Am Wochenende machte, auch über unsere Social Media Kanäle, ein ungenauer Artikel vom Business Insider die Runde, in dem es um eine Änderung des Postgesetzes ging. Der Artikel wurde mittlerweile inhaltlich korrigiert, Anlass zur Aufregung und reichlich Verwirrung war aber trotzdem gegeben. Grund dafür war unter anderem diese Aussage von Daniela Ludwig, welche die Debatte anheizte:
“Wenn wir es mit diesem Gesetz schaffen, auch nur ein Paket abzufangen, bevor es beim Empfänger ankommt, dann hat sich der Aufwand schon gelohnt!“, so die Drogenbeauftragte.
Was war passiert?
Im nun vom Bundestag verabschiedeten, durch den Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf „zur Verbesserung der Strafverfolgung hinsichtlich des Handels mit inkriminierten Gütern unter Nutzung von Postdienstleistern“ geht es
“um Sendungen, bei denen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass mit ihnen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz, dem Arzneimittelgesetz, dem Antidoping-Gesetz, dem Waffengesetz oder dem Sprengstoffgesetz begangen werden.”
Mitarbeiter von Postdienstleistern werden nun gesetzlich verpflichtet, verdächtige Postsendungen bei den Strafverfolgungsbehörden vorzulegen, heißt es auf der Seite des Bundestages. Allerdings kooperierten schon vor dieser Gesetzeserweiterung des Postgesetzes Post- und Paketdienste bei beschädigten oder unzustellbaren Sendungen. Sie übergaben solche Postsendungen, sofern in diesen gefährliche bzw. strafbare Inhalte gefunden wurden, an die Polizei und Staatsanwaltschaft, so das Fachportal Paketda.de mit Verweis auf Stellungnahmen der Deutschen Post AG sowie des Paketdienst-Branchenverbands BIEK. Die Meldung von Drogen- oder Waffenfunden in Briefen und Paketen erhalte durch die Änderung des Postgesetzes nun eine rechtliche Grundlage. Aus der bisher freiwilligen Meldung wird durch den zusätzlichen Absatz 4a Postgesetz eine rechtlich verbindliche.
An den Kriterien des § 39 Absatz 4 Postgesetz, wann die Öffnung von Post oder Paketen durch Mitarbeiter erlaubt ist, hat sich nichts geändert. Briefe und Pakete dürfen weiterhin nur geöffnet werden, wenn Sendungen mit vergünstigtem Porto verschickt werden, wenn sie beschädigt oder nicht zustellbar sind oder wenn von den Sendungen Gefahren ausgehen. Ohne diese Voraussetzungen sind verdächtige Verpackungen wie CD-Hüllen oder Cannabisgeruch laut Einschätzung der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. auf Twitter nach wie vor kein Grund, Pakete zu öffnen und das Postgeheimnis zu verletzen:
1. Das Öffnen der Sendungen ist längst erlaubt. 2. Post darf nicht bei Drogenverdacht nachschauen, sondern nur bei unzustellbaren Sendungen. Neu ist nur, dass zufällig gefundene Drogen etc. bei der Polizei abzugeben sind.
Eine ähnliche Einordnung bietet auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Prof. Ulrich Kelber.
Was bedeutet das?
Mit dieser Gesetzestexterweiterung entsteht ein konkretes Meldungssystem, jedoch keine lückenlose Generalüberwachung und Überprüfung für beispielsweise verdächtige Verpackungen. Bei beschädigter Verpackung oder Unzustellbarkeit werden die Post- und Paketdienstleister Sendungen weiterhin öffnen und, sofern “zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen”, die Strafverfolgungsbehörden informieren. Gerade in Pandemiezeiten mit den hohen Sendungszahlen führt die Änderung möglicherweise zu etwas mehr Meldungen an die Behörden, da Brief- und Paketzusteller nun dazu verpflichtet sind und seltener “ein Auge zudrücken” werden, auch wenn das ursprünglich geplante Bußgeld aus dem Gesetzesentwurf gestrichen wurde. Wie die Dienstleister das in der Praxis handhaben werden, könne aktuell nicht eingeschätzt werden, so die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. auf unsere Anfrage.
Jegliche Verschärfung des Postgesetzes ist prinzipiell kritisch zu betrachten, auch diese Meldepflicht gehört dazu. Allerdings dürfte diese in der vorliegenden Form nicht zu einer massiven Steigerung der Strafverfolgung im Bereich der inländisch verschickten Post- und Paketsendungen führen. Ob die Einschränkung des Postgeheimnisses angesichts von Waffenbestellungen im Darknet gerechtfertigt ist, darüber kann man sicher streiten. Dass ein einziges abgefangenes Drogenpäckchen für Daniela Ludwig schon ausreicht, um Grundrechte einzuschränken, ist das wirklich Skandalöse, was bei der aktuellen Debatte um die Gesetzesänderung übrig bleibt.
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