Radiointerview mit dem ORF

Hören Sie einen Auszug aus der Ö1 Sendung “Radiokolleg” zum Thema “Cannabis sativa. Kulturpflanze, Droge und Heilmittel (Teil 3)” mit einem Interview mit Georg Wurth vom Mittwoch, 20. Jänner 2010, 09.30 Uhr in oe1.ORF.at.

Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes, zu den Folgen der Prohibition

Georg Wurth: Was wir in Deutschland jetzt ganz massiv haben, sind Streckmittel im Cannabis, d. h. die Dealer tun immer mehr merkwürdige Sachen ins Gras rein, um es schwerer zu bekommen und dadurch die Gewinnmargen massiv zu erhöhen und das sind die verschiedensten Dinge: Da kann Zucker mit drin sein, feingeriebene Mineralien, also Steine, Salz, bestimmte Lösungen, die extra dafür überhaupt hergestellt werden, um das Gewicht zu erhöhen, Glassplitter hatten wir schon und das Schlimmste was bisher aufgetaucht ist, war Blei. Da hatten wir mal einen Schwerpunkt in Leipzig, wo scheinbar mehrere Kilo bleigestrecktes Marihuana unterwegs waren und die größte Bleivergiftungsepidemie seit dem 2. Weltkrieg, die wir in Deutschland hatten, auslöste. Da sind also auch einige Leute auf der Intensivstation gelandet und einige Leute, die jetzt jahrzehntelang Medikamente nehmen müssen, um das Blei wieder aus ihrem Körper rauszukriegen, ist also kein Spaß mehr, die ganze Geschichte.

Moderatorin: Verunreinigungen mit Streckmitteln kommen bei allen illegalen Drogen häufig vor. Die illegalen Substanzen gehen auf ihrem Weg vom Hersteller zum Konsumenten durch viele Hände. Jeder Zwischenhändler versucht, seinen Gewinn durch Preisaufschläge aufzubessern. Die Substanz mit billigen Gewichtsträgern schwerer zu machen, bringt zusätzlichen Gewinn, ist aber für die Konsumenten in höchstem Maße gefährlich, wie an der Verunreinigung mit Blei deutlich sichtbar wird.

Georg Wurth: Ich gehe auch davon aus, dass das eine tickende Zeitbombe ist und wir in ein paar Jahren viele Lungenschäden in den Kliniken sehen werden, die darauf zurückzuführen sind. Also ein Problem, dass eigentlich nur durch die Prohibition entsteht und nicht durch den Cannabiskonsum an sich, der natürlich auch nicht völlig unproblematisch und ungefährlich ist und einem gewissen Prozentsatz der Konsumenten Probleme bereitet, indem sie z. B. psychisch abhängig werden, ihre Schule, Ausbildung vernachlässigen. Das ist aber eben nur ein relativ kleiner Teil der Konsumenten, auf jeden Fall weniger als 10%. Von den Streckmitteln und der Strafverfolgung sind aber alle betroffen und über 90% der Cannabiskonsumenten sind nur dadurch betroffen und nicht von irgendwelchen anderen Problemen des Cannabiskonsums.

Moderatorin: Die Legalisierung von Cannabis ist in vielen Ländern Europas und der USA ein Thema. Das Fehlen einer Qualitätskontrolle ist bei illegalen Drogen immer das größte Risiko. Doch auch das Erlernen eines vernünftigen Umgangs mit einer Droge ist fast unmöglich, wenn sie illegal ist. Während Jugendliche den Umgang mit Alkohol durch das Vorbild der Erwachsenen und eigenen Erfahrungen, über die sie auch sprechen dürfen, erlernen können, müssen sie über ihre Erfahrungen mit illegalen Drogen schweigen, um nicht erwischt zu werden. Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Risiko ist, dass Haschisch und Marihuana als Einstiegsdrogen gelten. Wer sie konsumieren will, muss sich in das kriminelle Milieu der Drogendealer begeben, wo er über kurz oder lang auch mit gefährlicheren und hochgradig suchterregenden Substanzen in Berührung kommt. Georg Wurth versucht daher im Rahmen des Deutschen Hanfverbandes auf vielfältige Weise ein Umdenken in der Politik herbeizuführen.

Georg Wurth: Der Deutsche Hanfverband ist die einzige hauptamtliche Legalisierungsorganisation, also professionelle Legalisierungsorganisation in Deutschland. Das hat verschiedene Zielrichtungen: Einmal gehen wir direkt zu den Politikern, arbeiten mit denen zusammen, die aufgeschlossen sind, auch an parlamentarischen Initiativen, ganz konkret z. B. an kleinen Anfragen und auch der Informationsfluss funktioniert ganz gut zwischen denen und uns, wir befruchten uns da gegenseitig. Auch die Öffentlichkeitsarbeit spielt natürlich eine große Rolle Richtung Presse oder auch bei Infoständen mit kleineren Aktionen, womit man halt Aufmerksamkeit erregt, also das ganze Spektrum der Meinungs- und Öffentlichkeitsarbeit gehört dazu.