung rechtliche Schritte möglich wären.
Aber selbst wenn das Projekt letztendlich abgelehnt wird, ist dieser Beschluss ein starkes Signal. Zum ersten mal seit über 15 Jahren gibt es wieder eine Mehrheit in einem deutschen Parlament für legale Cannabisabgabe.
Dieser Beschluss passt auch perfekt zur aktuellen “Kommunale-Petitionen-Kampagne” des DHV, mit der wir genau so etwas vorschlagen. Viele Petenten haben bisher von ihren Städten die Antwort erhalten, sie seien für so etwas nicht zuständig oder es sei rechtlich nicht möglich. Nun können alle Antragsteller auf den Berliner Bezirk verweisen. Ein solcher Beschluss ist möglich!
Und auch eine Genehmigung durch das BfArM dürfte wahrscheinlicher werden, wenn sich weitere Städte der Initiative anschließen. Das Modellprojekt zur Heroinvergabe wurde damals z.B. von sieben deutschen Städten durchgeführt.
Außerdem reiht sich der Bezirk damit ein in einen europäischen Trend: auch in Kopenhagen und einigen Schweizer Städten wollen die Kommunalpolitiker Cannabisgeschäfte einrichten.
Es geht voran, wenn auch langsam, aber der Druck im Kessel nimmt zu!
Update vom 29.11.2013 GW:
Unter diesem Link ist das offizielle Dokument des Beschlusses zu finden.
Hier der wesentliche Text:
Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:
Das Bezirksamt wird beauftragt, gemeinsam mit Expert*innen, Beratungsstellen und Anwohner*innen die nötigen Schritte einzuleiten, um durch eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten in lizensierten Abgabestelle(n) am Görlitzer Park, den negativen Auswirkungen der Prohibition und des dadurch entstehenden Schwarzmarkts entgegen zu treten.
Dazu soll(en)
– ein Runder Tisch/Fachtag gemeinsam mit Anwohner*innen und/oder Initiativen rund um den Görlitzer Park, ansässigen Suchthilfeträgern, Drogenexpert*innen, der Polizei und Fachpolitiker*innen einberufen werden
– offene rechtliche Fragen geklärt werden, z.B. nach möglichen Betreiber*innen des Shops, Beschaffungsmöglichkeiten sowie der Antragstellung beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf die Erlaubnis der kontrollierten und lizensierten Abgabe von Cannabisprodukten
– sichergestellt werden, dass die Eröffnung und Betreibung des Coffeeshops im öffentlichen Interesse liegt, bzw. dass die nötige wissenschaftliche Begleitung es Modellprojektes in Zusammenarbeit mit geeigneten Forschungsstellen erfolgt, sodass das Modellprojekt im wissenschaftlichen Interesse begründet ist.
Die Auswirkungen auf den Bezirkshaushalt sollen zum gegebenen Zeitpunkt dargestellt werden.
Die BVV ist in regelmäßigen Abständen zu unterrichten.
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