Antworten von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN Baden-Württemberg auf unsere Wahlprüfsteine zur Landtagswahl im März 2016

Hier finden Sie die Antworten von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN Baden-Württemberg auf unsere Wahlprüfsteine für die Landtagswahl im März 2016.

1. Halten Sie die Repression und die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten für eine sinnvolle Säule der Drogenpolitik?

Eine aufgeklärte Suchtpolitik wie wir sie verfolgen, steht auf den vier wissenschaftlich anerkannten Säulen: Prävention, Beratung und Behandlung, Schadensminimierung sowie der Repression. Eine Kriminalisierung von Konsumenten verursacht aus unserer Sicht Probleme unterschiedlicher Natur auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene. Wir setzen uns deshalb für eine aufgeklärte Suchtpolitik im Land und ein grünes Cannabiskontrollgesetz im Bund ein, welches eine sinnvolle Alternative zur repressiven Drogenpolitik darstellt. Abschreckung alleine ist kein zielführendes Instrument, dies ist wissenschaftlich erwiesen. Wer nur in Kategorien der Repression denkt, konterkariert die Bereiche Prävention, Beratung und Schadensreduzierung und somit die Zielsetzung einer aufgeklärten Suchtpolitik. Es ist sinnvoll den Grundsatz „Hilfe vor Strafe“ in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen und der unverhältnismäßigen Kriminalisierung von Konsumenten entgegenzuwirken. Polizei, Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte, die sich mit einer Vielzahl von Verfahren wegen Drogendelikten mit geringer Schuld konfrontiert sehen, würden deutlich entlastet und könnten ihre Ressourcen auf die Bekämpfung des illegalen Handels konzentrieren. Strafrechtler, Suchtmediziner, die Suchthilfe, der Bund Deutscher Kriminalbeamter und viele andere fordern inzwischen ein entsprechendes Umdenken in der deutschen Drogenpolitik.

2. Wollen Sie die Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten generell eher mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

Wir Grüne in Baden-Württemberg unterstützen das von unserer Bundestagsfraktion vorgelegte Cannabiskontrollgesetz. Es zeigt, wie eine regulierte, legale Abgabe von Cannabis aussehen könnte, die endlich die schützt, die Schutz brauchen: nämlich Kinder und Jugendliche. Schließlich fragt ein Dealer auf dem Schwarzmarkt nicht nach dem Personalausweis. Darüber hinaus beendet es die unverhältnismäßige Kriminalisierung erwachsener Konsumenten. Den Schwarzmarkt auszutrocknen und den Anbau, Handel und die Abgabe von Cannabis staatlich zu regulieren, statt Konsumenten zu kriminalisieren, ist aus suchtpolitischer Sicht daher der erfolgreichere Weg für unsere Gesellschaft.

3. Wollen Sie die Strafverfolgung des Anbaus weniger Hanfpflanzen zur Deckung des Eigenbedarfs eher mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

In Bezug auf Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis macht der grüne Entwurf eines Kontrollgesetzes einen klaren Vorschlag: Für Erwachsene soll dies bis zu einer gewissen Menge erlaubt sein. Dies entspricht einer klaren Milderung.

4. Wie stehen Sie zur aktuellen Verordnung zur Anwendung der “geringen Menge” nach §31a BtmG und planen Sie Änderungen?

Unser Ziel ist es, eine bundeseinheitliche Regelung in ganz Deutschland mit transparenten, straffreien Mengen zu schaffen, wie dies im Cannabiskontrollgesetz vorgeschlagen wird. Dies würde nicht nur die Kriminalisierung von Konsumenten beenden, sondern auch Justiz und Polizei deutlich entlasten, deren Vertreter die gängige Praxis in weiten Teilen als ineffektiv und aufwendig kritisieren. Die aktuelle Situation  in Deutschland, durch die unterschiedliche Definition der „geringen Menge“ in den verschiedenen Bundesländern wie ein Flickenteppich, halten wir für falsch und setzen uns für eine bundeseinheitliche Lösung ein. Sollte diese kurzfristig nicht zu erreichen sein, werden wir uns für eine Angleichung der geringen Menge an die Richtwerte anderer Flächenländer wie Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen einsetzen.

5. Wie stehen Sie zu einem Modellversuch für eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten an Erwachsene?

Wir Grüne setzen uns für einen Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabisprodukten für Erwachsene durch öffentlich-rechtliche Stellen ein, der wissenschaftlich evaluiert werden sollte.

6. Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle von Drogen wie Cannabis?

Verbraucher- und Gesundheitsschutz stellen zwei wichtige Pfeiler des grünen  Cannabiskontrollgesetzes dar. Eine Qualitätskontrolle kann Gesundheitsgefahren minimieren und wird von uns unterstützt.

7. Halten Sie es für sinnvoll, dass Cannabiskonsumenten bei der Überprüfung der Fahreignung gegenüber Alkoholkonsumenten benachteiligt werden oder setzen Sie sich für eine Gleichbehandlung ein?

Sicher ist: Die bisherige Regelung sorgt bei allen Beteiligten für Unverständnis. So gelten in den Bundesländern aktuell Grenzwerte zur Fahreignung von Cannabiskonsumenten, die fast um das Doppelte voneinander abweichen. Ob Alkohol oder Cannabis: Entscheidend ist in beiden Fällen, inwiefern die Fahrtüchtigkeit nach wissenschaftlichen Kriterien zur eigenen und zur Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer gewährleistet ist. Daher sind wir für ein wissenschaftlich fundiertes Prüfkriterium und eine bundeseinheitliche Grenzschwelle, so wie es bei der Promillegrenze geregelt ist. Im grünen Cannabiskontrollgesetz gibt es auch hierfür einen konkreten Vorschlag. Sowohl für Alkohol wie Cannabis gilt aus unserer Sicht jedoch grundsätzlich, dass Konsum und Fahren verantwortungsvoll getrennt werden sollten.

8. Wollen Sie Ihre drogenpolitischen Positionen, beispielsweise über Bundesratsinitiativen, auch bundesweit vertreten?

Im Bundesrat haben wir in dieser Legislaturperiode die Bundesregierung mit einem Entschließungsantrag aufgefordert, die Vorgaben für die Substitutionsbehandlung in der Betäubungsmittelverordnung (BtMVV) endlich zu vereinfachen. Wie im Bereich Substitutionstherapie unter Beweis gestellt, setzen wir uns gemeinsam mit weiteren Bundesländern für eine Umsetzung grüner Positionen in der Suchtpolitik ein. Da eine bundesweite Regelung gerade im Umgang mit Betäubungsmitteln sinnvoll ist, stellt der Bundesrat ein wichtiges Instrument dar, um unsere Verbesserungsvorschläge einzubringen.

9. Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Partei und Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode?

Wir setzen uns für örtliche Präventionsangebote und gegen pauschale räumliche und zeitliche Alkoholkonsum- und Alkoholverkaufsverbote ein. Auf grüne Initiative hin fördert das Sozialministerium Präventionsprojekte in Städten und Gemeinden im Land, bei denen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen gezielt an den öffentlichen Plätzen aufgesucht und angesprochen werden, an denen es erfahrungsgemäß zu Trinkgelagen kommt. Hierfür stellt die grün-geführte Landesregierung pro Jahr 500.000 € bereit.

Im Bundesrat haben wir die Bundesregierung mit einem Entschließungsantrag aufgefordert, die Vorgaben für die Substitutionsbehandlung in der Betäubungsmittelverordnung (BtMVV) endlich zu vereinfachen. Leider sind immer weniger junge Ärztinnen und Ärzte bereit, sich in der Substitutionstherapie zu engagieren, die in den letzten 20 Jahren zu einem wichtigen und anerkannten Baustein der Suchtbehandlung geworden ist. Das liegt vor allem an der Überregulierung der Substitutionsbehandlung auf Bundesebene. Diese wollen wir reduzieren.

Um langzeitarbeitslose Menschen mit Suchterkrankung wieder erfolgreich in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, haben wir das neue Projekt „NaWiSu“ gestartet, welches mit beruflichen Wiedereingliederungsmaßnahmen schon parallel zur Behandlung in der Suchtreha ansetzt.

10. Welche drogenpolitischen Initiativen plant Ihre Partei und Fraktion für die kommende Legislaturperiode?

Wir werden den Weg hin zu einer aufgeklärten Suchtpolitik fortsetzen, Präventionsmaßnahmen weiter stärken und uns für Verbesserungen in diesem Bereich für Konsumenten, Ärzte sowie Suchtkranke einsetzen. Darüber hinaus wollen wir Justiz und Polizei wirksam entlasten. Im Bereich Cannabis setzen wir uns für einen wissenschaftlich begleiteten Modellversuch zur staatlich regulierten Abgabe und wie bereits erwähnt für eine Angleichung der geringen Menge an die Richtwerte anderer Flächenländer wie Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen ein.

11. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen?

Wie im Kontrollgesetz beschrieben, wollen wir erwachsene Konsumenten entkriminalisieren und den Anbau, Handel und die Abgabe von Cannabis staatlich regulieren. Damit soll der Schwarzmarkt ausgetrocknet werden und den Handel mit Cannabis aus den Händen des organisierten Verbrechens nehmen. Durch die von uns vorgeschlagene staatliche Regulation können wir den Verbraucher- und Gesundheitsschutz stärken sowie einen wirksamen Kinder- und Jugendschutz sicherstellen. Indem die Einnahmen beim Cannabis-Handel nicht mehr in die Taschen von Kriminellen fließen, sondern dem Staat und der Gesellschaft zu Gute kommen, können wir mit diesen Geldern die Prävention, Beratung und Behandlung in diesem Bereich stärken – und dies ohne zusätzliche Steuergelder.