“Cannabispflanzen, die von Schwerkranken zur Selbsttherapie in den eigenen vier Wänden angebaut werden, dürfen unter bestimmten Voraussetzungen nicht von der Polizei beschlagnahmt werden. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss über die Verfassungsmäßigkeit der Hausdurchsuchung bei einem Schmerzpatienten aus Hessen. Frank-Josef Ackerman hatte aufgrund seines schweren Leidens im Juni 2013 von der Bundesopiumstelle eine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabisblüten in der Apotheke erhalten, kann sich den Cannabis jedoch finanziell nicht leisten.
“Dieser Beschluss ist eine gute Nachricht für alle Patienten, die eine Therapie mit Cannabisprodukten nicht bezahlen können und daher gezwungen sind, sich ihr Medikament illegal zu beschaffen”, erklärte sein behandelnder Arzt, Franjo Grotenhermen.
Zur Sicherstellung einer ausreichenden Medikation begann Herr Ackerman, Cannabis selbst anzubauen. Dies teilte er der Staatsanwaltschaft durch ein Schreiben seines Arztes mit. Er bat darin um eine Prüfung, ob von Strafverfolgungsmaßnahmen abgesehen werden könne und ob eine Notstandssituation vorliege. Eine Beschlagnahme der Cannabisblüten würde einen schweren Eingriff in seine gesundheitliche Situation bedeuten.
Das Amtsgericht Darmstadt ordnete dennoch im Januar 2014 die Durchsuchung seiner Wohnung sowie die Beschlagnahme eventueller Beweismittel an. In einer verschlossenen Abstellkammer wurden 21 Cannabispflanzen aufgefunden und sichergestellt. Das Landgericht Darmstadt wies die Beschwerde von Herrn Ackerman gegen die Beschlagnahme zurück, wogegen der Patient Beschwerde vor dem höchsten deutschen Gericht einlegte.
Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschied nun einstimmig, dass die Beschlüsse der Darmstädter Gerichte den Beschwerdeführer in seinem Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 des Grundgesetzes verletzt haben. Sie hob den Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom Juni 2014 auf (Aktenzeichen: 2 BvR 1694/14). Jetzt muss das Landgericht Darmstadt neu über den Sachverhalt befinden und dabei die schwierige gesundheitliche Situation des Betroffenen angemessen berücksichtigen.
In seinem Beschluss stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass eine Durchsuchung in die im Grundgesetz garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung “schwerwiegend” eingreift. Im konkreten Fall kritisiert der Zweite Senat, dass die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme unverhältnismäßig gewesen seien: “Das Amtsgericht verzichtet in der Durchsuchungsanordnung auf jede einzelfallbezogene Begründung seiner Entscheidung, obwohl die besondere gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers, seine Mittellosigkeit, die einer angemessenen und ärztlich indizierten Therapie entgegensteht, und seine Selbstanzeige hierzu Anlass gegeben hätten. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung fehlt vollständig. (…) Die Beschlagnahmeanordnung des Amtsgerichts sowie der diese bestätigende Beschluss des Landgerichts sind danach ebenfalls verfassungswidrig.”
“Diese Entscheidung erhöht den Druck auf die Politik, eine ausreichende medizinische Versorgung der Bevölkerung mit Cannabisprodukten sicherzustellen“, stellte Grotenhermen, der Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. ist, fest.”
Quelle: Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) vom 03.03.2015
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 2015 (AZ: 2 BvR 1694/14):
Hintergründe zur Selbstanzeige von Herrn Frank-Josef Ackerman.
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