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EU-Drogenpolitik – Wenn wählen nicht genug ist


Meldung des DHV vom 5. 6. 2009

Bis kommenden Sonntag sind 500 Millionen Europäer dazu aufgerufen, ein neues Europäisches Parlament zu wählen. Auch der DHV hat sich dem Wahlaufruf angeschlossen und beteiligt sich darüber hinaus mit einer drogenpolitischen Wahlempfehlung an der Debatte über den künftigen Kurs der Staatengemeinschaft.

Doch welchen Einfluss hat das Parlament im Spiel der EU-Mächtigen? Wer bestimmt die europäische Drogenpolitik? Diese und andere Fragen stellte der DHV Joep Oomen, Vorstand des Vereins ENCOD.

Gibt es eine EU-Drogenpolitik?

Flagge der Europäischen Union Flagge der Europäischen Union

DHV: Gibt es eine gemeinsame Drogenpolitik der EU? Wird der Vertrag von Lissabon etwas an der Situation ändern?

Joep Oomen: Von einer einheitlichen Strategie im Umgang mit Drogen ist die EU weit entfernt. Die Mitgliedsstaaten betrachten dieses Politikfeld als Teil der inneren Angelegenheiten und weigern sich, Kompetenzen an Brüssel zu übertragen.
Auch mit dem Vertrag von Lissabon wird sich dies wohl nicht ändern. So ist die schrittweise Vereinheitlichung der Justizapparate nach dem Scheitern der “Europäischen Verfassung” dem Rotstift zum Opfer gefallen.

Klar ist der Vertrag ein wichtiger Schritt zur weiteren Annäherung der Mitgliedsstaaten, aber bis zu einer EU-Drogenpolitik, die diesen Namen verdient, werden noch viele Jahre vergehen.

DHV: Was können wir in den nächsten Jahren vom Europäischen Parlament erwarten?

Joep Oomen: Leider hat das Parlament in der Drogenpolitik nur wenig Entscheidungsbefugnisse. Das liegt daran, dass den von Rauschmittelmissbrauch ausgehenden Problemen fast EU-weit in erster Linie mit Polizei und Gerichten begegnet wird.

Gänzlich zur Untätigkeit gezwungen ist das Parlament aber nicht. Besonders wenn die linken und ökologischen Parteien durch die Europawahl an Einfluss gewinnen, erwartet ENCOD, dass das Parlament von seiner Vorschlags- und Beratungrechten intensiv Gebrauch macht.
Ich warne jedoch davor, zu viel von diesen Initiativen zu erwarten. Der Ministerrat wird sie nur dann in seine Arbeit einfließen lassen, wenn Druck auf die nationalen Regierungen ausgeübt wird.

Wir Europäer tragen da eine Verantwortung, der wir über den Wahltag hinaus Beachtung schenken sollten.

Europäische Politik selbst beeinflussen

Festnahme von Joep Oomen beim Versuch der Gründung eines Cannabis Social Clubs in Belgien im Dezember 2006 Festnahme von Joep Oomen beim Versuch der Gründung eines Cannabis Social Clubs in Belgien im Dezember 2006

DHV: Was können die Deutschen denn abseits des Wahlzettels tun, um die EU-Drogenpolitik voran zu bringen?

Joep Oomen: Ab 8.Juni haben wir alle “neue” Vertreter in Brüssel und Straßburg. Denen gilt es früh klar zu machen, wo sie ihre neu gewonnene demokratische Macht einsetzen sollten.

Die wichtigste Aufgabe der nächsten Wochen ist es deshalb, an den jeweiligen Parlamentarier heran zu treten und ihn auf die Missstände in der nationalen und EU-Drogenpolitik hinzuweisen. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass die Legalisierung von Cannabis, Fragen der Harm Reduction (Schadensminimierung) und der legale Anbau von Pflanzen für den eigenen Bedarf auf die Agenda der EU kommt.

Wer mehr tun will, den bitte ich, ENCOD zu unterstützen.

Vom “Schwarzen Schaf” zum Sprachrohr der Bewegung

DHV: Was ist ENCOD und was tut ihr?

Joep Oomen: ENCOD ist ein Verein, der Anfang der 1990er Jahre aus einem Bündnis nationaler drogenpolitischer NGOs entstand. Seine ursprüngliche Aufgabe war es, sich in die Diskussionen über die Einführung und Aufgaben der Europäischen Drogenbehörde (EMCDDA) einzuschalten.

Schnell wurden wir so etwas wie das Schwarze Schaf der Brüsseler Lobbyistenszene. Die Bürokratie versuchte alles, um uns zu ignorieren.
Teilweise wendeten sich sogar Gründungsmitglieder vom Verein ab, weil sie Probleme in der nationalen Zusammenarbeit mit Regierungsstellen befürchteten.

Allen Anstrengungen zum Trotz überlebte ENCOD diese Zeit. Mitunter war die Wut über die massive Gegenwehr das Einzige, was uns noch motivierte.

Doch schlechte Zeiten gehen vorbei und ENCOD ist inzwischen als Gesprächspartner anerkannt. Noch diskutieren wir nicht auf Augenhöhe, aber überhören kann man ENCOD nicht mehr.
Auch in Zukunft werden wir alles daran setzen, dem Wunsch vieler Europäer nach einer gerechten und effektiven Drogenpolitik in den EU-Institutionen eine Stimme zu verleihen.

DHV: Dabei wünschen wir viel Erfolg. Danke für das Interview.

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