„Vielen Konsumenten bleibt nur der Schwarzmarkt“

Der Focus sprach mit DHV-Geschäftsführer Georg Wurth über den Zwischenbericht zur Evaluation des CanG und die allgemeine Situation von Anbauvereinen und Konsumenten in Deutschland.

Georg Wurth reist in diesen Tagen viel durch Deutschland und besucht die Clubs vor Ort. Im Gespräch erzählt er, was für Herausforderungen die Vereine haben – und wo die Regierung bei der Gesetzgebung nachbessern sollte.

Ein Team von Wissenschaftlern hat heute einen ersten Bericht zur Evaluierung der Cannabislegalisierung vorgestellt. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?

Die Union hat ständig gefordert, nach der Evaluierung im Herbst das Gesetz zurückdrehen zu wollen. Deshalb sind wir erleichtert, dass wir es nun schwarz auf weiß haben: Das Cannabisgesetz hatte bisher keine wesentlichen negativen Auswirkungen.

Wie aussagekräftig sind diese Zahlen? Cannabis ist in Deutschland schließlich erst seit etwas über einem Jahr legal. 

Was heute vorgestellt wurde, ist nur ein erster Zwischenbericht. Es ist wichtig, das so zu betonen. Es ist zu früh, darauf eine wesentliche grundsätzliche Debatte aufzubauen. Es fehlen einfach noch zu viele Daten. Zum Beispiel in der Polizeistatistik. Die Zahlen von 2024 sind unsauber, weil Cannabis ja erst am ersten April legal wurde. Vernünftige Ergebnisse liefert also erst die Polizeiliche Kriminalstatistik von 2025. 

Dann hätte man sich diesen Bericht auch einfach sparen können? 

Er wird vorgelegt, weil das gesetzlich so vorgeschrieben ist. Aber ja, es bleibt ein vorläufiger Bericht, der keine Rückschlüsse über langfristige Entwicklungen zulässt. So eine Evaluation ist aber nun mal ein laufender Prozess. Es kann schon Sinn ergeben, einen ersten Impuls zu setzen. Ich gehe davon aus, dass dieser Bericht die Debatte eher beruhigt, als beschleunigt.

Ein Ziel der Cannabislegalisierung war die Bekämpfung des Schwarzmarktes. Das hat – zumindest den Zahlen zufolge – offenbar nicht funktioniert. Was läuft falsch? 

Das große Problem ist, dass wir mit dem Gesetz zwar die Konsumenten entkriminalisiert haben, aber gleichzeitig keinen legalen Zugang geschaffen haben. Die Anbauvereine sind wegen bürokratischer Hürden bisher kaum verbreitet. Viele Konsumenten haben nicht die Möglichkeit, selbst anzubauen. Dann bleibt nur der Schwarzmarkt – oder die Apotheke. Ich bin mir übrigens sicher, dass der Eigenanbau dem Schwarzmarkt trotzdem erheblichen Umsatz entzogen hat. Das ist ein großer Faktor, auch wenn er laut Bericht nicht konkret quantifizierbar ist. Es fehlen Fachgeschäfte. Die Bundesregierung muss möglichst schnell Modellprojekte genehmigen. Ich befürchte aber, dass das mit einer CDU-geführten Regierung schwierig wird. 

Gibt es denn Anträge für Modellprojekte?

Jede Menge, von Städten wie Frankfurt, Wiesbaden, Hannover, Berlin. Alle wollen räumlich und zeitlich begrenzt die Abgabe von Cannabis an Genussmittelkonsumenten ausprobieren, mit Kooperationspartnern aus der Wirtschaft und der Unis jeweils vor.

Das klingt so, als sehen sie beim Cannabis-Gesetz noch einiges an Änderungsbedarf. 

Ja, natürlich. Ein Beispiel ist die Obergrenze von 50 Gramm Cannabisbesitz zu Hause bei gleichzeitigem erlaubten Anbau von drei Pflanzen. Das ist viel zu wenig. So können die meisten Konsumenten nicht sinnvoll Ernte lagern und müssen viel von dem, was sie liebevoll produziert haben, wegschmeißen. 

Wie ist das denn in anderen Ländern geregelt? 

In Nordamerika gibt es häufig gar keine Besitzgrenzen, oder wenn dann von mindestens 600 Gramm. 50 Gramm ist auch internationale ein sehr geringer Wert. 

Wie nehmen sie den neuen Drogenbeauftragten Hendrik Streeck bei dem Thema wahr? 

Ambivalent. Er geht die Sache als Wissenschaftler an. Er wird allerdings auch geprägt von seinen Parteikollegen. Zu welchem Ergebnis er am Ende kommt ist noch ein bisschen unklar. 

Gesundheitsministern Nina Warken möchte die Verordnung von medizinischem Cannabis einschränken. Sie spricht von „bedenklichen Tendenzen“. Braucht es eine Neuregelung? 

Wer es bedenklich findet, wenn sich gesunde Konsumenten sauberes Cannabis aus der Apotheke anstatt vom Schwarzmarkt besorgen, der sollte nicht die Bedingungen für Patienten verschlechtern, sondern für andere legale Bezugsmöglichkeiten sorgen. Neben Fachgeschäften wäre es zum Beispiel sinnvoll, wenn man vom Eigenanbau etwas verschenken dürfte.

Natürlich kann man darüber diskutieren, wie viele von den Menschen, die medizinisches Cannabis erhalten, echte Patienten sind. Aber fest steht doch auch: Wer Cannabis über die Apotheke bekommt, der muss nicht auf den Schwarzmarkt gehen. Diese 100 Tonnen Medizinalcannabis wurden dem Schwarzmarkt weggenommen.

Welche Rolle spielen Cannabis Clubs bei der Bekämpfung des Schwarzmarktes? 

Die kommen jetzt erst so langsam in Fahrt. Dann werden sie dem Schwarzmarkt sicher auch noch weitere Prozente abknabbern.

In allen Bundesländern in Deutschland bauen Vereine Cannabis an – nur in Bayern finden die Clubs keinen Standort dafür.

Dann haben sich Anbauvereinigungen inzwischen etabliert? 

Na ja, wir haben etwas über 300 genehmigte Anbauvereinigungen mittlerweile. Das ist nicht schlecht. Die Bundesregierung hat viel größere Zahlen prognostiziert, aber das fand ich immer schon zu optimistisch. Schließlich dürfen Vereine nicht kommerziell sein und die Auflagen sind dramatisch, teilweise unsinnig und furchtbar überbürokratisiert. 

Außerdem haben viele Vereine Probleme Mitglieder zu finden, weil sie ein Werbeverbot haben. In manchen Bundesländern dürfen Clubs nicht einmal ein Social-Media-Account betreiben. Die durchschnittliche Abgabe an die Konsumenten liegt derzeit auch nicht bei 50 Gramm im Monat, sondern unter 20. Das verringert natürlich den Einfluss auf den Schwarzmarkt. 

Wie funktionieren Anbauvereinigungen denn tatsächlich in der Praxis?

Die meisten Clubs haben sich Räumlichkeiten als Anbaufläche gemietet. Einzelne Vereine bauen aber auch Outdoor an, oder zumindest im Gewächshaus. Manche kaufen ein Gebäude. Es gibt auch Investoren, die Clubs einen solchen Start ermöglichen. Oft wird an einem Ort angebaut, und an einem anderen Ort Cannabis an die Mitglieder ausgegeben. Auch das ist aufwändig für Vereine. Aber sie dürfen Cannabis nicht versenden, so wie das Apotheken machen. Es gibt viele strukturelle Nachteile für Clubs, die gehören abgebaut. 

Haben die Anbauvereinigungen keine Angst, dass sie nun viel Geld investieren und die Union nächstes Jahr die Cannabislegalisierung wieder zurückdreht? 

Ich halte das für einen Mythos. Diese Forderungen waren doch Wahlkampfgetöse. In der Realität geht es um kleine Anpassungen bei den Höchstmengen oder beim Führerschein Grenzwert. Außerdem haben die Clubs eine Betriebsgenehmigung für sieben Jahren. Die kann nicht einfach weggenommen werden. Ansonsten müssten die Vereinigungen finanziell entschädigt werden. 

In welchem Bundesland klappt es denn gut mit den Anbauvereinigungen? Und wo klappt es nicht? 

Die größten Gegensätze sind Niedersachsen und Bayern. Niedersachsen war von Anfang an sehr positiv gegenüber Anbauvereinigungen aufgestellt. Sie setzten das Gesetz sehr proaktiv um. Dort wurde deutschlandweit der erste Club genehmigt, nach nur acht Tagen. Die Regierung dort hat verstanden, dass diese Clubs den Schwarzmarkt verdrängen und deswegen erwünscht sind. 

Und Bayern? 

Die haben von Anfang an gesagt, wir wollen das maximal restriktiv auslegen. Sie waren gemeinsam mit dem Saarland die letzten, die Vereine genehmigt haben. Und auch jetzt wird dort noch immer nicht angebaut. In ganz Bayern wird nämlich vorgeschrieben, dass der Anbau nur in Gewerbegebieten stattfinden darf, die eine Sondernutzung für Cannabis vorsehen. Die gibt es aber natürlich nirgendwo. Dadurch kann nun jede Kommunen ein Veto einlegen. Bayern ist außerdem das einzige Land, was mit einem eigenen Gesetz versucht, die Auswirkungen des Cannabis-Gesetzes wieder einzuschränken. Markus Söder hat in Bayern Gesetze beschlossen, die Cannabiskonsum weiter einschränken.

Wie das? 

Es gibt dort ein Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz, es verbietet zum Beispiel den Cannabiskonsum grundsätzlich in Gaststätten, bei Volksfesten und anderen öffentlichen Veranstaltungen. In jedem anderen Bundesland können Gastwirte über ihr Hausrecht selbst entscheiden, ob sie den Konsum verbieten wollen oder nicht. Dann gibt es die Bayerische Parkverordnung, mit der der Konsum in bestimmten Parks, besonders in München verboten worden ist. 

Dagegen klagen wir gerade, denn wir finden, dass Bayern damit über den Ermessensspielraum hinausgeht, den ihnen das Cannabis-Gesetz gibt. Die Landesregierung hat nicht das Recht, eigene Verbote auf die Bundesgesetzgebung obendrauf zu setzen. 

Wie hoch schätzen sie die Chance auf Erfolg? 

Wir hatten schon eine positive Eilentscheidung. Zumindest im nördlichen Teil des Englischen Gartens ist der Konsum wieder erlaubt. Das Hauptsacheverfahren läuft gerade noch. Wir sind gespannt, wie das weitergeht. 

Wann erwarten Sie eine Entscheidung?

Ich hoffe, dass ein Urteil in der untersten Instanz in diesem Jahr noch kommt. Vermutlich wird Bayern dagegen Widerspruch einlegen, dann geht es weiter. Wir sind bereit fürs Bundesverfassungsgericht.