Keine Rauchzeichen aus Berlin

Das Neue Deutschland ging in seiner Ausgabe vom 17.09.2005 der Frage nach, welche Erfolge die Rot-Grüne-Bundesregierung nach 7 Jahren Amtszeit in der Drogenpolitik vorzuweisen hat. Eine Quelle der Recherchen des Autors Tom Strohschneider, waren die Wahlprüfsteine Cannabis, die der DHV kurz zuvor veröffentlicht hatte.

Drogenpolitik: Rot-Grün ließ vor allem Studien produzieren / Experten fürchten Union

Wer Hoffnungen auf eine liberalere Drogenpolitik setzt, wird auch nach sieben Jahren Rot-Grün eher enttäuscht sein. Vor allem in Sachen Cannabis sind gute Vorsätze der Schröder-Regierung folgenlos verraucht. Ob sich in Zukunft etwas im Umgang mit den Konsumenten ändert, bleibt abzuwarten: Im Wahlkampf spielte die Drogenpolitik jedenfalls kaum eine Rolle.

Man wolle, hieß es im zweiten Koalitionsvertrag von SPD und Grünen im Jahr 2002 optimistisch, die “erfolgreiche Sucht- und Drogenpolitik” der ersten Legislaturperiode fortsetzen. Worin genau die Erfolge dieser Politik liegen könnten, blieb freilich umstritten.

Durchaus Anerkennung bei Befürwortern einer liberalen Politik fand der rot-grüne Kurs beim Thema harte Drogen, etwa durch die Ermöglichung von Konsumräumen und Modellprojekten zur Heroinvergabe. Anders sieht es dagegen in Sachen Cannabis aus: Hatten sich die Grünen gegenüber ihrem Koalitionspartner schon nicht mit weitergehenden Forderungen nach einer Legalisierung des Konsums oder gar der “Abgabe” durchsetzen können, blieben die gemeinsamen Ziele unter der Federführung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marion Caspers Merk (SPD), unerfüllt. Vor allem in den Bereichen “geringe Menge” und “Cannabis als Medizin” habe das SPD-geführte Kabinett keinen Handlungsbedarf gesehen, moniert der Deutsche Hanfverband – außer für Studien.

Und selbst dabei hapert’s gewaltig. Ursprünglich sollte im Herbst 2004 eine Untersuchung veröffentlicht werden, die sich mit den Regelungen zur straflosen Einstellung von Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes einer “geringen Menge” Cannabis befasst. Von Bundesland zu Bundesland gelten hier weit voneinander abweichende Regelungen. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Jahr 1994 darauf gedrängt, für eine einheitliche Einstellungspraxis zu sorgen. Geschehen ist seither nichts – was vor allem am Widerstand Bayerns lag, wo Kiffer nach wie vor am stärksten unter Repressionen zu leiden haben. Nicht einmal die Studie, fertig gestellt in diesem Frühjahr, wurde bislang veröffentlicht. Zunächst sah das zuständige Bundesgesundheitsministerium noch Erläuterungsbedarf, und inzwischen scheinen die vorgezogenen Neuwahlen jede diesbezügliche Aktivität blockiert zu haben.

Wenig anders sieht es beim Thema Cannabis als Medizin aus. Zahlreiche Schwerstkranke könnten ihre Schmerzen und Leiden mit Cannabis lindern – wer dies tatsächlich tut, gibt sich jedoch nach wie vor in die Gefahr, dafür belangt zu werden. Erst im Juli bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Verbot des Besitzes von Cannabis für medizinische Zwecke. Der Kläger hatte zuvor mehrfach vergeblich eine Sondergenehmigung bei den Behörden beantragt. Synthetisches THC, der Hauptwirkstoff von Cannabis, kann zwar inzwischen auch in Deutschland legal verschrieben werden. Solche Arzneimittel sind allerdings viel teurer als natürliches Cannabis und zahlreiche Krankenkassen verweigern die Kostenübernahme.

Grüne und Linkspartei würden diesen Zustand am ehesten ändern, werden nach Lage der Dinge in der nächsten Legislatur dazu allerdings keine eigene Gelegenheit haben. Im Wahlkampf spielte das Thema Drogenpolitik kaum eine Rolle. Sollte sich tatsächlich eine schwarz-gelbe Koalition durchsetzen, rechnen Experten mit einer Verschärfung der bestehenden Regelungen – zum Nachteil von Konsumenten und Patienten. Artikel des Neuen Deutschland vom 17.09.2005