Seit der Einführung des Gesetzes “Cannabis als Medizin” ist ein drastischer Preisverfall für medizinische Cannabisblüten zu beobachten. Lagen die Preise 2017 noch bei mindestens 20 € pro Gramm, so fielen sie seitdem auf ein Niveau unterhalb des Schwarzmarktes. Die Gründe hierfür sind vielfältig.
Die Pharmazeutische Zeitung berichtete Anfang August über den erfolgten Schiedsspruch im Streit zwischen dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und dem Deutschen Apothekerverband (DAV). Gegenstand des Streits waren die Preise für Cannabisblüten aus deutscher Produktion, die von der Cannabisagentur vertrieben werden.
Der Schiedsspruch legte fest, dass für Blüten aus deutscher Produktion ein Preis von 4,30 € pro Gramm abrechnungsfähig gegenüber den Krankenkassen ist. Hinzu kommt ein Aufschlag von 100% für Blüten in unveränderter Form. Dieser Aufschlag fällt an, da seit der Gesetzesänderung 2017 Cannabis als Rezepturarzneimittel gilt. Dies verpflichtet die Apotheken dazu, das orginale Verpackungsgebinde zu öffnen und die Qualität des Cannabis zu prüfen. Anschließend wird das Cannabis neu verpackt und gelabelt. Für diesen Arbeitsaufwand wird ein Aufschlag erhoben. Verarbeitet die Apotheke die Blüten weiterhin, werden z.B. die Blüten zerkleinert und portioniert, so fällt ein weiterer Zuschlag von 90% für “Zubereitungen” an.
Damit liegt der abrechnungsfähige Preis für Gras made in Germany deutlich unter dem von Cannabisblüten, die importiert werden. Für diese sind einheitlich 9,52 € pro Gramm festgelegt, basierend auf den durchschnittlichen Großhandelspreisen. Hinzu kommen auch hier die jeweiligen Aufschläge für Rezepturarzneien und Zubereitungen. Diese sind im Fall von Importblüten jedoch seit 2020 gestaffelt. Bis 15 Gramm gilt ein Aufschlag von 100% für Rezepturarzneien und zusätzlich 90% bei Zubereitungen, ab 15 bis 30 Gramm verringert sich der Aufschlag auf jeweils 39% und über 30 Gramm fällt er auf jeweils 27%. Mit der Größe der abgegebenen Menge an Cannabisblüten sinkt somit die Gewinnmarge der Apotheke.
Durch die verschiedenen Abrechnungspreise gegenüber den Krankenkassen ergeben sich für die ausgebenden Apotheken zumindest bei Kunden mit einer Kostenübernahme unterschiedliche Gewinnmargen. Bei Cannabis aus deutscher Produktion liegt diese fest bei 4,30 € pro Gramm (also dem 100%igen Aufschlag). Bei Blüten aus dem Import bestimmen der Einkaufspreis und die verkaufte Menge maßgeblich die Gewinnmarge. Denn liegt der Einkaufspreis für die entsprechende Sorte deutlich über den abrechnungsfähigen 9,52 € und wird zugleich eine größere Menge verschrieben, so dass der Rezepturzuschlag aufgrund der Staffelung niedriger ausfällt, kann die Abgabe im Extremfall zum Minusgeschäft für die Apotheke werden.
Gesteigerte Preissensibilität der Apotheken
Dieser Umstand schafft für die Apotheken den Anreiz, möglichst günstig am Markt einzukaufen. Und der Markt für Medizinalcannabis hat sich in den letzten Jahren merklich erweitert. Die weltweite Wahrnehmung von Cannabis als Medizin hat sich auch aufgrund der Empfehlung der WHO 2018 und der Neubewertung durch die Vereinten Nation 2020 enorm geändert. Immer mehr Länder haben den Anbau für medizinische Zwecke legalisiert oder sind dabei, dies zu tun. So sind viele neue Anbieter weltweit hinzugekommen und haben die Konkurrenz am Medizinalmarkt erhöht, wodurch letztendlich auch die Preise gefallen sind. Stand 2021 importierte Deutschland laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aus 17 verschiedenen Ländern Cannabisprodukte für medizinische Zwecke und diese Zahl wird in Zukunft noch steigen.
Die Kosten für Selbstzahler
Das gesteigerte Preisbewusstsein der Apotheken beim Wareneinkauf kommt auch den Selbstzahlern unter den Cannabispatienten zugute. Die Selbstzahler machen im Marktsegment der Cannabisblüten zwei Drittel der Patienten aus. Da sie für die Kosten ihrer Therapie selbst aufkommen müssen, achten viele der Patienten naturgemäß auf den Preis. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass einige Produzenten aus dem Ausland zuletzt angekündigt hatten, ihre Preise deutlich zu senken, um die Abwanderung der Selbstzahler auf den Schwarzmarkt zu verhindern.
Selbstzahler zahlen grundsätzlich den Einkaufspreis der Apotheke zusätzlich der Aufschläge für Rezepturarzneien (100%) und Zubereitungen (90%). Eine Mengenstaffelung der Zuschläge, wie es bei der Abrechnung von Importware gegenüber den Krankenkassen der Fall ist, entfällt grundsätzlich.
Für Cannabisblüten aus deutscher Produktion ergibt sich so ein Abgabepreis von 10,23 € pro Gramm, sofern sie nicht weiterverarbeitet wurden. Dieser setzt sich wie folgt zusammen:
4,30€ Einkaufspreis (Einheitspreis der Cannabisagentur) + 4,30 € (100% Rezepturzuschlag) + 19% Mehrwertsteuer.
Für importierte Blüten findet sich online auf den entsprechenden Seiten der Cannabis-Apotheken ein breites Spektrum an Endpreisen. Auffällig ist jedoch, dass viele Anbieter aus dem Ausland den Abgabepreis der Cannabisagentur von 4,30 € anscheinend noch deutlich unterbieten.
Das günstigste Angebot lag bei 4,99 € pro Gramm für die Sorte Glueberry OG von Cantourage (inklusive Mehrwertsteuer zuzüglich Versand). Rechnet man diesen zurück, so kommt man auf einen Nettopreis von 4,19 € pro Gramm und folglich einen Einkaufspreis von ca. 2,10 €. Bei den meisten dieser sehr günstigen Sorten scheint es sich aber um begrenzte Angebote zu handeln – das Angebot für 4,99 € z.B. war kurze Zeit später nicht mehr verfügbar. Auch zwischen 8 und 10 € pro Gramm und somit unterhalb des Abgabepreises für Blüten aus deutscher Produktion finden sich viele Angebote. Damit liegen diese Produkte preislich etwas unterhalb des Schwarzmarktniveaus, das je nach Region in Deutschland zwischen 10 – 12 € pro Gramm angesiedelt ist.
Legalisierung als Genussmittel – Was bringt die Zukunft?
Die Befürchtung, dass die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel negative Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit auf dem Medizinalmarkt haben könnte, kursiert bereits seitdem die Ampel im November letzten Jahres ihren Koalitionsvertrag vorgestellt hatte. Doch diese Ängste scheinen unbegründet. Denn der robuste und stark diversifizierte Medizinalcannabismarkt wird weltweit weiter wachsen. Demnächst werden mit Marokko und Südafrika zwei wichtige afrikanische Produzenten auf den hiesigen Markt drängen und auch Kolumbien hat unter seinem neuen Präsidenten angekündigt, den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke massiv ausweiten zu wollen. Insofern sind Sorgen um die Versorgungssicherheit mit Medizinalcannabis fehl am Platz, da zukünftig die produzierte Menge steigen wird und somit die Preise weiter fallen dürften.
Diese Entwicklung am Medizinalmarkt sollten auch die Sorgen der Freizeitkonsumenten lindern, dass nach einer Legalisierung nur “teures Apothekengras” in den Fachgeschäften oder eventuell auch in Apotheken verkauft werden wird. Wie bereits verdeutlicht, liegt das Preisniveau in den Apotheken bereits jetzt unter dem Schwarzmarktniveau und das trotz teurer GMP-Standards und übertriebener Sicherungsmaßnahmen für Blüten aus deutschem Anbau. Daher sollte sich der Preis für Genusscannabis selbst bei Inlandsproduktion auf einem ähnlichen Niveau wie in den Apotheken bewegen, sofern der Gesetzgeber die Steuerschraube nicht zu arg anzieht.
Denn sonst wandern die Konsumenten dorthin ab, wo es günstiges Cannabis gibt – auf den Schwarzmarkt oder in die Apotheken, als Patienten.
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