Am 21.09. findet im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestag eine Anhörung zum geplanten Gesetz für Cannabis als Medizin statt. DHV-Geschäftsführer Georg Wurth ist als Sachverständiger für den DHV vor Ort, DHV-Mitarbeiter Maximilian Plenert ist zusätzlich als Einzelsachverständiger geladen. Die Debatte soll um 14:00 Uhr beginnen, ein Video-Livestream ist geplant.
Neben dem Gesetzentwurf der Regierung wird auch ein Antrag der Linken Teil der Diskussion sein.
Hier die Stellungnahme von Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands:
Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum BtMG am 21. September 2016 –
Gesetzentwurf Cannabis als Medizin und Antrag der Fraktion DIE LINKE
– BT-Drucksache 18/8965 bzw. 18/6361Vorbemerkung:
Der Deutsche Hanfverband beschäftigt sich mit Hanf als Genussmittel, Biorohstoff und Medizin. Cannabis-Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung des BfArM zählen ebenso zu den Unterstützern des DHV wie Angehörige von Erkrankten, die Cannabis als Medizin nutzen. Außerdem gehen zum Thema Cannabis-Medizin praktisch täglich Anfragen und Fallberichte beim DHV ein. Wir beschäftigen uns intensiv mit der Entwicklung in Politik und Forschung zu Cannabis als Medizin weltweit.
Sortenvielfalt
Ein Aspekt, der in der Debatte um Cannabis als Medizin zu wenig Beachtung findet, ist die Bedeutung der Sortenvielfalt. Nachdem THC und später CBD als medizinisch wirksame Cannabinoide mittlerweile anerkannt sind, zeigen Berichte von Patienten und Erfahrungen aus den USA, Kanada, Israel usw., dass die vielen verschiedenen Sorten und Züchtungen von Cannabis ganz unterschiedliche medizinische Wirkungen haben und unterschiedliche Nebenwirkungen mit sich bringen.
Patienten berichten sehr häufig, dass es ganz bestimmte Sorten sind, die ihnen besonders gut helfen, ohne zu große Nebenwirkungen mit sich zu bringen. Es geht nicht nur um THC und CBD, sondern um die ganze Vielfalt der Cannabinoide und Terpene der Pflanze und ihre jeweilige Kombination in den Sorten.Dies gilt es zum Wohle der Patienten zu beachten, sowohl was die zukünftig in Apotheken erhältlichen Sorten angeht als auch den Eigenanbau.
Eigenanbau
Es ist eines der erklärten Ziele des Gesetzentwurfes, den Eigenanbau durch Patienten zu verhindern. Hier liegt der wichtigste Kritikpunkt des DHV. Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, dass Patienten, die dies wollen und können, selbst Hanf anbauen, um sich mit Cannabis-
Medizin zu versorgen. Das ermöglicht nicht nur jedem Patienten, die für ihn individuell am besten geeignete Sorte herauszufinden und diese dann selbst zu produzieren, sondern es entlastet auch die Beitragszahler der Krankenkassen. Es ist mit erheblichen Kosten durch die Verschreibung von Cannabis zu rechnen, die mit jedem Patienten, der sich selbst versorgt, abgemildert werden können.
Erfahrungen aus dem Ausland (USA, Kanada..) zeigen, dass der Eigenanbau durch Patienten sehr wohl möglich ist, ohne dass die Befürchtungen wahr werden, die die Bedenkenträger in Deutschland vortragen. Uns sind keine Berichte bekannt, dass Selbstversorger signifikante Probleme mit Über- oder Unterdosierungen oder gefährlichen Qualitätsproblemen haben.
Auch das System der „Caregiver“, also Personen, die für einen oder mehrere Patienten kostengünstig anbauen, ist bedenkenswert – ebenso wie Anbaukooperativen von Patienten.Erstattung durch die Krankenkassen
In der jetzigen Form wird das Gesetz den Eigenanbau durch Patienten kaum verhindern können, denn es eröffnet nur einem Teil der Patienten die Möglichkeit einer Erstattung durch die Krankenkassen.
Ein Faktor dabei ist die Voraussetzung einer „schwerwiegenden“ Erkrankung. Cannabis ist bei einer Fülle von Krankheiten hilfreich, bei denen die Frage, ob diese schwerwiegend sind, in jedem Einzelfall zu Auseinandersetzungen bis hin zu Gerichtsverfahren führen wird – letztlich vermutlich auch zugunsten des Eigenanbaus, da Patienten erneut in eine Notlage gebracht werden.
Falls die Verschreibung von Cannabis nicht als Praxisbesonderheit gewertet wird, wird dazu führen, dass viele Ärzte Cannabis letztlich nicht auf Kassenrezept verschreiben werden, um ihr Praxisbudget zu schonen. Wenn Patienten dann im weiteren Umkreis nur Ärzte finden, die Cannabis auf Privatrezept verschreiben, entsteht erneut eine Notlage mit entsprechenden Gerichtsurteilen zugunsten des Eigenanbaus.
„Austherapiert“
Was sowohl Patienten immer wieder berichten als auch bei Studien immer wieder festgestellt wird: Cannabis ist ein vergleichsweise nebenwirkungsarmes Medikament. Es gibt zwar auch bei Cannabis Nebenwirkungen, über die die Patienten klagen bzw. wegen denen sie die Therapie abbrechen, aber die Mehrheit scheint Cannabis doch besser zu vertragen als andere Medikamente. Vor diesem Hintergrund erscheint es unsinnig und patientenfeindlich, dass für die Erstattung durch die Krankenkassen erst alle möglichen Standardmedikamente durchgetestet werden müssen. Ein Schmerzpatient muss Morphin/Opiate nehmen, bevor er Cannabis bekommt. Ein ADHS-Patient muss Amphetamine (Ritalin) nehmen, bevor er Cannabis bekommt. Das erscheint sinnlos und willkürlich. Es sollte Therapiefreiheit herrschen, Arzt und Patient sollten gemeinsam entscheiden, welches im vorliegenden Fall das beste Medikament ist.
Führerschein
Obwohl Cannabis heute schon eine legale Therapieoption ist und das BfArM sich eindeutig schriftlich dazu geäußert hat, dass Cannabis (auch Blüten) im Straßenverkehr als normales Medikament zu behandeln ist, gibt es noch keine bundesweit gültige und eindeutige Regelung. Wie mit Cannabis-Patienten umgegangen wird, die am Straßenverkehr teilnehmen, ist regional immer noch äußerst unterschiedlich und es herrscht viel Verunsicherung, auch bei Polizei und Behörden. Hier muss eine klare und patientenfreundliche Regelung her.
Forschung
Ein wenig Begleitforschung mit merkwürdigem Studiendesign wird nicht ausreichen, um in einigen Jahren das therapeutische Potenzial von Cannabis besser einschätzen zu können. Die übliche Pharmaforschung durch Pharmaunternehmen wird auch weiterhin nicht stattfinden, da diese die Kosten für die Studien wegen mangelnder Patentierbarkeit von Hanfpflanzen nicht werden einpreisen können. Öffentlich finanzierte Forschung zu Cannabis als Medizin sollte deshalb deutlich aufgewertet werden.
Wirtschaftsfaktor
Medizinisches Cannabis entwickelt sich in den USA gerade zu einem erheblichen Wirtschaftsfaktor. Deutschland hat diese Entwicklung bisher verschlafen. Es wird höchste Zeit, Unternehmen auch in Deutschland die Chance zu geben, diesen wachsenden Markt mit zu gestalten. Amerikanische und kanadische Unternehmen haben mittlerweile einen erheblichen Vorsprung in Sachen Know-How und Kapital. Diesen Vorsprung gilt es nun aufzuholen, um nicht in einem weiteren Zukunftsmarkt dauerhaft von Importen abhängig zu sein. Viele Unternehmen und Investoren stehen bereit, um in Deutschland Arbeitsplätze zu schaffen und Steuern zu zahlen.
Zusammenfassung und Fazit
Grundsätzlich begrüßt der Deutsche Hanfverband das Vorhaben, Cannabis zu einem einfacher zugänglichen Medikament zu machen und die Krankenkassen zur Übernahme der Kosten zu verpflichten. Im Detail sind allerdings wenig patientenfreundliche Regelungen vorgesehen.
Die Kostenerstattung durch die Krankenkassen sollten wesentlich niedrigschwelliger reguliert werden:
– nicht nur für schwerwiegende Erkrankungen
– nicht nur für „austherapierte“ Patienten
– nicht im Rahmen des Praxisbudgets der ÄrzteDer Eigenanbau durch Patienten sollte zugelassen werden, um die Kosten zu senken und die Sortenvielfalt zu gewährleisten.
Die führerscheinrechtlichen Fragen sollten im Sinne der Patienten und der Verkehrssicherheit eindeutig geregelt werden.
Staatlich finanzierte Forschung zu Cannabis als Medizin sollte ausgebaut werden.
Die Stellungnahme ist auch als PDF auf der Seite des Bundestags herunterzuladen.
DHV-Mitarbeiter Maximilian Plenert wurde als Einzelsachverständiger geladen, seine Stellungnahme ist ebenfalls auf der Seite des Deutschen Bundestags sowie in seinem Weblog zu finden.
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