Nachdem ein Arzt aus dem ländlichen Sachsen einem Patienten ein Privatrezept für Cannabisblüten ausstellen wollte, erlebten beide eine böse Überraschung. Der Arzt wollte bei seiner ersten Cannabis-Verordnung nichts falsch machen und schrieb vorab die Sächsische Landesärztekammer (SLÄK) an.
Diese leitete die Anfrage des Arztes an die Kommission Sucht und Drogen der SLÄK weiter. In der Antwort, die dem DHV anonymisiert vorliegt, wurde dem Arzt unter konkreter Androhung von berufs- und strafrechtlichen Konsequenzen von der Verordnung abgeraten. Der Leiter der Kommission, Dr. Frank Härtel, kritisiert eine in seinen Augen unzureichende Diagnose des behandelnden Arztes und stellt fest, dass Cannabis bei der vorliegenden ADHS-Diagnose die falsche Medikation sei und das Krankheitsbild eher verschlimmern könnte. Es handele sich nach Auffassung der SLÄK demnach um eine “Deckdiagnose” bei einer Cannabisabhängigkeit. Deshalb bittet die SLÄK den Arzt schriftlich
“”[…] , Ihr Verordnungsverhalten unter Berücksichtigung der o.g. Hinweise zu prüfen und zukünftig entsprechend auszurichten”,
um dann mit ernsthaften Konsequenzen zu drohen:
“Letztendlich könnte eine Beibehaltung Ihrer Verordnungsweise als Verstoß gegen berufsrechtliche Bestimmungen gewertet werden. Auch ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (§29 Abs.1 Nr.6 in Verbindung mit §13 Abs. 1 BtMG) kommt in Betracht.[…].”
Der behandelnde Arzt hat darauf hin seinen Patienten darüber unterrichtet, er dürfe ihm aufgrund der Antwort kein Cannabis verschreiben, worauf sich der Patient an den DHV wendete.
Die Pressestelle der SLÄK selbst betont auf Anfrage des DHV, es handele sich hier um einen Einzelfall und die Entscheidung liege weiterhin beim Arzt:
“Das Ihnen vorliegende Schreiben der Sächsischen Landesärztekammer bezieht sich auf eine konkrete Anfrage des Arztes an unseren Berufsrechtsausschuss. Unter Einbeziehung der Kommission Sucht und Drogen der Sächsischen Landesärztekammer wurde der geschilderte Sachverhalt bewertet. Im Ergebnis dessen hat die Sächsische Landesärztekammer dem Arzt die Ihnen vorlegende Empfehlung gegeben, seine Verordnung von Cannabis im Hinblick auf das Betäubungsmittelgesetz bzw. die Diagnosestellung zu überprüfen. Das weitere Vorgehen obliegt allein dem Arzt.”
Ob und wie eine solche Praxis auch bei anderen, verschreibungsfähigen BTM angewendet wird, blieb seitens der Pressestelle genauso unbeantwortet wie die Frage, ob die SLÄK im Rahmen des neuen Gesetzes Ärzten bei der Vermeidung von Deckdiagnosen im Vorfeld unterstützt oder bereits zum Thema publiziert habe. Bislang hat die SLÄK das neue Gesetz mehrmals im Kern kritisiert und lehnt dessen Inhalt eindeutig ab. Anregungen oder Unterstützung zur praktischen Umsetzung für ihre Ärzte hingegen sucht man bei der Ärztekammer Sachsens bislang vergebens. Im Gegenteil, die Angaben der SLÄK zu möglichen Applikationsformen sind unvollständig, teilweise fragwürdig oder einfach fehlerhaft.
Immerhin fordert die SLÄK im aktuellen Ärzteblatt Sachsen ihre Mitglieder dazu auf, der Redaktion ihre Erfahrungen mit dem neuen Gesetz und Cannabis-Verordnungen mitzuteilen. Bleibt zu hoffen, dass dies in der nächsten Zeit zu einer besseren Einschätzung des medizinischen Potentials von Cannabis seitens der SLÄK führen wird.
Betroffene Patienten sollten sich bewusst machen, dass unabhängig von derartigen Aussagen die Therapiehoheit in jedem Einzelfall beim behandelnden Arzt liegt. Auch unerfahrene Ärzte sollten sich daher nicht von solchen Schreiben einschüchtern lassen, sondern im Sinne der Patienten die jeweils optimale Behandlung wählen.
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