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ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sativex bei Multiple Sklerose in Deutschland wieder abgeschafft?

Internationale Arbeitsgemeinschaft für CannabinoidmedikamenteDie Internationale Arbeitsgemeinschaft für Cannabinoidmedikamente, Partner des DHV, veröffentlicht alle zwei Wochen die Newsletter IACM-Informationen und ACM-Mitteilungen mit nationalen und internationalen Informationen zum Thema Cannabis als Medizin als Schwerpunkt, aber auch wichtige Nachrichten zu Cannabis als Genussmittel und Drogenpolitik im Allgemeinen. Hier ein erschreckender Beitrag aus den ACM-Informationen vom 21. April 2012 zum möglichen Ende der Kostenerstattung durch die Krankenkassen für Sativex bei der Diagnose Multiple Sklerose.

Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sativex bei Multiple Sklerose in Deutschland wieder abgeschafft?

In den letzten ACM-Mitteilungen berichteten wir darüber, dass das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bei der Behandlung der Spastik von MS-Patienten keinen Zusatznutzen für den Cannabisextrakt Sativex festgestellt hat. Das Gutachten des IQWiG erfolgte im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), ein Gremium, das darüber entscheidet, ob die Kosten für bestimmte Medikamente und andere medizinische Behandlungen in Deutschland von den Krankenkassen erstattet werden müssen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss will bis Mitte Juni 2012 seinerseits eine Nutzenbewertung vornehmen. Sollte der G-BA der Bewertung des IQWiG folgen, so ist davon auszugehen, dass der Cannabisextrakt weiterhin zugelassen ist, aber die Krankenkassen die Kosten nicht mehr übernehmen beziehungsweise nur bis zu der Höhe der Kosten anderer Antispastika wie Baclofen und Tizanidin, die allerdings mit monatlichen Behandlungskosten von unter 25 EURo sehr preisgünstig sind. De facto käme dies der Situation vor der Zulassung gleich.
Das IQWiG argumentiert bei der Frage, ob ein Zusatznutzen nachgewiesen wurde, rein formal. Es liege kein Beleg für einen Zusatznutzen des Extrakts im Vergleich mit einer “optimierten Standardtherapie” bei Patienten mit Spastik bei Multiple Sklerose vor, weil Sativex in der Zulassungsstudie mit einer anderen Standardtherapie verglichen worden sei als die vom G-BA festgelegte “zweckmäßige Vergleichstherapie”. Da also Sativex nicht mit der optimierten Standardtherapie verglichen worden sei, sei auch ein Zusatznutzen gegen diese Standardtherapie bisher nicht nachgewiesen worden. Der G-BA habe als Vergleichstherapie die Behandlung mit den Muskelrelaxanzien Baclofen und Tizanidin festgelegt. Die Patienten mussten dabei nach mindestens zwei Therapieversuchen optimal eingestellt worden sein. Der Hersteller von Sativex begründete seine abweichende Haltung damit, dass nur Patienten in die Zulassungsstudie aufgenommen wurden, die seit langem mit antispastischen Medikamenten behandelt wurden und daher bereits optimal eingestellt waren. Diese Auffassung ist auch medizinisch sinnvoll, da angenommen werden darf, dass ein Patient, dessen Spastik lange behandelt wurde, die auf dem Markt verfügbaren antispastischen Medikamente ausprobiert und schließlich die optimale Therapie für sich gefunden hat. Das IQWiG folgte dieser Auffassung jedoch nicht.

Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) schreibt in einer Stellungnahme unter dem Titel “IQWiG ignoriert Versorgungsalltag von MS-Patienten”:
“Das verheerende Ergebnis des Bewertungsberichts des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) in der frühen Nutzenbewertung für das Cannabis-Präparat Sativex zur Behandlung der MS (Multiple Sklerose)-induzierten Spastik beruht offenbar auf einer Fehlinterpretation der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorgegebenen Vergleichstherapie seitens des IQWiG. Nur durch diese an den Beweggründen des G-BA vorbeigehende Interpretation konnte das Institut sämtliche vorgelegte Studien des Herstellers aus dem Bewertungsverfahren ausschließen und somit seine Einschätzung ‘kein Zusatznutzen belegt’ treffen. ‘Der G-BA ist gefordert klarzustellen, dass die vom Hersteller gewählte Vergleichstherapie den G-BA-Vorgaben im Grundsatz entspricht. Daher müssen die vorgelegten Zulassungsstudien als Grundlage der frühen Nutzenbewertung berücksichtigt werden. Bleiben sie weiterhin unberücksichtigt, wird die Evidenz über den Zusatznutzen von Sativex zum Schaden der betroffenen Patienten ignoriert.”

Die rechtliche Grundlage für das weitere Vorgehen des G-BA stellen die Paragraphen 35a (Nutzenbewertung) und 130b (Rabattvereinbarungen) des SGB V (fünftes Sozialgesetzbuch) dar. Sollte auch nach der Auffassung des G-BA kein Zusatznutzen für Sativex nachgewiesen worden sein, dann ist der Hersteller von Sativex gehalten, mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) in Rabattverhandlungen über den neuen Preis von Sativex einzutreten. Wenn sich beide Parteien innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens nicht einigen, dann wird ein Schiedsgericht entscheiden. Grundlage für die Entscheidung des Schiedsgerichts ist der Abs. 3 des § 130b SGB V, der wie folgt lautet:
“Für ein Arzneimittel, das nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 35a Absatz 3 keinen Zusatznutzen hat und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann, ist ein Erstattungsbetrag nach Absatz 1 zu vereinbaren, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Absatz 1 Satz 7 bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie. Absatz 2 findet keine Anwendung. Soweit nichts anderes vereinbart wird, kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen zur Festsetzung eines Festbetrags nach § 35 Absatz 3 die Vereinbarung abweichend von Absatz 7 außerordentlich kündigen.”
Anders ausgedrückt: Der Hersteller bekäme nicht mehr den von ihm bei der Markteinführung festgelegten Preis von etwa 300 bis 400 EURo monatlich, sondern einen Preis von maximal 25 EURo, die den monatlichen Behandlungskosten für Baclofen und Tizanidin entsprechen. Da es sich bei der Behandlung der Spastik bei MS mit Sativex um eine Add-on-Therapie, also eine Therapie zusätzlich zur bisherigen Therapie, handelt, so bedeutet dies sogar möglicherweise, dass für Sativex bei dieser Indikation nur 0 EURo übrig bleibt. Dies deutete ein Mitarbeiter des G-BA vor einigen Wochen bei einer Fortbildungsveranstaltung in Berlin an. Ein Add-on-Medikament werde schließlich zur Vergleichtherapie hinzugegeben, und die Behandlung dürfe bei keinem nachgewiesenen Zusatznutzen nicht teurer sein als die Vergleichstherapie.
Unabhängig davon, ob der Preis von Sativex nun auf weniger als ein Zehntel des Preises bei der Markteinführung oder auf 0 EURo fallen sollte, die Beurteilung durch den G-BA im Juni 2012 wird wahrscheinlich darüber entscheiden, ob Sativex auf dem deutschen Markt bestehen kann oder nicht. Man darf davon ausgehen, dass eine solche Entwicklung erhebliche negative Auswirkungen auf die zukünftige Zulassung weiterer Cannabinoid-Medikamente beziehungsweise für die Zulassung von Sativex für andere Indikationen in Deutschland haben wird.
Am 9. Mai 2012 findet im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung über einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel “Zugang zu medizinischem Cannabis für alle betroffenen Patientinnen und Patienten ermöglichen” statt. Im Antrag der Grünen wird gefordert, dass das BMG eine Expertengruppe einberufen soll mit dem Ziel, eine zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln auf Cannabisbasis mit einem Anspruch auf Kostenübernahme in bestimmten Fällen zu ermöglichen. Dazu soll der Gemeinsame Bundesausschuss eingeschaltet werden. Die aktuelle vom IQWiG initiierte Entwicklung zielt jedoch nicht auf eine Kostenübernahme für weitere Patienten, sondern im Gegenteil auf eine Rücknahme der Kostenübernahme für die bisher einzige Indikation mittelschwere bis schwere Spastik bei Erwachsenen mit Multiple Sklerose.
 


Kommentare

12 Antworten zu „ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sativex bei Multiple Sklerose in Deutschland wieder abgeschafft?“

  1. Anonymous

    RE: ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sati
    [quote name=”Bernd Dombrowski”]Ich habe seit 33 Jahren MS und mir fällt nichts mehr zu der Dummheit der deutschen Politiker ein.Ich könnte mich jetzt echauffieren,doch was bringt’s.
    Habe leider nicht genügend Einkommen um mir einen ständigen Rechtsanwalt leisten zu können, somit verwende ich Sativex um gut schlafen zu können(so lange ich es noch bekomme) und mein Dope für die nötige Entspannung. Der Mist in unserem Ländle bezieht sich ja nicht nur auf unsere gesundheitlichen Defizite sondern birgt noch viele weitere unzulänglichkeiten in der Vorgehensweise der Meisten Politker (70-90%).
    Fast niemand versucht sich von reaktionären Vorstellung aus vergangenenen Zeiten zu befreien und endlich den Menschen in die 1. Reihe zu platzieren!
    Genügend aufgeregt-vielleicht bis bald,
    Bernd[/quote]
    Es ist schon mehr als traurig Bernd, dass es so in unserem Lande zugeht. Die Pharmalobby sorgt auch weiterhin dafür dass Cannabis verteufelt oder nur in synthetisierter Form für MS Patienten zu bekommen ist. Auch wenn ich nicht erkrankt bin – für mich stünde auf jedenfall fest, dass ich niemals synthetische Cannabinoide nehmen würde. Denn nicht nur das THC ist für die lindernde Wirkung ausschlaggebend, sondern vorallem der CBD Gehalt. Dieser ist bei Sativa Sorten erfahrungsgemäß höher und daher sind diese gut für eine Schmerztherapie geeignet. Also bevor ich künstlichen Mist von der Pharmaindustrie nehme, würde ich lieber selbst meine Pflänzchen anbauen. Selbst wenn mich das unter Umständen eine Strafe kosten würde.

    Ich hoffe für alle Erkrankten dass Deutschland und Europa dem Beispiel Kaliforniens folgen.

  2. Anonymous

    Bernd Dombrowski
    Ich habe seit 33 Jahren MS und mir fällt nichts mehr zu der Dummheit der deutschen Politiker ein.Ich könnte mich jetzt echauffieren,doch was bringt’s.
    Habe leider nicht genügend Einkommen um mir einen ständigen Rechtsanwalt leisten zu können, somit verwende ich Sativex um gut schlafen zu können(so lange ich es noch bekomme) und mein Dope für die nötige Entspannung. Der Mist in unserem Ländle bezieht sich ja nicht nur auf unsere gesundheitlichen Defizite sondern birgt noch viele weitere unzulänglichkeiten in der Vorgehensweise der Meisten Politker (70-90%).
    Fast niemand versucht sich von reaktionären Vorstellung aus vergangenenen Zeiten zu befreien und endlich den Menschen in die 1. Reihe zu platzieren!
    Genügend aufgeregt-vielleicht bis bald,
    Bernd

  3. Anonymous

    RE: ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sati
    [quote name=”Georg Wurth”][quote name=”HansHanf”]http://www.youtube.com/watch?v=QIEVTEFL1p4&feature=relmfu[/quote]
    bitte werft nicht einfach irgendwelche links hier rein, sondern schreibt kurz dazu, worum es geht. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit enorm, dass es sich jemand anschaut…[/quote]
    Stimmt auf jeden Fall,sorry meinerseits.Könnte mich nun rechtfertigen,aber daß laß ich mal…hatte nen Grund(persönlichen).
    [b]
    Also nochmal das Video zeigt einen Bericht zu Cannabis als Medizin.[/b]

  4. Anonymous

    RE: ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sati
    [quote name=”Hans Hanf”]Sorry das ich hier der einzige bin der postet…
    ABER,ich finds schlichtweg ein wenig Kacke das auch der DHV nicht mehr wirbt für Steffens Aktion[/quote]

    Nach einigem Grübeln wo man den Cannabiskultour Button einbinden könnte haben wir ihm nun einfach eine der vier Boxen auf der Startseite gegeben.

  5. Anonymous

    RE: ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sati
    [quote name=”HansHanf”]http://www.youtube.com/watch?v=QIEVTEFL1p4&feature=relmfu[/quote]
    bitte werft nicht einfach irgendwelche links hier rein, sondern schreibt kurz dazu, worum es geht. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit enorm, dass es sich jemand anschaut…

  6. Anonymous

    RE: ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sati
    Sorry das ich hier der einzige bin der postet…
    ABER,ich finds schlichtweg ein wenig Kacke das auch der DHV nicht mehr wirbt für Steffens Aktion(mir egal was ihr im Background für Probleme miteinander habt)
    Wir wollen alle das selbe…fertig.
    Ich mache den DHV an allen Stellen wo ich nur kann bekannt,also erwarte ich einfach daß ihr auch solche und jede mögliche Aktion ganz offen bewerbt.
    Ich weiß,jetzt kommt wieder das Thema Spenden,sorry,ich kann nicht,daher häng ich mich umso mehr in die Promotion für euch rein in der Hoffnung das dementsprechend mehr Spender zusammenkommen.Also bitte leiber DHV,mehr Werbung für solche Sachen,und nicht immer wenn kritische Beiträge kommen ein auf einmal ein neues Thema auf der Startseite entwickeln,sonst ist ja auch(wie jetzt) Tagelang stillstand.
    (nicht so böse gemeint wie es sich anhört)
    http://cannabiskultour.de/teilnehmen/livestream.html
    Wenn ich dieses Video sehe,da geht mir der Hut hoch…nicht nur wegen dem DHV,hauptsächlich wegen den Großkotzmäulern die ihren Hintern nicht in die Luft bekommen.Glaubt ihr die Aktivisten bekommen das alles alleine hin?Wie naiv seid ihr?
    Ich muß aufhörn…reg mich zu sehr auf…
    Ihr könnt den lieben Steffen da doch nicht alleine stehen lassen,rafft ihr überhaupt welche Auswirkungen dies hat?
    SO heißt es doch in der Politik wieder,”Aktionen fanden kaum anklang,dementsprechend sind die meisten gegen Cannabis”
    Man,man,man….

  7. Anonymous

    RE: ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sati
    http://www.youtube.com/watch?v=QIEVTEFL1p4&feature=relmfu

  8. Anonymous

    RE: ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sati
    Eigenanbau endlich zulassen, Krankenkassen entlasten und der Pharama-Lobby jetzt mal den Stinkefinger zeigen!
    Ein Patient sollte das Recht haben seine Behandlungsmethode selbst fest zu legen.

  9. Anonymous

    RE: ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sati
    [quote name=”weazle”]”Was Menschen -Menschen antun können!”
    :-((([/quote]

    Wären sie selbst, oder deren Kinder betroffen, gäbe es diese Diskussion
    jetzt nicht.
    Bei einem MS-Patienten ist mir der effekt nach einer “Tüte” auf ner ReHa deutlich aufgefallen…
    Nebenwirkungen von Neuroleptika hingegen sind teil’s unerträglich, klingen aber ja nach 2-3 Monaten wieder ab…
    Und der Preis ist aber viel geringer…
    Egal ob die Leber oder Nieren geschädigt werden.

  10. Anonymous

    RE: ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sati
    Wie oben zu lesen wird sich rumgestritten wie man Patienten am “billigsten” versorgt bekommt,und diejenigen die solche Gesetze veranlassen bzw eine verbesserung blockieren machen sich die Taschen dicke:
    http://web.de/magazine/nachrichten/deutschland/15380906-merkel-kabinettsmitglieder-bekommen-geld.html#.A1000107

    Langsam reicht´s…
    Kann ich selbst beschließen wieviel Lohnerhöhung ich bekomme?Könnt ihr das?

  11. Anonymous

    RE: ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sati
    gutes zdf frontal21 video von 2006

    http://www.youtube.com/watch?v=JCZquUhppn8&feature=related

    … und es hat sich nix geändert

  12. Anonymous

    RE: ACM – Wird die Kostenerstattung für eine Behandlung mit Sati
    “Was Menschen -Menschen antun können!”
    :-(((

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