Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Grundsatzurteil die Genehmigungsfiktion bei gesetzlich Versicherten geschwächt. Laut des Urteils vom 26.05.2020 (Az.: B 1 KR 9/18 R) hat das Gericht entgegen seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass die Genehmigungsfiktion in § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V keinen eigenständigen Anspruch auf die beantragte Sachleistung begründet. Der Versicherte bekommt nur eine vorläufige Rechtsposition vermittelt, denn nach Auffassung des BSG “ergibt sich allein aus der Genehmigungsfiktion kein Sachleistungsanspruch. Es bleibt nur ein möglicher Anspruch nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen zum Off-Label-Use”, so die Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 28.05.2020.
Nach bisheriger Rechtsprechung hatten die Krankenkassen in der Regel drei, bei Hinzuziehung des medizinischen Dienstes bis zu fünf Wochen Zeit, Leistungsanträge zu bearbeiten und zu entscheiden. Hielten die Kassen die Fristen nicht ein, galt die Leistung laut Sozialgesetzbuch nach Ablauf der Fristen als genehmigt. Erst im August 2019 hatte das Bundessozialgericht diese Regel (Az.: B 1 KR 36/18 R) bestätigt. Nun können die Krankenkassen künftig mit Rückendeckung des Bundessozialgerichts Anträge liegen lassen und Fristen versäumen, da das Versäumen von Entscheidungsfristen nicht mehr per Genehmigungsfiktion automatisch zu einem Sachleistungsanspruch der gesetzlich Versicherten führt.
Beim vorliegenden Fall ging es laut Sozialverband VdK um den Fall eines Patienten, der unter anderem an Gehstörungen leidet und von seinem Arzt mit einem Medikament behandelt wurde, welches nur bei Multipler Sklerose zugelassen ist. Der Patient trug zunächst die Kosten der Behandlung, ehe er gemeinsam mit seinem Arzt die Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragte. Diese lehnte den Antrag erst nach drei Monaten ab, was den Patienten dazu brachte, vor das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz zu ziehen. Diese Vorinstanz ging davon aus, dass aufgrund der nicht eingehaltenen Frist die beantragte Behandlung nun als fiktiv genehmigt gilt. Diese Entscheidung wurde nun gekippt vom Bundessozialgericht und betrifft auch viele Patienten, die mit ihren Krankenkassen wegen der Behandlung mit Cannabis als Medizin vor Sozialgerichten streiten.
Schon jetzt zeichnet sich Protest ab:
„Wir bedauern es, dass der Erste Kasseler Senat den Krankenkassen einen Blankoscheck für langsames Arbeiten ausstellt. Das Urteil benachteiligt einseitig die gesetzlich Versicherten. Für uns ist das Gleichheitsgebot verletzt. Wir werden Verfassungsbeschwerde erheben“
,so der Sozialverband VdK.
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