Kiffer-Ratgeber

Focus Online beschäftigte sich im Juni mit dem Buch “Rauschzeichen- Cannabis: Alles was man wissen muss”, das Ende Mai erschien. Im Interview erklärt Georg Wurth, warum Rauschzeichen mehr als ein Kiffer-Ratgeber ist, ob Cannabis gefährlich ist und was “seine” Hanfpflanzen mit Stephan Raabs Charthit zu tun haben.

Gebt das Hanf frei

Für den Hanf-Lobbyisten Georg Wurth ist die Strafverfolgung die gefährlichste Nebenwirkung des Cannabis-Konsums. Mit dem Kiffer-Ratgeber “Rauschzeichen” will der 35-jährige ehemalige Grünen-Politiker aufklären.

Focus Online: Herr Wurth, Sie haben ein Buch über Cannabis geschrieben und bekennen sich im Vorwort dazu, regelmäßig zu kiffen. Haben Sie keine Angst, dass ein übereifriger Staatsanwalt das Buch in die Hände bekommt?

Georg Wurth: Ich kiffe nicht regelmäßig, da haben Sie nicht genau gelesen. Wir bekennen uns dazu, “in unserem Leben praktische Erfahrungen mit Cannabis gesammelt” zu haben. Das ist ein wichtiger Unterschied. Konsumerfahrung allein rechtfertigt keine Strafverfolgung. In Deutschland gibt es über zwölf Millionen Menschen, die Cannabis zumindest ausprobiert haben. Wir rufen auch zu nichts anderem auf, als über den Sinn des Cannabisverbotes nachzudenken. Darüber hinaus haben wir uns an Fakten gehalten und versucht, den Menschen das Phänomen Cannabiskonsum ohne Beschönigung oder Verteufelung näher zu bringen.

Focus Online: Beim Umgang mit der Justiz haben Sie in der Vergangenheit keine Scheu gezeigt und sich selbst wegen Drogenbesitzes angezeigt. Ihre Klage ging bis zum Bundesverfassungsgericht. Würden Sie so eine Aktion wieder machen?

Wurth: Dann müsste ich mir erstmal etwas Hasch besorgen … Aber nein, zweimal die gleiche Aktion ist ja langweilig.

Focus Online: Kann man Ihr Buch als Kiffer-Ratgeber bezeichnen?

Wurth: In mancher Hinsicht vielleicht schon. Kiffer, die ihren eigenen Konsum kritisch hinterfragen wollen, dürften sich für die Darstellung der Risiken und Nebenwirkungen interessieren oder für die Ausführungen dazu, ab wann ein problematischer Konsum vorliegen könnte und was man dann tun kann. Kiffer, die sich staatlich verfolgt fühlen, werden sich für das Kapitel zur Legalisierung interessieren. Auch die Kapitel zur Geschichte und zu den sonstigen Anwendungen des Hanfes dürften für Konsumenten noch die eine oder andere Neuigkeit enthalten. Aber wir haben das Buch ganz bewusst auch für diejenigen geschrieben, die gar keine Ahnung von Cannabis haben und sich zwischen drastischen staatlichen Warnungen und den Beteuerungen junger Leute zurecht finden wollen. Angehörige oder Freunde, die wissen wollen, was in einem jungen Kiffer vorgeht, sind mit dem Buch gut bedient. Ich wünsche mir, dass viele junge Leute ihren Eltern das Buch schenken, um für die üblichen Diskussionen erst einmal eine Grundlage zu schaffen.

Focus Online: Sie werben für die Legalisierung von Haschisch und Marihuana. Wollen Sie bestreiten, dass diese Drogen gesundheitsschädlich sind?

Wurth: Nein, selbstverständlich nicht. Jede Droge hat ihre Risiken, insbesondere Rauchen ist nie gesund. Darum geht es bei der Legalisierungsfrage aber auch gar nicht, sonst wären Alkohol und Tabak längst verboten. Die Frage ist eher, ob das Verbot überhaupt eine positive Wirkung hat, also problematischen Cannabiskonsum verringert, und welche ungewollten schädlichen Nebenwirkungen die Strafverfolgung entfaltet. Bei dieser Abwägung kommen wir zu einem klaren Ergebnis: Die schlimmste Nebenwirkung ist die Strafverfolgung.

Focus Online: Was ist mit dem Argument “Einstiegsdroge”? Wer mit “weichen Drogen” anfängt, greift auch leichter zu härterem Stoff?

Wurth: Die Fachwelt ist sich mittlerweile weitgehend einig, dass Cannabis keine Einstiegsdroge ist. Nur sehr wenige Kiffer geraten in eine Drogenkarriere mit weiteren Substanzen. Die meisten Konsumenten sogenannter harter Drogen haben zwar vorher Cannabis probiert. Das gilt aber noch mehr für Alkohol und Tabak. Im Vergleich zu diesen Drogen hat Cannabis keine besondere Schrittmacherfunktion auf dem Weg zu “härterem Stoff”.

Inspiration für Stefan Raab

Focus Online: Die Drogenbeauftragte Bätzing warnt vor einer Verharmlosung von Cannabis, das zu Angststörungen und Wahnvorstellungen führen und abhängig machen könne.

Wurth: So einseitig und übertrieben wie Frau Bätzing das betreibt, ist es eher Panikmache. Verharmlosen mag ich Cannabis auch nicht, der Konsum kann in manchen Fällen tatsächlich dramatische Folgen haben. Aber was heißt schon Verharmlosung? Viele halten es schon für eine Verharmlosung von Cannabis, wenn man feststellt, dass Alkohol schlimmere Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Gesundheit des Einzelnen haben kann. Das ist aber eine Tatsache und bedeutet nicht, dass Cannabis deshalb harmlos ist.

Focus Online: Sie haben zwei kleine Töchter, die mit kiffenden Eltern aufwachsen. Haben Sie keine Sorge, dass Ihre Kinder zu Drogenkonsumenten werden? Es soll ja schon reihenweise kiffende Zwölfjährige geben, die aufgrund des Drogenkonsums “null Bock auf Schule” haben.

Wurth: Meine Töchter wachsen nicht mit kiffenden Eltern auf. Natürlich würde ich mir Sorgen machen, wenn meine Kinder mit zwölf anfangen würden zu kiffen. Eltern, denen das widerfährt, sollten sich Gedanken über die Ursachen machen – und vielleicht mal in unser Buch schauen.

Focus Online: Als Chef des “Deutschen Hanfverbandes” betreiben Sie in Berlin Lobbyarbeit für die Legalisierung. Wie reagiert die Politik auf Ihre Forderungen?

Wurth: Grüne und Linke sehen das Verbot von Cannabis im Prinzip als gescheitert an. Die anderen Parteien sind da zurückhaltender und stützen das System der Verfolgung von vier Millionen aktuellen Konsumenten noch. Ich habe den Eindruck, dass Politiker, die die Prohibition befürworten, ihre Meinung eher auf Emotionen stützen als auf rationale Argumente. Übrigens gehen wir in dem Buch auch auf die Haltung von Parteien und Regierung zur Cannabisfrage ausführlich ein.

Focus Online: War es schwer, einen Verlag zu finden für ein Buch, das Werbung für illegale Drogen macht?

Wurth: Im Gegensatz zu vielen anderen Werken verschweigt “Rauschzeichen” nicht, welche Wirkungen von den Konsumenten als angenehm beschrieben werden. Aber auch die möglichen negativen Wirkungen kommen umfassend und objektiv zur Geltung. Wir machen keine Werbung für Drogen und rufen niemanden zum Konsum auf. Der Verlag ist von sich aus auf uns zugekommen, weil er der Meinung war, dass ein umfassendes Sachbuch zu Cannabis auf dem deutschen Markt fehlt.

Focus Online: Stimmt es eigentlich, dass der Stefan-Raab-Song “Gebt das Hanf frei” aufgrund von Ihren Hanfpflanzen entstanden ist?

Wurth: Ja. Wir hatten zur Hanfparade 2002 einige Nutzhanfpflanzen, die übrigens für einen Rausch nicht geeignet sind, als Dekomaterial zu Hanfparade gebracht, direkt vom brandenburger Feld mit offizieller Rechnung. Die Polizei hat die Pflanzen dennoch beschlagnahmt, so dass wir Christian Ströbele in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt um Hilfe baten. In seiner späteren Rede auf der Bühne rief er dann: “Gebt das Hanf frei!” und meinte damit meine Pflanzen, die immer noch im Polizeiauto gefangen waren. Daraus hat Raab dann den Song gemacht. Artikel auf Focus Online vom 12.06.2008 “Kiffer-Ratgeber: Gebt das Hanf frei