Bei unserem Wahlcheck betrachten wir die jeweiligen Wahlprogramme, die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine sowie die parlamentarischen Aktivitäten in der vergangenen Legislaturperiode.
Programm
Der SPD-Landesverband Berlin gehörte im November 2018 zu den ersten, die in einem Positionspapier die Forderung nach Legalisierung von Cannabis beschlossen haben, wenn auch mit vorgeschaltetem Modellprojekt. Leider ist im aktuellen Wahlprogramm ein so klares Bekenntnis zur Legalisierung nicht mehr zu finden. Ähnlich wie auf Bundesebene wird ein Modellprojekt für eine regulierte Abgabe von Cannabis angestrebt, ohne konkret zu sagen, wo das hinführen soll. Schade, bei der Berliner SPD wäre mehr drin gewesen, aber Spitzenkandidatin Giffey schiebt den Landesverband mit Macht Richtung “konservativ”. Immerhin will die Berliner SPD Drug-Checking aufbauen und Drogenkonsumräume ausbauen. Im Rahmen der Suchthilfe sollen Konsumenten saubere Konsummittel erhalten.
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Auszug aus dem Wahlprogramm:
“Wir stehen für eine progressive Cannabispolitik. Daher wollen wir weiterhin ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene durchführen. So die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen dafür noch fehlen, setzt sich die SPD Berlin dafür ein, dass solche Pilotprojekte gesetzlich abgesichert werden. Drug-Checking wird aufgebaut. Außerdem sollen Drogenkonsumräume, Vergabe sauberer Konsummaterialien sowie wirksame Maßnahmen zur Suchthilfe, auch in Haftanstalten, weiterentwickelt werden.“
“Wir werden soziale Angebote zur Suchtprävention stärken, um Menschen mit Suchtkrankheiten den Ausstieg aus der Drogensucht zu ermöglichen. Dazu bauen wir Beratungs- und Selbsthilfeangebote sowie Angebote einer aufsuchenden Sozialarbeit aus. Außerdem wollen wir öffentliche Räume entlasten, in denen sich Menschen aufhalten, die drogenabhängig sind. Hierzu bauen wir Drogenkonsumräume sowie Spritzenprogramme aus und sorgen für sichere Spritzenabwurfstellen, um die Sicherheit in öffentlichen Parks und auf Spielplätzen zu erhöhen. Wir bekämpfen gleichzeitig den Drogenhandel vor Ort und auf der Ebene der organisierten Kriminalität.”
“Wir verstärken den Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Clankriminalität. Die Delikte der Organisierten Kriminalität reichen von Mord und Raub über Wirtschaftskriminalität, Steuervergehen, Schutzgelderpressung bis zu organisiertem Drogen- und Waffenhandel, Menschenhandel und Zwangsprostitution. Organisierte Kriminalität untergräbt die Grundwerte unserer Gesellschaft und muss daher entschieden bekämpft werden.”
Antworten auf Wahlprüfsteine
Auf die Frage nach einer Legalisierung antwortet die SPD ausführlich nebulös mit „Kulturwandel“, spricht von „Entkriminalisierung“ und sagt dann doch, was im Wahlprogramm fehlt: dass sie eine eine rechtliche Grundlage für eine staatlich kontrollierte Produktion und Abgabe wolle, also Legalisierung. Eigenanbau wird dabei explizit ausgeschlossen. Genau wie ihre momentanen Koalitionspartner sprechen sich die Sozialdemokraten dafür aus, Drug-Checking und das Berliner Cannabis-Modellprojekt weiter zu verfolgen. Sie wollen außerdem, dass der Besitz kleiner Mengen Cannabis nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden soll, sehen dafür aber die Bundesebene verantwortlich. Eine Änderung der Regelung zur geringen Menge in Berlin planen sie also nicht. Die SPD befürwortet eine Gleichbehandlung von Cannabis- und Alkoholkonsumenten im Straßenverkehr und sieht keine Notwendigkeit für Meldung von Besitzdelikten ohne Verkehrsbezug an die Führerscheinstellen. Konkret angekündigt werden allerdings stattdessen der Ausbau von Drogenkonsumräumen, Spritzentausch etc.
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Frage 1
Menschen werden trotz des Urteils des BVerfG von 1994 immer noch wegen des Besitzes geringer Mengen Cannabis strafrechtlich verfolgt. Wie stehen Sie zur aktuellen Verordnung zur Anwendung der “Geringen Menge” nach §31a BtMG und planen Sie Änderungen?
Antwort
Die Berliner SPD steht für eine progressive Cannabispolitik, die Gesundheitsschutz, Jugendschutz und Entkriminalisierung in Einklang bringen will. Wie Alkohol ist auch Cannabis eine gesellschaftliche Realität, mit der wir einen adäquaten gesundheitspolitischen Umgang finden müssen. Verbote und Kriminalisierung haben den Konsum nicht gesenkt, sie stehen einer effektiven Suchtprävention entgegen und binden enorme Ressourcen bei Justiz und Polizei. Auch auf Bundesebene werden wir deshalb bundeseinheitlich regeln, dass der Besitz kleiner Mengen von Cannabis strafrechtlich nicht mehr verfolgt wird. Dies kann nur durch eine Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) erreicht werden.
Frage 2:
Nach §3 Abs. 2. BtMG kann eine Kommune oder ein Land eine Ausnahmegenehmigung für eine legale Abgabe von Cannabis beantragen, wenn dies im wissenschaftlichen oder öffentlichen Interesse liegt. Wie stehen Sie zu einem Modellversuch für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene?
Antwort
Die Berliner SPD setzt sich weiterhin für die Durchführung eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojekts zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene ein. So die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen dafür noch fehlen, setzt sich die SPD Berlin dafür ein, dass solche Pilotprojekte gesetzlich abgesichert werden.
Frage 3
Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von Substanzen wie Cannabis, z.B. auf Verunreinigungen durch synthetische Cannabinoide?
Antwort
Maßgeblich für unseren Umgang mit Drogenkonsum bleibt weiterhin der Gesundheitsschutz und der Schutz von Konsumierenden in Berlin. Angesichts der zahlreichen toxischen Synthesenebenprodukte und unerwarteten Wirkstoffe, die viele der Substanzen im unkontrollierten illegalen Handel enthalten, halten wir eine Qualitätskontrolle (Drug-Checking) psychoaktiver Substanzen weiterhin für notwendig. Deshalb hat der Berliner Senat unter Führung der SPD das Projekt „Drug-Checking Berlin“ als wichtige Maßnahme zur Reduzierung von gesundheitlichen Risiken des Drogenkonsums ins Leben gerufen. In erster Linie geht es um die Untersuchung von sogenannten Partydrogen z.B. bei Großveranstaltungen und/oder in Clubs. Vor diesem Hintergrund wurde das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin Berlin (GerMed) mit der Durchführung der Substanzanalysen im Januar 2021 beauftragt. Wir gehen davon aus, dass das Stellenbesetzungsverfahren des GerMed im Laufe des Jahres 2021 abgeschlossen sein wird. Als Berliner SPD stellen wir in unserem Wahlprogramm klar: Wir werden das Drug-Checking weiterführen und verstetigen.
Frage 4
Cannabiskonsumenten werden sowohl bei der Definition einer Rauschfahrt (THC Grenzwert) als auch bei der Überprüfung der Fahreignung (z.B. MPU-Anordnung) benachteiligt. Setzen Sie sich für eine Gleichbehandlung von Cannabis- und Alkoholkonsumenten im Straßenverkehr ein?
Antwort
Mit der Entkriminalisierung vom Besitz kleiner Mengen von Cannabis müssen wir auch einen angemessenen Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr finden. Maßgeblich ist die Fähigkeit zur sicheren Teilnahme am Straßenverkehr. Deswegen soll die Gleichbehandlung von Cannabis- und Alkoholkonsumenten möglich sein.
Frage 5
Der reine Besitz von Cannabis – ohne einen Bezug zum Straßenverkehr – wird regelmäßig von der Polizei an die Führerscheinstellen gemeldet. Wollen Sie an dieser Praxis festhalten?
Antwort
Wir wollen, dass der Besitz kleiner Mengen von Cannabis strafrechtlich nicht mehr verfolgt wird. Es besteht also auch keine Notwendigkeit, dass der Besitz kleiner Mengen von Cannabis – ohne einen Bezug zum Straßenverkehr – den Führerscheinstellen gemeldet werden soll.
Frage 6
Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode? (Bitte listen Sie Anträge, Anfragen etc. konkret und mit Link auf, damit wir Ihre parlamentarische Arbeit besser einschätzen können!)
Antwort
Schriftliche Anfragen:
▪ Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Kohlmeier vom 28. Januar 2019: Wie viel, wo und
was – Drogen in Justizvollzugsanstalten? (Drucksache 18 / 17 681).
▪ Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Kohlmeier (SPD) vom 04. Dezember 2017: Knast
oder Therapie? Nutzt Berlin die Möglichkeiten des § 35 BtMG? (Drucksache 18 / 12 932).
▪ Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 14. März 2017:
Problem-Kiez Bahnhof Neukölln – Was unternimmt der Senat gegen Drogen, Kriminalität und
unsichere Ecken? (Drucksache 18 / 10 763)
Projekte:
▪ Das Cannabis Modell-Projekt für Berlin: Gemeinsam mit den Koalitionsparteien haben wir
Berliner Sozialdemokrat:innen den Entschließungsantrag der Länder Bremen und Thüringen
im Bundesrat zur Möglichkeit wissenschaftlich begleiteter Versuchsprojekte mit kontrollierter
Abgabe von Cannabis unterstützt. Solche wissenschaftlich begleiteten Projekte sollen
Aufschluss darüber geben, wie sich die Freisetzung von Cannabis auf den Drogenkonsum
auswirkt. Dazu soll das Betäubungsmittelgesetz, ein Bundesgesetz, geändert werden. Dieses
Gesetz verbietet derzeit Cannabis außer zur medizinischen Anwendung. Die Anträge beim
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Modellversuche zur
Cannabisabgabe waren bisher erfolglos. Die Berliner SPD ist weiterhin entschlossen das
Cannabis-Modellprojekt durchsetzen – dies machen wir nun auch im Klageweg geltend. Das
Land Berlin hat deshalb das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
verklagt. Das Urteil ist noch ausstehend.
▪ Das Projekt „Drug-Checking Berlin“ haben wir in dieser Legislaturperiode als wichtige
Maßnahme zur Reduzierung von gesundheitlichen Risiken des Drogenkonsums auf den Weg
gebracht und das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin Berlin (GerMed) mit der
Durchführung der Substanzanalysen beauftragt. Zum Schutz der Berliner:innen werden wir
diesen Weg weitergehen und das Drug-Checking in Berlin verstetigen.
Frage 7
Welche Initiativen planen Sie in der nächsten Legislaturperiode?
Antwort
Neben dem zuvor erwähnten Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene werden wir unser Drug-Checking-Projekt für Berlin weiter ausbauen. Um die Sicherheit in öffentlichen Räumen zu erhöhen, werden wir die Drogenkonsumräume ausbauen und für sichere Spritzenabwurfstellen sorgen. Darüber hinaus werden wir die Vergabe sauberer Konsummaterialien und wirksame Maßnahmen zur Suchthilfe, auch in Haftanstalten, weiterentwickeln.
Frage 8
Sind Sie fürr die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene und wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen? Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zur Legalisierung des privaten Eigenanbaus?
Antwort
Wir Sozialdemokrat:innen treten für einen Kulturwandel in Sachen Cannabis ein. Es gilt den in weiten Teilen der Gesellschaft bereits praktizierten unverkrampften Umgang aufzugreifen und mit konkreten fördernden ordnungspolitischen Maßnahmen zu begleiten. Ob nun bei der Frage des Umgangs mit Cannabis als Genussmittel in der Gesellschaft bzw. die Umsetzung von Modellprojekten oder mit Blick auf die Bereitschaft der Ärzt:innenschaft zur Verschreibung von Medizinalcannabis an Patient:innen: Wir werben weiter aktiv für jenen Kulturwandel. Hierzu wollen wir eine rechtliche Grundlage für eine staatlich kontrollierte Produktion und Abgabe von Cannabisprodukten an Erwachsene und deren legalen Besitz, die den Anforderungen des Gesundheits-, Verbraucher- und Jugendschutzes in Bezug auf Produktion und Vertrieb Rechnung trägt. Eine Legalisierung des privaten Eigenanbaus streben wir nach derzeitigem Stand nicht an.
Bisherige parlamentarische Aktivität
Seitens der SPD gab es im Berliner Parlament einige schriftliche Anfragen in Bezug auf Drogenkriminalität, deren Datenerfassung und sinnvolle Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen in besonders problematischen, kriminellen Umfeldern wie Justizvollzugsanstalten, dem Bahnhof Neukölln oder Hakenfelde.
Die beiden großen drogenpolitischen Projekte der Koalition, Drug-Checking und das Cannabis-Modellprojekt inklusive Klage gegen die Ablehnung, hat die SPD zumindest mitgetragen. Die Umsetzung des Drug-Checkings ging allerdings im SPD-geführten Gesundheitsressort nur schleppend voran, bisher wurde noch keine Probe analysiert.
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Wieviel, wo und was – Drogen in Justizvollzugsanstalten, Schriftliche Anfrage Sven Kohlmeier (SPD), Drucksache 18/17681 vom 28.01.2019Problem-Kiez Bahnhof Neukölln – Was unternimmt der Senat gegen Drogen, Kriminalität und unsichere Ecken? Schriftliche Anfrage Joschka Langenbrinck (SPD) Drucksache 18/10763 vom 14.03.2017
Drogenkriminalität und Präventionsmaßnahmen für Jugendliche im Falkenhagener Feld und Hakenfelde, Schriftliche Anfrage Bettina Domer (SPD), Drucksache 18/12441 vom 25.09.2017
Die SPD bekennt sich zum Modellprojekt für eine regulierte Abgabe von Cannabis und trägt auch den derzeit beschrittenen Klageweg gegen die Ablehnung mit. Eigenanbau will sie nicht erlauben. Einer Angleichung beim Thema Fahrerlaubnis stimmt sie auf Nachfrage zu. Auch eine Zustimmung zur Legalisierung, also einem regulierten Handel mit Cannabis, kommt erst auf Anfrage und dick verpackt in Kulturwandel-Prosa. Drug-Checking wird im Rahmen von Prävention und Jugendschutz als wichtige Maßnahme gesehen und soll weiter verfolgt werden. Zudem sollen Drogenkonsumräume ausgebaut werden. Das Wahlprogramm lässt noch einige Fragen zu drogenpolitischen Themen offen. Damit ist die Berliner SPD drogenpolitisch zwar nicht unbedingt progressiv, aber immerhin liberaler und somit eine bessere Wahloption als die CDU, die einen rein repressiven drogenpolitischen Kurs verfolgt.