Der Baden-Württembergische Justizminister Guido Wolf hat in einem Gespräch mit der “Heilbronner Stimme” eine bundesweite Vereinheitlichung der Geringen Menge Cannabis zum Eigenbedarf gefordert. Derzeit reicht die Spannweite dessen, was von den Staatsanwaltschaften als Geringe Menge betrachtet wird, von drei Konsumeinheiten (Bayern, circa 4 Gramm) bis 15 Gramm (Berlin).
” […]. Das ist für viele Bürger nicht nachvollziehbar. Ich werde mich bei der Justizministerkonferenz im Juni daher für eine bundesweite Vereinheitlichung dieser Obergrenze einsetzen. Eine konkrete Zahl für eine einheitliche Obergrenze kann ich heute noch nicht nennen. […]”
Was Wolf vergessen hat: Auch bei der Umsetzung durch die so genannten Verwaltungsvorschriften gibt es eklatante Unterschiede. So gilt in der Mehrheit aller Bundesländern eine so genannte “Kann-Verordnung”, die besagt, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen kann. Nur in fünf von sechzehn Bundesländern heißt es in der entsprechenden Verordnung, das Verfahren soll eingestellt werden. Diese unscheinbare Formulierung hat eine nicht zu vernachlässigende Mitschuld an der von Wolf zurecht beklagten Rechtsungleichheit bei den Verordnungen zur Geringen Menge.
Das ist übrigens nicht das erste Mal, dass ein CDU-Justizminister versucht, kurz vor einer Landesjustizministerkonferenz mit dem Thema Cannabis zu punkten. 2012 war es Bernd Busemann, der ehemalige Justizminister Niedersachens, der wenige Wochen vor dem Treffen eine Angleichung auf Bundesebene forderte. Doch auch Busemann war, genau wie Wolf diese Woche, mit dem Vorschlag an die Öffentlichkeit gegangen, bevor er sich mit den Justizministern der anderen Länder abgestimmt hatte. Busemann schloss damals eine Anhebung auf zehn Gramm oder mehr vor vorneherein aus und scheitere daraufhin am Widerstand aus den Justizministerien der sozialdemokratisch, links und grün regierten Bundesländer.
Immerhin hat Wolf, anders als sein bayrischer Amtskollege Bausback (CSU), keine konkrete Zahl genannt. Bausback forderte heute eine Vereinheitlichung auf sechs Gramm, womit das Projekt wohl kaum noch durchsetzbar ist. Doch den CDU/CSU-Ministern sollte bewusst sein, dass die Vereinheitlichung funktioniert, wenn sich die CDU-Innenminister kompromissbereiter zeigen als 2012. Zudem muss vorher feststehen, dass die Verwaltungsverordnung bundesweit als “Soll-Verordnung” formuliert wird. Ansonsten wäre das nicht nur für Berliner und Bremer Cannabis-Freunde ein falsches Signal sowie ein Rückschritt zur Unzeit.
Mortlers Vorstoß zur Geringen Menge unklar formuliert
Wolfs Idee kommt fast zeitgleich mit dem Vorschlag der Drogenbeauftragen, einen Konsumenten, bei dem Cannabis zum Eigenbedarf gefunden wurde, zukünftig wählen zu lassen, “ob er Bußgeld bezahlt, oder sich freiwillig gezielt vom Experten helfen lässt.“
In Deutschland steht das Wort “Bußgeld” umgangssprachlich für “Geldbuße”, die über das Verwaltungsrecht (Ordnungswidrigkeiten) geregelt wird. Im Strafrecht werden dagegen “Geldstrafen” verhängt, bei sehr geringer Schuld ist auch eine Einstellung des Verfahrens gegen “Geldauflage” möglich. Mit einem “Bußgeld” belegt wäre der Besitz von Cannabis zum Eigenbedarf demnach keine Straftat mehr, sondern eine Ordnungswidrigkeit wie Falschparken.
Sollte ein zukünfiges Modell zur Konsumenten-Entkriminalsierung vorsehen, Geringe Mengen weiterhin zur Anzeige zu bringen und nur die Strafverfahren regelmäßig mit oder ohne Geldauflage einzustellen, bestünde die Kriminalisierung von Cannabis-Konsumenten allerdings fort.
Obwohl Mortler in dem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung von Frühintervention, Beratung und “Geldbußen” spricht, weiß ihre Pressestelle nicht, ob die Drogenbeauftragte den Besitz Geringer Mengen Cannabis zukünftig lieber als Ordnungswidrigkeit verfolgt sehen oder den Besitz weiterhin dem Strafrecht unterstellt sehen möchte.
Die Drogenbeauftragte hat sich verschiedentlich für eine Stärkung der sogenannten Frühintervention (Bsp. FreD) ausgesprochen und signalisiert, dass sie sich perspektivisch eine konsequentere Verschränkung zwischen dem Sanktionenrecht und Frühinterventionsangeboten vorstellen könne. Zur Frage, ob dieses idealerweise im Rahmen des Strafrechts oder des Ordnungswidrigkeitsrechts geschehen könne, hat sie sich nicht geäußert”,
antwortete Mortlers Büro vergangenen Donnerstag auf eine entsprechende Anfrage.
Wenn die Justizministerkonferenz echte Fortschritte erzielen möchte, gehört neben der Vereinheitlichung auch der jüngste Vorschlag der Drogenbeauftragten zweifelsfrei mit auf die Tagesordnung. Und sei es nur, weil die 16 Justizminister den Unterschied zwischen Geldbuße und Geldauflage bestens kennen und dem Hause Mortler bei der Entkriminalisierung so ein wenig auf die Sprünge helfen könnten.
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