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Sucht in Deutschland – das sagen die offiziellen Zahlen

Es ist immer ärgerlich, wenn Medien Fakten übersehen oder nicht prüfen vor der Verbreitung wie jüngst beim als investigativ angepriesenen Bericht von “Report München”, zu welchem wir letzte Woche eine inhaltliche Einordnung veröffentlichten. Da auch sich in dieser Woche weiterhin diverse Medien auf den tendenziösen Bericht beziehen und, ebenso wie tagesschau.de, diesen ohne offenbar eine Prüfung verbreiten, möchten wir an dieser Stelle für weitere Klarheit zu sorgen.
Geht es um Fragen zu stationären und ambulanten Patientenzahlen, empfiehlt sich die Lektüre der jährlich erscheinenden Deutschen Suchthilfestatistik. Diese vom Bundesgesundheitsministerium unterstützte Statistik schlüsselt detailliert auf, aufgrund welcher Substanzen Menschen in Deutschland Suchthilfeeinrichtungen aufsuchen. Es werden auch Komorbiditäten (weitere, diagnostisch abgrenzbare Krankheitsbilder) oder polyvalente Konsummuster abgebildet. Ein Blick auf S. 69 des Berichts des letzten Jahres zeigt die Gesamtzahl aller wegen der Hauptdiagnose Cannabis stationär behandelten Menschen. Diese beläuft sich auf insgesamt 3.195 Personen (10,7%) und nicht, wie in den Artikeln behauptet, auf rund 19.000 Menschen im Jahr. Selbst wenn die cannabisbezogenen Nebendiagnosen miteingerechnet werden, betrifft dies 8.613 und eben keine rund 19.000 Menschen.

Laut tagesschau.de haben “zwei Drittel, die sich erstmals wegen Drogenproblemen ambulant behandeln lassen, […] inzwischen Probleme mit Cannabis”. Alle ambulant Erstbehandelten der verschiedenen Drogenkategorien auf den Seiten 66 ff sind zusammen 41.757 Personen. Davon haben 13.853 die Hauptdiagnose Cannabis, also nicht zwei, sondern mit 33% nur ein Drittel. Und selbst wenn man alle erstmals ambulant Behandelte mitzählt, die neben ihrer anderen Hauptdiagnose nebenbei auch Cannabis konsumieren, sind es mit 17.469 Personen weniger als die Hälfte und nicht zwei Drittel. Hier wird mit aus der Luft gegriffenen Zahlen platte Angstmacherei betrieben.

Um ein wenig Perspektive hineinzubringen: Laut der Suchthilfestatistik 2018 wurden insgesamt 28.717 Menschen wegen Cannabis ambulant behandelt, was bei einem Blick auf die konservativ geschätzte Gesamtzahl von 4 Millionen Cannabiskonsumenten knapp 0,7% aller Cannabiskonsumenten ausmacht.
Was generell bei der Betrachtung von Menschen, die wegen Cannabis ambulante Einrichtungen aufsuchen, ebenfalls nicht vergessen werden darf: 23% der ambulant behandelten Personen waren aufgrund von Polizei, Justiz oder ihrer Bewährungsauflagen dort (S.68) – im Gegensatz zum Alkohol, wo von insgesamt 63.285 behandelten Menschen lediglich 5% wegen Polizei, Justiz oder ihrer Bewährungsauflagen ambulant behandelt wurden.

Nichtsdestotrotz muss festgehalten werden, dass es in der Tat einen Anstieg der wegen Cannabis als Hauptdiagnose ambulant und stationär behandelten Personen gab. 2010 waren 23.349 Patienten wegen Cannabis in ambulanter oder stationärer Behandlung, 2018 waren es 31.912 Personen. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn sich Menschen, die selbst meinen, dass sie zu viel Cannabis konsumieren, professionelle Hilfe holen, solange sie das freiwillig tun.

Der sogenannte Experte Rainer Thomasius

Rainer Thomasius wird unverständlicherweise von deutschen Medien immer noch gerne als Experte zitiert, wenn es um die Gefahren von Cannabis geht. Auf Nachfragen aus unserer Community reagierte der Bayerische Rundfunk und nannte eine Quelle, auf die Thomasius seine negativen Aussagen über die Legalisierung in Colorado stützt. Und siehe da: Mal wieder wird Cannabisgegner Thomas Gorman und die von ihm betriebene Seite “Rocky Mountain High Intensity Drug Trafficking Area” als Quelle bemüht – ein Vorgehen, welches wir bereits 2017 bei der damaligen Drogenbeauftragten Mortler inhaltlich kritisierten. Der pensionierte Drogenfahnder Gorman fiel wiederholt wegen der Verbreitung falscher und tendenziöser Zahlen auf und gilt in den USA seit 10 Jahren als unseriöse Quelle, was sich anscheinend nicht bis zu Thomasius herumgesprochen hat, der weiterhin mit den Zahlen durchs Land zieht, anstatt die offiziellen Zahlen und Fakten der Regierung in Colorado zu verwenden. Wir gehen davon aus, dass Thomasius als Professor die Grundlagen wissenschaftlicher Arbeit beherrscht, daher kann seine selektive Quellenauswahl nur eines bedeuten: Die deutschen Reefer Madness Propaganda geht weiter.


Kommentare

8 Antworten zu „Sucht in Deutschland – das sagen die offiziellen Zahlen“

  1. Sancho

    Wie weit ist die Neurologie/Pschatrie
    Ich würde daran zweifeln ob Cannabis tatsächlich die Ursache der Psychosen ist. Viel mehr werden dadurch wohl Angststörungen ausgelöst welche häufig auf ein anderes Trauma (meist unbewusst) zurückzuführen sind. Auch synthetische Cannabiode werden seit langem eingesetzt um solche bei Deppresionen zu behandeln. Anstatt ein Symptom zu bekämpfen welches vielen Patienten hilft, sollte man doch eher die Forschung voran treiben um hier eine bessere Medikation zu gewährleisten. CBD hilft mir persönlich eher wie Baldriantropfen. Auch Psychoaktive Wirkstoffe wie THC können richtig angewendet helfen, aber eben auch schädigen, weshalb in diesen Fällen eine medizinische Unterstützung sinnvoller ist wie starke synthetische Medikamente welche in der Regel allein wegen der Umstellung deutlich schlimmere Nebenwirkungen mit sich bringen. Zum verantwortungsvollen Umgang gehört auch eine verantwortungsvolle Berichterstattung, vielen Dank DHV

  2. Robert F.

    Würden endlich alle aufwachen
    Würden endlich alle aufwachen, keine GEZ Gebühren mehr bezahlen, dann würden solche Sender ganz schnell in der Versenkung verschwinden.

    Es wird halt zwanghaft an der Verteufelung festgehalten, weil das schon immer so war und man halt lieber willenlose und staatstreue Alkis züchtet als vernünftig denkende Raucher die Widerstand leisten, wenn ihnen etwas ungerecht erscheint.

    Ich persönlich quarze seit 25 Jahren, teils schmerz bedingt, teils weil ich einfach gut entspannen kann, habe drei Berufe erlernt und bin mit 57 gesundheitsbedingt aus dem Dienst ausgeschieden.

    Allein schon wenn ich die ganzen Regierungsdeppen sehe die über unser Wohl entscheiden, wie soll Deutschland da eine Zukunft haben?

    Wehrt euch endlich gegen diese Volksverdummer und Manipulatoren die euch vorschreiben wie ihr zu leben habt und für die ihr nichts anderes seid als Steuerbluter um ihr perfides System zu ernähren.

  3. Volker

    Thomasius
    Was kann man persönlich unternehmen um diesen Herrn auf die Finger zu klopfen? Hilft es ihm persönlich eine E-Mail zu schicken und auf die Fehlinformation hinzuweisen?

  4. MrDancehall

    Nur interessehalber eine
    Nur interessehalber eine Frage. Kann man gegen den Herren Thomasius, und alle anderen die bewusst falsche Behauptungen in die Welt setzen, nicht gesetzlich vorgehen? Ich meine jetzt in Form einer Strafanzeige z. B. Wegen absichtlicher/vorsätzlicher Verbreitung von Unwahrheiten/Lügen in der Öffentlichkeit, und somit Diskriminierung der Cannabis Konsumenten… beabsichtigte Panikmache…vorsätzlicher benutzung, Weiterverbreitung von nicht vertrauenswürdigen dokumenten/Statistiken in der öffentlichkeit… Usw

    War nur mal so ein Gedanke….. Hätte ich doch nur einen Rechtsschutz 🙂

    Ansonsten bin ich momentan mal wieder so was von baff und sprachlos was da momentan schon wieder für eine propaganda geführt wird…
    Und das schlimme daran ist ja, dass sich diese Leute Experten nennen, und eigentlich keine Ahnung haben, bzw. nicht haben wollen… ich könnte heulen..

    So long, dann tu ich mal was gegen meine Schmerzen…..

    Hanfige Grüße aus der oberpfalz

    Legalize it!!!

  5. Ernst Berlin 420

    Ambulante Zahlen werden
    Ambulante Zahlen werden manipuliert in dem Richter in Bewährungsauflagen, Drogenberatungsstunden verlangen. Besonders Jugendliche und Erwachsene unter 21 Jahren werden bereits, da Jugendstrafrecht, regelrecht dazu gezwungen. Auch bei „Geringer Menge“ denn die gibts im Jugendstrafrecht nicht. ✌️

  6. Sandy

    Endlich mal seriöse Klarheit!
    Es ist immer schön zu lesen, dass sich der DHV bemüht falsche Informationen zu korrigieren! Vielleicht fällt es den ignoranten Leuten in der Regierung irgendwann doch mal auf, dass eine weitere Illegalisierung nichts bringt. Hier wird direkt gesagt SOLANGE ES FREIWILLIG IST. Und das ist bei den aktuellen Begebenheiten undenkbar. Wenn ich eine Cannabissucht entwickeln würde, dann brauche ich professionelle Hilfe, die mich auch versteht und der ich offen gegenüber stehe. Nicht eine Politik, die mir das Gefühl gibt, dass man mich nur jagen möchte. Die Legalisierung ist nicht nur lange überfällig, sondern löst auch, wenn man es richtig macht (was die Drogenbeauftragte NICHT vor hat), die meisten Probleme von selbst. Bei Alkohol trauen sich die Leute, daher nur 5% zwanghaft. Bei Cannabis haben die meisten Leute einfach nur Angst davor sich zu outen, weil man schnell deutlich häufiger ins Visier genommen wird. Also really. Eine Drogenbeauftragte sollte mehr als nur die eine Hälfte der Medaille ansehen…UND VOR ALLEM NACHDENKEN STATT ABWEISEN!!!

  7. J. B.

    Danke
    .. für die intensive und GRÜNDLICHE Beschäftigung mit dem Thema. So ärgerlich ich werde wenn ich an der Nase herumgeführt werde, so angenehm sind durchdachte und saubere Berichte.

    Vielen Dank dafür!

  8. Werden da auch synthetische Cannabinoide eingerechnet?
    Ähnliche ‘Horror’-Statistiken gibt es auch in Österreich. Die Perfidie daran ist allerdings, dass da auch alle Vorfälle mit synthetischen Cannabinoiden, also diesen frei erhältlichen ‘Kräutermischungen’, eingerechnet werden.

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