Bei unserem Wahlcheck betrachten wir die jeweiligen Wahlprogramme und die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine.
Programm
Die SPD bekennt sich in ihrem Wahlprogramm klar zum Ziel der Cannabislegalisierung und möchte auf europäischer Ebene die rechtlichen Voraussetzungen für eine “verantwortungsvolle, zügige und europarechtskonforme “ Umsetzung schaffen, bei der der Fokus auf Jugend- und Gesundheitsschutz liegen soll. Außerdem soll die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden gestärkt werden, um u.a. Drogenhandel besser zu bekämpfen. Kurze, aber klare Aussagen von der SPD, klingt gut. Im Übrigen ist das das erste Wahlprogramm der SPD, in dem sich die Partei klar zu einer vollständigen Legalisierung von Cannabis bekennt. Bisher gab es dazu nur einen Vorstandsbeschluss.
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Auszug aus dem Wahlprogramm:
“Entkriminalisierung von Cannabis
Wir sind davon überzeugt, dass eine lizensierte und kontrollierte Abgabe von Cannabis hilft, den illegalen Drogenhandel zurückzudrängen und gesundheitliche Risiken zu minimieren. Wir setzen uns für eine verantwortungsvolle, zügige und europarechtskonforme Legalisierung von Cannabis ein und wollen dafür die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Dabei haben für uns der Gesundheits- und Jugendschutz höchste Priorität.”
“Grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden stärken
Wir wollen eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizeien und Sicherheitsbehörden in der Europäischen Union. Dazu gehört insbesondere auch die Stärkung von Europol bei der Unterstützung der Mitgliedsstaaten. Die Zusammenarbeit soll sich vor allem auf die Bekämpfung der Wirtschafts- und Cyberkriminalität konzentrieren. Zudem soll sie den Waffen-, Drogen- und Menschenhandel in den Fokus nehmen, wobei sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Gewalt gegen Frauen Schwerpunkte sein sollen. Zudem bleibt es dabei, dass wir extremistischen oder terroristischen Gewalttaten nur gemeinsam als Europäische Union begegnen können. Damit die grenzüberschreitende Arbeit noch besser klappt, setzen wir uns für eine kontinuierliche Aus- und Weiterbildung mit gleichen Standards, z. B. mit Hilfe der EU-Agentur für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung ein. Auch die justizielle Zusammenarbeit auf EU-Ebene wollen wir stärken. Das gilt für die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust), wie auch für den Ausbau gemeinsamer Kanäle für den sicheren Datenaustausch. Weiteres Augenmerk gilt der Geldwäschebekämpfung mit der geplanten Anti-Geldwäsche-Agentur AMLA. Bezüglich der geplanten europäischen Anti-Geldwäsche- Agentur AMLA setzen wir uns für den Standort Frankfurt ein.”
Antworten auf Wahlprüfsteine
Die SPD antwortet auf unsere Wahlprüfsteine größtenteils positiv. Man positioniert sich eindeutig pro Entkriminalisierung, Modellprojekte und Legalisierung. Auch Drug-Checking wird als ein Baustein einer neuen Drogenpolitik begrüßt. Aber ein fader Beigeschmack bleibt leider. In Bezug auf die europarechtlichen Hemmnisse verweist man lediglich auf völkerrechtliche Verpflichtungen und verzichtet aus unerfindlichen Gründen auf die klare Formulierung des Wahlprogramms, dass man auf europäischer Ebene die nötigen Voraussetzungen für die Legalisierung von Cannabis schaffen wolle. Auch die Antwort auf die Frage zur Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten wird nur ausweichend beantwortet (“sollte nach der Evaluation der neuen Regeln zum Umgang mit Cannabis gesellschaftlich diskutiert werden”). Die SPD weiß also noch nicht, ob sie dafür ist und will das auch erst in ein paar Jahren diskutieren.
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Frage 1: Menschen, die Cannabis konsumieren, besitzen und in geringem Umfang für den eigenen Konsumanbauen, werden seit dem 01.04.2024 in Deutschland nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Wie stehen Sie zu dieser Entkriminalisierung?
Verbote und Kriminalisierung haben den Konsum nicht gesenkt; sie stehen einer effektiven Suchtprävention und dem Jugendschutz entgegen. Durch einen neuen Umgang mit Cannabis werden nun Aufklärung und Prävention gestärkt und Menschen nachhaltig geschützt. Wir stehen hinter der von uns beschlossenen Entkriminalisierung und legen den Fokus der neuen Drogenpolitik auf den Gesundheits- und Jugendschutz, die Entstigmatisierung und Suchtprävention sowie auf die Hilfen für Menschen mit Suchtproblemen.
Frage 2: Wie stehen Sie ganz allgemein zur Legalisierung von Cannabis im Sinne einer Regulierung des Marktes, z.B. mit Fachgeschäften für Erwachsene?
Die SPD ist für die Einführung der kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften. Aus unserer Sicht wird dadurch die Qualität von Cannabis besser kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet. Diese Maßnahmen haben wir auch in unserem Koalitionsvertrag vereinbart. Aufgrund der völkerrechtlichen Vorgaben stehen wir allerdings vor Herausforderungen, denen wir in einem ersten Schritt mit dem privaten Eigenanbau durch Erwachsene zum Eigenkonsum, mit den Cannabis Sozial Clubs sowie mit den Modellprojekten von Ländern und Kommunen zur regulierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene, begleitet durch Maßnahmen der Prävention, Beratung und Behandlung im Jugendbereich, begegnen.
Frage 3: Wie stehen Sie zum Vorhaben, wissenschaftliche Modellprojekte zur Erprobung der kontrollierten Abgabe von Cannabis in Fachgeschäften in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten (z.B. Deutschland) zu etablieren?
Als SPD sind wir davon überzeugt, dass eine lizensierte und kontrollierte Abgabe von Cannabis hilft, den illegalen Drogenhandel zurückzudrängen und gesundheitliche Risiken zu minimieren, und wollen deswegen innerhalb der völkerrechtlichen Vorgaben Modellprojekte von Ländern und Kommunen zur regulierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene etablieren. Diese sollen durch Maßnahmen der Prävention, Beratung und Behandlung im Jugendbereich eng begleitet werden. Denn der Gesundheits- und Jugendschutz haben für uns die höchste Priorität.
Frage 4: Das Bundesgesundheitsministerium erteilte der geplanten kontrollierten Abgabe in Fachgeschäften aufgrund europarechtlicher Bedenken eine Absage. Wird sich Ihre Partei im Europäischen Parlament dafür einsetzen, diese rechtlichen Hemmnisse für eine vollumfängliche Legalisierung zu beseitigen?
Das Recht der gesetzgeberischen Initiative für die vollumfängliche Legalisierung von Cannabis in der EU liegt bei der Europäischen Kommission. Als SPD unterstützen wir die europäischen Lösungen zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene, solange sie Gesundheits- und Jugendschutz berücksichtigen. Allerdings gibt es im Umgang mit Cannabis enge Grenzen, die nicht nur auf europarechtliche Rechtsgrundlagen, sondern auch auf völkerrechtliche Abkommen zurückzuführen sind. Diese Herausforderung müssten wir also auch global angehen.
Frage 5: Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt, z.B. in Uruguay, Kanada und einigen US-Staaten. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte in Zukunft konkret aussehen?
Als SPD wollen wie eine Einführung der kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften. Diese kann allerdings aus unserer Sicht nur mit einer Begleitung durch Maßnahmen des Gesundheits- und Jugendschutzes, Entstigmatisierungsdebatten, eine niedrigschwellige Suchtprävention bereits in den Fachgeschäften sowie Hilfen für Menschen mit Suchtproblemen erfolgen. Verbote und Kriminalisierung haben den Konsum nicht gesenkt; sie stehen einer effektiven Suchtprävention und dem Jugendschutz entgegen. Es kommt also auf das informierte und bewusste Verhalten der Konsument*innen und gesellschaftliche Akzeptanz an.
Frage 6: Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von illegalen Drogen?
Aus der SPD-Sicht soll Drug-Checking ein Baustein einer umfassenden Beratungs- und Präventionsstrategie der neuen Drogenpolitik sein. Es kann dabei insbesondere hilfreich sein, Informationen über Trends und Konsumgründe von Konsument*innen zu gewinnen. Zudem können Warnungen vor Substanzen mit beispielsweise hohem Risikopotenzial oder Überdosierung direkt an Konsument*innen weitergeben werden. Wir erhoffen uns davon die weitgehende Einschränkung des illegalen Handels und Konsums, weniger gesundheitsschädigende Auswirkungen, mehr Bewusstsein und Verantwortung der Konsument*innen sowie letztlich mehr Akzeptanz für die neue Drogenpolitik, die legale Zugänge zu ausgewählten Produkten ermöglicht.
Frage 7: Wie stehen Sie zur Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten (Modell Portugal)?
Verbote und Kriminalisierung haben den Konsum von Drogen nicht gesenkt; sie stehen einer effektiven Suchtprävention und dem Jugendschutz entgegen. Die Erfahrungen aus Portugal sind vielversprechend in Bezug auf die Entwicklung eines bewussten und informierten Umgangs mit den Drogen sowie den Rückgang der Drogenkriminalität. Dieses Modell Portugals sollte nach der Evaluation der neuen Regeln zum Umgang mit Cannabis gesellschaftlich auch in Deutschland diskutiert werden. Denn es bietet uns eine chancenreiche Option an.
Frage 8: Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Europafraktion (bzw. Landesgruppe in Ihrer Fraktion) in der aktuellen Legislaturperiode auf der europäischen Ebene und was sind Ihre konkreten drogenpolitischen Pläne für die kommende Legislaturperiode?
Gesundheitsschutz steht für uns als SPD an vorderster Front. Im Rahmen der Revision der europäischen Pharmagesetzgebung unterstützen wir die Förderung von neuartigen Methoden zur Behandlung von mentaler Gesundheit. National setzen wir uns für die Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, für die Verbesserung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung und im Rahmen eines Programms für ein inklusives Gesundheitswesen für die Bekämpfung von Stigmatisierung und Diskriminierung der Menschen in schwierigen Sucht- oder psychischen Lagen sowie für mehr Unterstützungsangebote in ihrem Berufsleben ein.
Bisherige parlamentarische Aktivität
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Strafverfolgung bei Cannabis (18/28781)
Antrag: Haushaltsplan 2021; hier: Offensive für einen guten Behandlungsvollzug – Mittel für die Finanzierung von 464 neuen Stellen für alle Funktionsbereiche und Dienste in den Justizvollzugsanstalten in Bayern (18/12762)
Verkaufsverbot von Nutzhanfprodukten (18/9859)
Die bezüglich Cannabis positiv ausgefallenen Antworten auf unsere Wahlprüfsteine machen das drogenpolitisch schmale Wahlprogramm wieder wett. Insgesamt bleibt: ein klares Bekenntnis zur Legalisierung und die Motivation, hierfür die europarechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Im Detail hätte es an einigen Stellen gern etwas konkreter sein dürfen. Kann man insgesamt gut wählen!