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Verbesserung der Suchtprävention

Dieser Text informiert über die Stellungnahme der Drogen- und Suchtkommission zur Verbesserung der Suchtprävention. Dieses vom Bundesgesundheitsministerium (BGM) 1999 berufene Gremium hatte den Auftrag “Eckpunkte für ein effektives und glaubwürdiges Präventionskonzept im Drogen- und Suchtbereich zu erarbeiten”.

Geschichte der Stellungnahme der Drogen- und Suchtkommission

Bei ihrer Veröffentlichung im Juni 2002 wurde der Bericht von der bis heute amtierenden Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und der parlamentarischen Staatssekretärin im BMG und damaligen Drogenbeauftragten der Bundesregierung Marion Caspers- Merk ausdrücklich und in einer Presseerklärung begrüßt. Dies sorgte für Verwunderung, weil die Kommission in weiten Teilen des Berichts nur wenig Positives an der Drogenpolitik der Bundesrepublik findet.

Die wichtigste Empfehlung der Drogen- und Suchtkommission war:
Die Bundesregierung sollte sich einer zu engen eigenen inhaltlich- konzeptionellen Ausrichtung und damit einer vom Grundsatz her zwangsläufig immer auch einseitig wertenden Sicht der Dinge enthalten. So stünde es ihr weder gut an, sich bspw. auf die Seite derer zu schlagen, die etwa eine “suchtmittelfreie Gesellschaft” postulieren, umgekehrt ebenso wenig, sich denen zu verschreiben, die das Konzept der “Drogenakzeptanz” favorisieren.

Im Weiteren enthält der Bericht verschiedene Ansätze für die theoretische und praktische Präventionsarbeit, die man auf vier Forderungen verkürzen kann:

  • Orientierung auf Verhaltens- wie Verhältnisprävention
  • Konzentration auf Kindheit, Jugend und das Heranwachsendenalter
  • Konzentration auf Persönlichkeitsentwicklungen und nicht in erster Line auf Substanzen
  • konzeptionelle Fokussierung auf die Normalpopulation, nicht auf spezifische “Risikogruppen”
  • Orientierung auf das, was empirisch belegbar ist

Dass die Empfehlungen sich zur Gänze in der Arbeit der Gesundheitsministerin und der Bundesdrogenbeauftragten niederschlagen würden, erwartete nicht einmal die Kommission, die unter Verwendung nicht unerheblicher Mengen Steuergelder genau solche Handlungsmaximen erarbeiten sollte. So warnt der Bericht:
“Vor dem Hintergrund der rund 30-jährigen intensiven Beschäftigung mit dem Themenkomplex Drogen und Sucht käme gerade hierin (Umsetzen der Empfehlungen der Kommission) eine neue Qualität für die (bundes-) politisch-administrative Praxis zum Ausdruck.”

Wie wenig sich das Gesundheitsministerium bei seiner Präventionsarbeit der folgenden fünf Jahre an den Empfehlungen der Drogen- und Suchtkommission orientiert, hatten selbst Skeptiker nicht vorhergesehen. Anstelle einer konsequenten Neuorientierung der Drogenpolitik setzte das Ministerium auf eine lustlose Fortsetzung der gewohnten Strategien. Über den Bericht wurde der Mantel des Schweigens gelegt.

Der Bericht der Drogen- und Suchtkommission wie auch die zugehörige Pressemitteilung der Bundesdrogenbeauftragten vom 4. Juni 2002 wurden seitens des Gesundheitsministeriums von ihrer eigenen Webseite gelöscht. Damit das Weglassen dieser Pressemitteilung auf der Seite des Bundesministeriums für Gesundheit (und Soziale Sicherung) nicht so schnell auffällt, hat das Ministerium aus allen Pressemitteilungen der Drogenbeauftragten aus den Jahren 2001 und 2002 die fortlaufende Nummerierung entfernt!
Wahrlich eine Art der Informationspolitik wie sie zu Stalins Zeiten in der Sowjetunion üblich war. Drogenpolitik wird in Deutschland nach wie vor in vielen Bereichen aufgrund ideologischer und nicht aufgrund pragmatischer Kriterien gestaltet.


Auszüge aus dem Bericht der Drogen- und Suchtkommission

“Es gilt heute als wissenschaftlich akzeptiert, dass bestimmte Formen des Konsums psychoaktiver Substanzen durchaus mit physischer, psychischer und sozialer Gesundheit vereinbar sind /vgl. u.a. für Cannabis Kleiber, Soellner 1998/; Drogenkonsum nicht nur destruktive, sondern auch persönlichkeitsfördernde und sogar protektive Komponenten haben kann /vgl. Soellner 1995/; Drogenkonsum keineswegs folgerichtig mit somatischen und/oder psychischen Störungen einhergeht /vgl. Schmidt 1998/ und Drogenkonsum die Gesellschaftsfähigkeit und Gesundheit der Konsumenten nicht per se unterminiert. Deshalb wird in dieser Stellungnahme auch ausdrücklich eine differenzierte Sichtweise angemahnt, die für jeden Umgang mit VIII. Anhang I psychoaktiven Substanzen zwischen Gebrauch, Missbrauch und Abhängigkeit unterscheidet.

Der Konsum psychoaktiver Substanzen kann damit als ein Handeln wahrgenommen werden, dass unter bestimmten Bedingungen in die Lebenswirklichkeit der Menschen integrierbar ist, dort einen berechtigten Platz finden und mit hochgeschätzten Werten der Gesellschaft vereinbar sein kann. In dieser Wahrnehmung gilt Drogenkonsum nicht mehr als etwas grundsätzlich zu überwindendes. Vielmehr gilt es, für den sozial integrierten Drogengebrauch gezielt Kompetenzen zu entwickeln – ein Prozess, der nicht sich selbst überlassen bleiben sollte.”


“Für die Gesetzgebung im Zusammenhang mit illegalen und legalen Drogen bedeutet dies, dass keine überzogenen Erwartungen an (neue) Gesetze zu stellen sind. Vielmehr ist besonderes Augenmerk auf mögliche schädliche Nebenwirkungen solcher Gesetze (z.B. Stigmatisierung bestimmter Personengruppen, negative Effekte durch Inhaftierungen etc.) zu richten. Zudem sollten Gesetze regelmäßig evaluiert und daraufhin überprüft werden, ob die in sie gesetzten Erwartungen auch tatsächlich erfüllt worden sind. Sollte die (unabhängige) Evaluation zu dem Ergebnis kommen, dass dies nicht der Fall ist, dann sind die Gesetze abzuschaffen, im Ausnahmefall auch zu ändern.

Da die empirische Forschung die prinzipielle Überlegenheit präventiver gegenüber repressiver Maßnahmen nachgewiesen hat ist darüber hinaus auch sicherzustellen, dass aus bestimmten Gründen notwendige repressive Vorschriften keine negativen Nebenwirkungen dadurch haben, dass sie präventiven Vorschriften oder Präventionsmaßnahmen entgegenstehen, behindern oder unmöglich machen. So zeigt sich in der Praxis, dass viele Formen der akzeptierenden Drogenhilfe gegen das derzeit geltende Betäubungsmittelgesetz verstoßen.

So hat z.B. der Gesetzgeber z.B. die Ausgabe von Einmalspritzen an Drogenabhängige und die Einrichtung und das Betreiben von nach § 10 a BtMG erlaubten Konsumräumen aus der Strafbarkeitszone herausgenommen. Es bleiben aber trotz des Dritten Betäubungsmittel- Änderungsgesetzes zahlreiche Formen akzeptierender Drogenhilfe, die eine Verfestigung des Drogenmissbrauchs verhindern, Lebenshilfe und Überlebenshilfe gewährleisten wollen, strafbar. Die Plakataktion der AIDS-Hilfe, die Opiatabhängige zu Safer-Use-Techniken gewinnen wollte, wurde wegen Verstoßes gegen § 29 Abs. 1 Nr. 12 BtMG (= öffentliche Aufforderung zum Verbrauch von Betäubungsmitteln, die nicht zulässiger Weise verschrieben worden sind) verfolgt. Sozialarbeiter oder Ärzte, die für einen AIDS-Kranken Marihuana zu Therapiezwecken beschaffen, machen sich wegen unerlaubten Betäubungsmittelerwerbes strafbar. Wenn eine Mutter, ein Leiter einer betreuten Wohngemeinschaft oder eines Übernachtungsheimes für Drogenabhängige, ein Polizeibeamter oder ein Sozialarbeiter eine Tochter/Sohn, einen Mieter/in, einen Besucher oder Straßenpassanten in einen hygienischen Raum zum Konsum weisen, so ist dies nach den §§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 und 11 BtMG (neue Fassung) immer noch strafbar. (…) Wenn Drogenhelfer auf der Drogenszene verelendenden Opiatabhängigen mit vereiterten und zerstochenen Venen beim Injektionsvorgang durch Hilfe beim Abbinden, bei der Venensuche oder beim Setzen der Spritze helfen, so verschaffen sie mit dieser Hilfeleistung eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch und machen sich nach § 29 Abs. 1 Nr. 10 BtMG strafbar.”


Damit die Gesundheitsministerin mit der Strategie unbequeme Wahrheiten zu verschweigen nicht erfolgreich ist, empfehlen wir Ihnen die Stellungnahme der Drogen- und Suchtkommission zur Verbesserung der Suchtprävention zu lesen.