Cannabis-Regulierung in Deutschland: Wichtige Eckpunkte

Die wichtigsten Forderungen des DHV an die Ampel-Koalition waren schon lange auf der DHV-Seite zu finden: Sofortige Entkriminalisierung der Konsumenten, Eigenanbau, Führerschein, Amnestie. Nun stellen wir unsere Eckpunkte mit vielen Details zur Regulierung des Cannabismarktes vor, mit denen wir vor allem die Sicht von Konsumenten und privater Legalisierungsbefürworter einbringen wollen. Damit bilden wir als Lobby ein Gegengewicht zu unternehmerischen Interessen und grundsätzlich ablehnenden Kräften, z.B. den Polizeigewerkschaften. Bei manchen Punkten gibt es keine einheitliche Meinung der Community. Wir freuen uns in diesem Sinne über konstruktive Kommentare.

Stand 25.07.2022

Inhaltsangabe

Vorwort

Die Argumente, warum die Legalisierung von Cannabis sinnvoll ist, hat der DHV in den letzten 20 Jahren an anderen Stellen zuhauf geliefert und wiederholt. Nachdem die Ampel-Koalition nun die Legalisierung von Cannabis grundsätzlich beschlossen hat, soll es hier darum gehen, wie die Regulierung des Marktes aussehen sollte. 

Der Gesetzentwurf der Grünen für ein Cannabiskontrollgesetz1 ist eine sehr gute Diskussionsgrundlage. Mit seinen ca. 70 Seiten und seiner juristischen Sprache ist er aber auch unübersichtlich.

Hier stellen wir Eckpunkte für die Cannabislegalisierung zur Diskussion, die uns wichtig erscheinen und die wir in die politische Debatte einbringen wollen. Im April 2022 veröffentlichten wir unseren Entwurf, um Feedback aus der Community einzuholen. 

Durch konstruktive Kommentare über verschiedene digitale Medien und insbesondere durch die Diskussion über Details der Regulierung mit Aktivisten, Politikern und Wissenschaftlern auf der Cannabis Normal! Konferenz2 konnten wir viele Fragen klären und differenziert ausarbeiten. Das Ergebnis ist dieses finale Eckpunktepapier.

Unser Leitgedanke dabei: grundsätzlich besteht kein Grund, Cannabis stärker zu regulieren als Alkohol. Insbesondere für Erwachsene ist das Risiko des Cannabiskonsums geringer einzustufen als der von Alkohol. Regulierungsvorschläge, die hier für Cannabis unterbreitet werden, sollten demnach konsequenterweise auch für Alkohol und Tabak Anwendung finden.

Falls es zur Definition von Obergrenzen kommt, z.B. Besitzobergrenzen zuhause oder in der Öffentlichkeit, was wir in den meisten Fällen ablehnen, muss es bei kleineren Überschreitungen kulante Sanktionen mit geringen Bußgeldern im Rahmen des Ordnungsrechts geben. Es darf nicht bei jedem Gramm zu viel sofort die volle Härte des bisherigen Strafrechts einsetzen.

Unsere Vorschläge in diesem Papier beziehen sich auf Hanfprodukte, deren THC-Gehalt höher liegt als die EU für Nutzhanf vorschreibt und die damit geeignet sind, einen Rausch zu erzeugen. Derzeit sind das 0,3 Prozent THC, wobei wir eine moderate Erhöhung des Wertes vorschlagen. Auch ein etwas höherer Wert würde den Konsum als Rauschmittel ausschließen, den Landwirten und Produzenten aber ermöglichen, das volle Potential der Pflanze zu nutzen. 

Verkauf in Fachgeschäften

Cannabis sollte nur in Cannabis-Fachgeschäften verkauft werden und nicht in Supermärkten, Tankstellen, Kiosken etc. Auch Apotheken sind nicht geeignet, Cannabis als Genussmittel zu verkaufen, ebensowenig wie Bier und Spirituosen.

Die Fachgeschäfte brauchen eine staatliche Lizenz, die ihnen bei Nichtbeachtung der Regeln wieder entzogen werden kann. 

Die Fachgeschäfte sollten optional Konsum vor Ort anbieten dürfen, ähnlich wie die niederländischen Coffeeshops.

Verkauft werden darf ausschließlich an Personen ab 18 Jahren mit Ausweiskontrollen3

Wir halten eine Mengenbegrenzung pro Verkaufsvorgang und für den Besitz in der Öffentlichkeit nicht für notwendig. Bei Alkohol gibt es schließlich auch keine Obergrenze und wir erwarten keinen Weiterverkauf in größerem Umfang von Ware aus den Fachgeschäften, weil der Preis dort wahrscheinlich nicht wesentlich unterhalb des Schwarzmarktniveaus liegen wird. Eine Abgrenzung zwischen privatem Besitz und kommerziellem Handel über die erlaubte Menge ist deshalb nicht erforderlich.

Auch das Verschenken von Cannabis oder das Weitergeben gegen Erstattung des Einkaufspreises (“etwas mitbringen”) darf nicht bestraft werden. Erst wenn bei der Weitergabe ein Gewinn gemacht wird, handelt es sich um lizenz- und steuerpflichtigen Handel.

Ausführliches Info-Material zu Hilfsangeboten sowie zu Wirkungen, THC-CBD-Verhältnis und den Risiken des Konsums muss in den Fachgeschäften sichtbar zur Verfügung stehen.

Lizenzierte Fachgeschäfte dürfen ihre Ware auch online anbieten. Der Jugendschutz wird bei Bestellung durch eine zweistufige Alterskontrolle sichergestellt: vor der Bestellung durch den Händler und bei Zustellung durch eine Ausweiskontrolle bei Übergabe, wie bereits bei Tabak üblich4 5.

Das in Deutschland geltende Verbot von Hanfsamen sollte aufgehoben und eine regulierte Produktion von Saatgut ermöglicht werden. Auch Hanfpflanzen/-stecklinge und -samen werden im Fachgeschäft bzw. im Online-Handel verkauft6.

Neben den Fachgeschäften selbst sollte es auch anderen Gastronomen erlaubt werden, den Konsum von Cannabis zu gestatten, sofern der Zugang zur Lokalität nur Erwachsenen erlaubt ist. Beim Rauchen von Cannabis in der Öffentlichkeit gelten die gleichen Regeln wie bei Tabak. 

Verkaufspersonal/Ausbildung

Das Verkaufspersonal sollte einen Sachkundenachweis vorbringen. Eine offizielle Berufsausbildung ist nicht notwendig, aber Schulungen oder Workshops von einigen Wochen. Weitere Fortbildungen bieten sich an, um auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu bleiben.

Voraussetzung für diese Art von Arbeit sollte, analog zu den Anforderungen der IHK für Fachverkäufer im Genussmittelbereich, Freude an der Arbeit mit Menschen (Empathie) und Interesse an der Ware sein.
Tiefere Kenntnisse sollten in folgenden Bereichen vermittelt werden:

  • Sortenauswahl,
  • Konsumformen und Dosierung,
  • rechtliche Rahmenbedingungen,
  • akute Wirkungen und Nebenwirkungen,
  • Risiken des Konsums,
  • Erste-Hilfe bei Überdosierungen, wenn Konsum vor Ort gestattet,
  • Safer Use Beratung,

Wichtigkeit von Kenntnissen über lokale Anlaufstellen, Notfallnummern etc.
Grundkenntnisse sollten in folgenden Bereichen vermittelt werden:

  • Grundsätzliche Wirkweise über das Endocannabinoidsystem/Cannabinoidrezeptoren
  • medizinische Anwendungsbereiche,
  • versch. Wirkweisen bei Variationen von Terpenenprofil und Cannabinoidanteilen,
  • Cannabiskultivierung,
  • Kulturgeschichte.

Personen mit Vorstrafen sollten bei BtM-Delikten ohne Gewaltanwendung oder Waffen nicht als Personal oder Inhaber ausgeschlossen werden.

Produktregulierung

Es ist nicht nur der Verkauf von Hanfblüten und Pflanzenteilen legal, sondern auch Konzentrate, von traditionellem Haschisch bis hin zu starken Extrakten. Haschisch und Hanfblüten sollen reine Naturprodukte aus 100 % Hanf sein. Eine THC-Obergrenze ist dabei nicht erforderlich. Wichtiger ist, dass Konsumenten über die Inhaltsstoffe und deren Anteile informiert sind. Der Erwerb verschiedener weiterverarbeiteter Produkte aus Cannabis, beispielsweise Edibles, Getränke, Öle, oder auch Liquids für Vape Pens soll möglich sein. Mischprodukte sind ebenfalls erlaubt (z.B. Rauchmischung mit Hanfblüten und Kräutern).

Wir positionieren uns nicht zu der Frage, ob auch Mischprodukte mit anderen psychoaktiven Substanzen erlaubt sein sollen (alkoholische Getränke mit THC wie Hanf-Bier, Joints mit Tabak, Erfrischungsgetränke mit Koffein und Cannabis). Zu der Frage haben wir kein klares Meinungsbild, es gibt gute Argumente dafür und dagegen7.
Isolate einzelner Cannabinoide sind schon heute auf dem Markt und sollten ebenfalls reguliert werden. (Halb-)Synthetische psychoaktive Substanzen, die Cannabinoide nachahmen, aber nicht natürlich in der Pflanze vorkommen, werden ausgeschlossen.

Produktdeklarierung

Auf jeder Verkaufseinheit müssen Angaben gemacht werden zu Sortenname, Herkunft, Produktionszeitpunkt, Produktionsmethode (Indoor, Gewächshaus, Outdoor, Anbaumedium) sowie THC- und CBD-Gehalt. Auch zusätzlich zugesetzte Cannabinoide müssen deklariert werden. 

Optional können weitere Cannabinoide und Terpene zur Verbraucherinformation angegeben werden. Insbesondere bei essbaren Produkten sind genaue Angaben zur Dosierung8 notwendig.

Mit jeder Verkaufseinheit werden Warnhinweise geliefert, die vor den Risiken bei Schwangerschaft und im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr warnen. Außerdem wird auf das Risiko der Überdosierung bei oralem Konsum und auf mögliche Atemwegserkrankungen durch Rauchen hingewiesen. Dazu kommen Informationen, dass Cannabisprodukte von Kindern fernzuhalten sind und allgemeine Safer-Use-Hinweise9, z.B. Konsum vorzugsweise per Vaporizer, kein Mischkonsum mit anderen Drogen, insbesondere Tabak etc.

Auch um Verpackungsmüll zu sparen, sollte es die Möglichkeit geben, die Produktinformationen und Warnhinweise zumindest teilweise auf Landing Pages des Herstellers bzw. der BZgA zu verlagern und z.B. per QR-Code darauf hinzuweisen. Damit hätten die Hersteller auch die Möglichkeit, die Analysezertifikate der jeweiligen Charge zugänglich zu machen. 

Darüber hinaus gelten auch für Cannabisprodukte die jeweils üblichen Kennzeichnungspflichten, z.B. zur Nettofüllmenge, zu den Nährwertangaben und MHD bei Edibles etc., und die auch bei anderen Lebensmitteln/Genussmitteln üblichen Regeln zu Verbraucherschutz und Qualitätsbestimmungen sowie die Kontrollen der Überwachungsbehörden. Diese sollten die Qualität der Waren stichprobenartig prüfen, um sicherzustellen, dass die üblichen Grenzwerte für Pestizide, Fungizide, Düngerrückstände und Schimmel bei Raucherzeugnissen wie Tabak auch bei Cannabis eingehalten werden. Entsprechendes gilt für Produkte mit Bio-Siegel.

Ganz wesentliche Informationen, z.B. der THC-Gehalt sollten auch in Blindenschrift deklariert werden.

Jugendschutz

Mit den Einnahmen aus der Cannabissteuer sollten Präventionsmaßnahmen und Hilfsangebote insbesondere für Jugendliche verstärkt werden.

Jugendliche, die mit Eigenverbrauchsmengen oder beim Konsum von Cannabis in der Öffentlichkeit auffallen, werden ebenso wenig bestraft wie Erwachsene und genauso behandelt wie Jugendliche mit Tabak. Bei Auffälligkeit hat das Jugendamt die Möglichkeit, die Familie anzusprechen. Das gilt ebenso, wenn im privaten Bereich Hinweise auftauchen, die auf eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls hindeuten, z.B. wenn Eltern ihren Kindern schon früh regelmäßigen Cannabiskonsum ermöglichen. Das Angebot freiwilliger (gemeinsamer) Beratungsgespräche und Präventionskurse können sinnvolle Maßnahmen sein. Das Jugendschutzgesetz gilt entsprechend wie bei Alkohol bzw. Tabak und muss ggf. mit konkretem Bezug auf Cannabis angepasst werden10.

Lediglich der kommerzielle Verkauf von Cannabis an Jugendliche mit Gewinnerzielungsabsicht, die Weitergabe an Kinder oder die Weitergabe mit niederem Beweggrund sollten bestraft werden. Wenn 18-Jährige ihren 17-jährigen Freunden Cannabis abgeben oder Eltern ihre 16-jährigen Kinder gelegentlich unter Aufsicht mit konsumieren lassen, sollte das analog zu Alkohol nicht bestraft werden. 

Der Zugang zu den Cannabisfachgeschäften und Anbauclubs ist nur Erwachsenen gestattet.

Produkte mit aktiv vorliegendem THC, also mit psychoaktiver Wirkung bei unmittelbarem oralem Konsum11, sind bei Außer-Haus-Verkauf mit kindersicherem Verschluss zu versehen12

Bei Edibles sollte eine Verwechslungsgefahr mit anderen handelsüblichen Lebensmitteln, insbesondere Süßigkeiten für Kinder etc., ausgeschlossen werden.

Werbung

Werbung für Cannabisprodukte sollte ausschließlich in den Fachgeschäften und in Fachzeitschriften erlaubt sein, wie es für Alkohol und Tabak längst überfällig ist. Auf den Online-Seiten entsprechender Medien und Fachgeschäfte ist Werbung erlaubt, wenn der Zugang zur Seite mit Altersbeschränkung für Erwachsene limitiert ist.

Produktion/Import

Die Produzenten im Inland werden dafür lizenziert und ihre Produktionsstätten stichprobenartig kontrolliert. Das gilt auch für Anbauclubs. Neben den Lizenzen für Anbau sind getrennte Lizenzen für die ausschließliche Aufzucht von Jungpflanzen und die Produktion von Saatgut sowie für weiterverarbeitende Unternehmen (Harz/Konzentrate/Edibles) möglich.

Import aus anderen Ländern – auch traditionellen Produktionsländern wie Marokko, Afghanistan, Nepal, Libanon etc. – sollte möglich sein, sofern dort zukünftig entsprechende offizielle Regulierungen bestehen. Auch hier gelten natürlich die gleichen Vorschriften zu Qualitätskontrollen. Für die Kontrolle der Produktionsstätten sind die Importeure zuständig.

Klimafreundliche Produktion sollte gefördert werden, um den derzeit noch hohen Stromverbrauch durch Indoor-Anbau zu reduzieren.

Besteuerung

Die Besteuerung sollte so gestaltet werden, dass der Staat einerseits gute Einnahmen generieren kann wie bei anderen Genussmitteln und keine Schleuderpreise entstehen, aber andererseits das Schwarzmarktniveau nicht wesentlich überschritten wird. Nur so kann eine Verdrängung des Schwarzmarktes gewährleistet werden. Der hohe Risikoaufschlag illegaler Händler entfällt in einem legalen Umfeld, wodurch Raum für eine Besteuerung entsteht. Die Steuersätze13 müssen regelmäßig mit Blick auf die Schwarzmarktpreise angepasst werden.

In diesem Rahmen sind unterschiedliche Modelle denkbar. Die Besteuerung kann sich an der Bruttomenge in Kombination mit  der Produktklasse (Blüten, Harz, Konzentrate), an THC-Werten (z.B. Korridore 0-10, 10-20%) und am Preis orientieren14.

Marktbedingungen

Insgesamt sollten die Marktbedingungen so gestaltet sein, dass auch kleine Anbieter bei Produktion und Einzelhandel eine Chance haben, damit nicht nur große Konzerne produzieren können und nur Einzelhandelsketten die Marktmacht inne haben. Der Konsument sollte die Wahl haben, ob er preiswerte Ware aus der industriellen Produktion oder Bio-Cannabis aus der Region kauft. Der Erwerb von Lizenzen darf zum Beispiel nicht mit zu hohen bürokratischen Hürden verbunden sein. Für kleine “Craft-Growereien” sind besonders günstige Lizenzen zu erteilen.

Die Zahl der Lizenzen sollte nicht begrenzt werden, weder bei der Produktion, noch im Einzelhandel. 

Legale Anbauerfahrung darf kein Kriterium für die Erteilung von Anbaulizenzen sein. Ebensowenig dürfen frühere Verurteilungen wegen gewaltloser Cannabisdelikte ein Ausschlusskriterium sein.

Neben dem Indoor-Anbau muss aus ökologischer Sicht auch der Outdoor-Anbau oder der Anbau im Gewächshaus unter Sonnenlicht erlaubt sein. Auch ökologisch/ landwirtschaftlich sinnvolle Mischpflanzungen sollten möglich sein.

Bestimmte Vorschriften zu Sicherungsmaßnahmen sind weder beim Indoor-, noch beim Outdoor-Anbau nötig. Die Betriebe haben ein Eigeninteresse an der Sicherung und sollten selbst entscheiden können, wie aufwändig sie ihre Ware sichern möchten. 

Landwirtschaftliche Genossenschaften für kleine Cannabis-Produzenten wären eine Möglichkeit, den bürokratischen Aufwand für Steuerfragen, Qualitätskontrollen, Testung und Vertrieb gemeinschaftlich zu bewältigen. Das würde einen sehr schnellen Markteintritt für kleine Grower und damit eine zeitnahe Deckung des Bedarfs ermöglichen. 

Die Community wünscht sich in der großen Mehrheit die Möglichkeit, unverpacktes Cannabis zu kaufen bzw. über ein Pfandsystem für Verpackungen, z.B. im Fachgeschäft mit Konsummöglichkeit vor Ort, im Hofladen-Fachgeschäft etc., zu erwerben.

Eigenanbau und Anbauclubs

Der Eigenanbau von Cannabis zur Deckung des eigenen Konsums sollte ohne den Erwerb einer besonderen Lizenz und ohne Zahlung von Steuern legal möglich sein. Analog zum Bierbrauen15 ist eine einfache Meldung an das Hauptzollamt, die keine automatische Kontrolle nach sich zieht, vorstellbar.

Wenn eine Begrenzung des privaten Eigenanbaus zur Selbstversorgung politisch gewünscht ist, plädieren wir dafür, die Zahl der Pflanzen auf mindestens 10 (weiblich,  blühend) zu begrenzen. Samen, Stecklinge und Mutterpflanzen sind davon nicht betroffen.

Eine Obergrenze für die Cannabismenge, die Zuhause gelagert werden darf, lehnen wir ab. Dies gilt auch für Personen, die nicht selbst anbauen16.

Auch der Outdoor-Anbau von Cannabis im privaten Garten oder auf dem Balkon muss erlaubt sein. Die unentgeltliche Abgabe bzw. das Verschenken von kleinen Mengen Cannabis oder von Stecklingen/Samen an erwachsene Freunde, z.B. aus eigenem Anbau, ist ebenso erlaubt.

Im Rahmen dieses privaten Eigenanbaus sollten auch Anbauclubs wie in Spanien und Uruguay möglich sein, in denen gemeinsam angebaut und die Ernte an die Mitglieder ausgegeben wird. In entsprechenden Vereinsräumlichkeiten sollte der Konsum vor Ort möglich sein. Die CSC sollten entsprechend dem Vereinsrecht17 nicht kommerziell ausgerichtet sein. Auch Touristen sollte der Zugang gestattet sein.

Amnestie

Alle Menschen, gegen die ein Strafverfahren ausschließlich wegen Besitz, Anbau, Handel etc. von Cannabis geführt wurde und die sich sonst nichts weiter zuschulden haben kommen lassen (keine Gewalt etc.) müssen vollständig amnestiert werden. Einträge in behördlichen Akten und Computern sind zu löschen, noch offene Gefängnisstrafen sind zu erlassen. Geldstrafen und Gerichtskosten sind zu erstatten. 

Berufsverbote sind aufzuheben. Auch künftig dürfen keine Berufsverbote mehr aufgrund von Cannabiskonsum erteilt werden. Wer die Folgen eines Berufsverbotes (entstandene Kosten/ fehlende Lebensgrundlage) oder einen Freiheitsentzug erlitten hat (Psychiatrie, Gefängnis), wird rehabilitiert und erhält eine finanzielle Entschädigung, sofern es sich um gewaltfreie Cannabis-Delikte handelt. 

Entzogene Führerscheine sind zurückzugeben, wenn sie aufgrund einer Überschreitung des 1 ng Grenzwertes bzw. wegen einer daraufhin angeordneten MPU entzogen wurden und der Wert unterhalb des neu definierten Grenzwertes lag. Ebenfalls zurückerstattet werden Führerscheine, die aus anderen Gründen entzogen wurden, die nach dem neuen Gesetz kein Grund mehr für einen Entzug wären, z.B. wiederholte Besitzdelikte, geänderte MPU-Richtlinien etc.. Konkret gezahlte Gebühren, nachweisbare MPU-Kosten etc. sind zu erstatten.

Als Signal an die Gesellschaft und als Zeichen der Einsicht in das begangene Unrecht vergangener Jahrzehnte erwarten die Konsumenten eine Entschuldigung seitens der Politik.

Führerschein

Im Zuge der Legalisierung ist im Verkehrsrecht eine Gleichbehandlung von Cannabis mit Alkohol einzuführen. Das gilt insbesondere auch für die Ungleichbehandlungen, die über die reine Definition des Verkehrsverstoßes hinausgehen18, z.B. Anordnung einer MPU erst nach mehrmaligem Verstoß.

Wir fordern daher die Angleichung der Sanktionen und die Streichung von Cannabis aus der Anlage § 24 a StVG. 

Da THC-Werte kaum Rückschlüsse auf die Fahrtüchtigkeit zulassen, sollten mittelfristig andere Testverfahren (z.B. Reaktion, Gleichgewicht etc.) eingeführt werden, sobald diese wissenschaftlich valide vorgelegt werden.

Bis dahin muss der THC-Grenzwert für den Straßenverkehr angehoben werden, damit nicht weiterhin nüchternen Fahrern eine Drogenfahrt unterstellt wird. Außerdem sollte die Messung im Vollblut erfolgen und nicht im Serum, so wie es auch in anderen Ländern gehandhabt wird. Der Wert im Serum ist nicht aussagekräftig. Wir schlagen einen versicherungsrelevanten Wert analog zu 0,3 Promille Alkohol von 5 ng vor (2,5 ng THC/ml Vollblut) und 10 ng (5 ng THC/ml Vollblut) analog zu 0,5 Promille Alkohol zur Definition einer Drogenfahrt vor. Ein absolute Fahruntüchtigkeit wie ab 1,1 Promille Alkohol ist mit Cannabis nicht erreichbar und muss von daher auch nicht definiert werden19.

Der THC-COOH-Wert (Abbauprodukt) soll in keiner Weise mehr zur Beurteilung herangezogen werden, weder im Zusammenhang mit Schnelltests noch um Rückschlüsse auf das Konsummuster zu ziehen. Das betrifft auch die Urinschnelltests am Straßenrand, da die erzwungene Urinabgabe unter Beobachtung menschenunwürdig ist und die Tests ohnehin nicht aussagekräftig sind.

Auch hier gilt das Prinzip der Amnestie: Wer vor Inkrafttreten der neuen Regelungen seinen Führerschein wegen einer Fahrt mit unter 5 ng verloren hat, erhält die Fahrerlaubnis zurück.

Evaluierung

Für die Evaluierung der Legalisierung von Cannabis nach einigen Jahren sollten schon Daten erhoben werden, bevor die Fachgeschäfte eröffnen. Nur so ist der Einfluss der Legalisierung messbar. Dabei dürfen nicht nur gesundheitsbezogene Themen und Konsumprävalenzen berücksichtigt werden.

Die Evaluierung sollte von mehreren unabhängigen wissenschaftlichen Instituten durchgeführt werden.

Als zu evaluierende Themenbereiche schlagen wir vor:  traumatische Erfahrungen durch Hausdurchsuchungen/sozialen Rückzug/Jobprobleme, Verdrängungseffekte (z.B. Konsumzahlen Alkohol, andere Drogen), allgemeine Zufriedenheit/psychisches Wohlbefinden der Konsumenten, erlebte Stigmatisierung als Cannabiskonsument, Art der Beschaffung (Wechsel vom Schwarzmarkt), Reaktionen des Schwarzmarktes (Preis, Qualität, Sortiment), Grad der Aufklärung/Zugang zu verlässlichem Infomaterial/ Wissen über Safer Use und Harm Reduction bei Konsumenten und Nichtkonsumenten, Konsummotivation, Nutzung von Hilfsangeboten, Verkehrsunfälle mit Todesfolge, Gewalttaten, die Sicht der Konsumenten auf Staat/Politik/Parteien/Polizei, wirtschaftliche Faktoren wie neue Jobs/Steuereinnahmen/eingesparte Repressionskosten, Tourismus (Anteil am Umsatz in Cannabisgeschäften, Wirtschaftsfaktor), Auswirkung auf medizinischen Cannabismarkt, Zufriedenheit mit Angebot und Zugang zu legalem Cannabis.

Auch die Auswirkungen des Konsums von Cannabis mit Streckmitteln oder synthetischen Cannabinoiden müssen untersucht werden. Eine genauere Analyse gefährlicher Zusatzstoffe auf dem Schwarzmarkt und eine Betrachtung der Fälle von Lungenkrankheiten bei jungen Menschen sowie der Einweisungen von Cannabiskonsumenten in psychiatrische Einrichtungen im Zeitraum von 2000 bis vier Jahre nach Einführung der Shops wären zum Beispiel hilfreich.

Die aktuelle Version des DHV-Eckpunktepapiers vom 25.07.2022

Die ursprüngliche erste Version der DHV-Eckpunkte vom 07.04.2022

  1. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/008/1900819.pdf ↩︎
  2. https://cannabisnormal.de ↩︎
  3. Bei einer überschaubaren Zahl von lizenzierten Fachgeschäften wäre die Einhaltung dieser Regel kontrollierbar – im Gegensatz zu den aktuell extrem vielen Alkohol-Verkaufsstellen. ↩︎
  4. Die Rechtsauffassung der Bundesländer für die Ausführung der Alterslegitimation laut Jugendschutzgesetz ähnelt sich, hier das Beispiel Niedersachsen: Obersten Landesjugendbehörde Niedersachsen: Rechtsauffassung und Praxishinweise der Obersten Landesjugendbehörden zum (Online-)Versandhandel gemäß dem Jugendschutzgesetz (JuSchG) https://www.ms.niedersachsen.de/download/62657 ↩︎
  5. Ausführungsbeispiel für Online-Händler zum Handel mit Tabakwaren und anderen nikotinhaltigen Erzeugnissen gemäß §10 JuSchG und Tabakerzeugnisgesetz: https://www.haendlerbund.de/de/ratgeber/branchen/3754-tabakverordnung-tpd2 ↩︎
  6. Es existieren bereits zahlreiche Growshops, die Zubehör für den privaten Pflanzenanbau vertreiben. Eine Lizenz für den Verkauf von Samen und Jungpflanzen in diesen Geschäfte wäre sinnvoll, wenn gleichzeitig eine Zugangsbeschränkung von Personen unter 18 Jahren gewährleistet wird. ↩︎
  7. Für die Zulassung von Mischprodukten mit anderen psychoaktiven Substanzen (bspw. Coffein, Nikotin, Alkohol) spricht, dass es seitens der Verbraucher eine Nachfrage gibt. In der Realität ist solcher Mischkonsum allgegenwärtig und er lässt sich nicht verhindern, wie die hohe Verbreitung von Tabakjoints zeigt. Die Konsumenten können Mischungen selbst herstellen und dabei evtl. unnötige Risiken im Vergleich zu Produkten aus dem Fachgeschäft produzieren, z.B. indem sie einen alkoholischen Cannabisauszug zu hoch dosieren.
    Andererseits würde ein Fachgeschäft ohne Mischprodukte mit mehreren Substanzen nicht zu sehr bevormunden, gerade weil die Konsumenten selbst mischen bzw. gleichzeitig konsumieren können. Es wäre dann aber ihre Entscheidung, die nicht zusätzlich durch solche Angebote im Geschäft erst getriggert werden. Immerhin gehört die Warnung vor Mischkonsum in sämtliche Safer-Use-Regeln, weil die Wirkung bei Mischkonsum vor allem für unerfahrene Konsumenten wesentlich unberechenbarer wird. Befürchtet wird auch ein unnötiges Heranführen an andere Substanzen, die wie Nikotin häufig abhängig machen. ↩︎
  8. Übersichtliches Beispiel mit Berücksichtigung der Toleranzbildung und ungefähren Angaben zur Spanne der Wirkstärke und Dauer bei Edibles: https://dutch-passion.com/img/cms/Blogs/dosierungstabelle-fur-lebensmittel.png ↩︎
  9. DHV: Safer Use https://hanfverband.de/cannabis-safer-use ↩︎
  10. Informationsbroschüre des Bundesministeriums für Familie und Jugend, Jugendschutz verständlich erklärt, S.31 ff.:
    https://www.bmfsfj.de/resource/blob/94070/ac4c6f22016c4ddc51b468cd2cb767bc/jugendschutz-verstaendlich-erklaert-broschuere-data.pdf                    
    § 1626 BGB – Elterliche Sorge, Grundsätze https://dejure.org/gesetze/BGB/1626.html
    § 10 JuSchG https://www.gesetze-im-internet.de/juschg/__10.html ↩︎
  11. THC, der psychoaktive Hauptwirkstoff von Cannabis, liegt in der Pflanze als inaktive Säure vor. Von einem Kind verschluckte Hanfblüten etwa werden kaum Wirkung entfalten. Die THC-Säure wird erst nach Erhitzung oder sonstiger Weiterverarbeitung in aktives THC umgewandelt. ↩︎
  12. Hier beispielhaft eine kindersichere Verpackung eines kanadischen Herstellers: https://rootree.ca/products/flexible-packaging/child-guard-stand-up-pouch-certified/
    ↩︎
  13. DICE-Instititut/Justus Haucap, Studie: Fiskalische Auswirkungen einer Cannabislegalisierung in Deutschland: Ein Update, 16.11.2021: https://hanfverband.de/sites/default/files/cannabis-final-2021.pdf ↩︎
  14. An dieser Stelle entscheiden wir uns nicht für eine der genannten Varianten. Weder die Diskussionen mit der Community, noch der Blick nach Nordamerika ergeben hier ein klares Bild. Es gibt diverse Modelle in der Praxis. Allerdings war die Tendenz klar, dass das Modell einfach gehalten werden soll, so dass wir unsere ursprünglichen Vorschläge für Steuerboni auf CBD-Gehalt und Outdooranbau gestrichen haben.
    ↩︎
  15. https://www.zoll.de/DE/Privatpersonen/Verbrauchsteuern-im-Haushalt/Brauen-Brennen-Roesten/Bier/bier_node.html ↩︎
  16. In den kanadischen Provinzen Alberta, Manitoba, New Brunswick, Newfoundland und Labrador, den Northwest Territories, Nova Scotia, Ontario und Prince Edward Island existieren ebenfalls keine Besitzobergrenzen zuhause. Eine Einschränkung hinsichtlich der Herkunft aus Eigenanbau besteht nicht, zumal Manitoba sogar den Eigenanbau verbietet.
    https://www.legalline.ca/legal-answers/how-much-cannabis-can-you-legally-possess/
    https://www.gov.mb.ca/cannabis/faq.html
    Viele US-Staaten haben keine Obergrenze für den Besitz in den eigenen vier Wänden. In Alaska, Arizona, Kalifornien, Colorado, Connecticut, Washington DC, Maine, New Mexiko und Vermont gilt dies allerdings nur, wenn das Cannabis aus Eigenanbau stammt. In Maine wird übrigens bei der Obergrenze für den Besitz in der Öffentlichkeit nur gebrauchsfertiges, getrocknetes Marijuana einbezogen, so dass Grower ihre noch nicht getrocknete Ernte legal im öffentlichen Raum transportieren können.
    https://norml.org/wp-content/uploads/pdf_files/NORML-Marijuana-Policies-in-Legal-States.pdf ↩︎
  17. https://www.vereinsrecht.de/ ↩︎
  18. Erläuterungen und Beispiele für die derzeitige Ungleichbehandlung und Diskriminierung von Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr: DHV, 24.02.2022: Cannabis & Führerschein: DHV-Stellungnahme zu Anhörung im Bundestag https://hanfverband.de/nachrichten/news/cannabis-fuehrerschein-dhv-stellungnahme-zu-anhoerung-im-bundestag, DHV Führerscheinkampagne “Klarer Kopf. Klare Regeln!”: https://fuehrerscheinkampagne.de/ ↩︎
  19. THC-Werte werden womöglich auch langfristig relevant bleiben, da insbesondere mit Unfallbeteiligten Testverfahren wie Koordinationstests etc. nicht durchgeführt werden können. ↩︎