Jagd auf Kiffer

Das Berliner Stadtmagazin Zitty machte aus der Problematik “Eigenanbau aus Angst vor Streckmitteln” sogar eine Titelstory. Wieder kam Georg Wurth zu Wort und informierte über bekannte Verunreinigungen und den Einfluss der niederländischen Cannabispolitik auf den deutschen Hanfmarkt.

Weil die Qualität auf dem Schwarzmarkt verfällt, züchten immer mehr Berliner ihr Gras zu Hause. Und geraten damit in das Visier der Drogenfahndung

Dass sich die neue Berliner Linie nicht nur gegen Profi-Banden, sondern vor allem gegen kleine Kiffer wenden könnte, die einige wenige Pflanzen zum Eigenverbrauch bei sich zu Hause züchten, befürchtet Georg Wurth vom Hanfverband. Während in Berlin die Strafverfolgung in der Regel ausbleibt, wenn ein Konsument mit bis zu 15 Gramm Haschisch oder Marihuana erwischt wird, ist der Besitz selbst eines einzigen Hanfsetzlings verboten. Und wird verfolgt, bestätigt auch Polizeisprecher Hansjörg Dräger: “Wir werden bei jeder Cannabispflanze tätig.” Auch Heimgärtner Jochen weiß um das Risiko seiner kleinen Schrankzüchtung. Er versucht deshalb in seinem Alltag möglichst nicht bei der Polizei auffällig zu werden. Er gehe nie ohne Ausweispapiere aus dem Haus, halte sich beim Autofahren stets an die vorgeschriebene Geschwindigkeit und fahre in öffentlichen Verkehrsmitteln niemals schwarz. “Alltagskriminalität kann ich mir nicht leisten”, sagt er. Den Eigenanbau hat er gestartet, weil er nicht mehr “dieses schlechte Zeugs” rauchen wollte, das man in düsteren Ecken “von Typen angeboten bekommt, von denen man nicht einmal ein Auto kaufen würde”.

“Wir haben im Marihuana nicht nur Sand, Talkum und Glassplitter entdeckt, sondern auch Plastikfetzen.” Georg Wurth, Hanfverband

Den verstärkten Trend zum Cannabis-Anbau in Deutschland beobachtet Georg Wurth vom Hanfverband schon seit einigen Jahren. Einerseits haben viele kommerzielle Hanfbauern ihre Aktivitäten von den Niederlanden, von wo das Gros des auf dem Schwarzmarkt verkauften Marihuanas kommt, nach Deutschland verlagert. Sie reagieren auf die zunehmend repressive Politik der konservativen niederländischen Regierung.

2004 hatte das Kabinett des niederländischen Ministerpräsidenten Balkenende in einem “Cannabis-Brief” angekündigt, schärfer gegen das illegale Geschäft vorzugehen. Seitdem werden die Coffeeshops stärker kontrolliert und der illegale Anbau von Hanf eingeschränkt. Mittels Hubschrauber und Wärmebildkamera wird inzwischen regelrecht Jagd auf die illegalen Plantagen gemacht.
Die Verknappung des Angebots hat laut Georg Wurth einen radikalen Verfall der Qualität nach sich gezogen. Immer mehr von dem auf dem Schwarzmarkt angebotenen Marihuana sei gestreckt. “Wir haben nicht nur Beimischungen von Sand, Talkum und Glassplittern entdeckt”, so Wurth, “sondern auch Plastikfetzen, mit denen das Gras bestäubt wurde, um es schwerer zu machen”. In der aktuellen Ausgabe des Szenemagazins “Hanfjournal” wird vor einer besonders üblen Zutat gewarnt: In einer Massenspektrometer-Analyse wurde neben Zucker und Hormonen flüssiger Kunststoff entdeckt, der die Blüte besonders hochwertig aussehen lässt. Der Hanfverband hat Offene Briefe an das Bundesgesundheitsministerium, an die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und an die drogenpolitischen Sprecher der Fraktionen formuliert, in denen er auf das Problem aufmerksam macht. Unter www.hanfverband.de kann man sich an einer Protestmail-Aktion beteiligen. Eine Reaktion seitens der Politik, so Georg Wurth, sei jedoch bisher ausgeblieben.

Anbau zum Eigenbedarf legalisieren

Nach Ansicht des Verbandssprechers ein Grund mehr, den Heimanbau von Cannabis für den Eigenbedarf zu entkriminalisieren. Nach aktuellen Befragungen wird die Zahl der Kiffer in Deutschland auf rund 1,5 Millionen beziffert. Heruntergerechnet auf Berlin wären das knapp 67.000 Personen. Die meisten besorgen sich ihren Stoff nach wie vor auf dem Schwarzmarkt, an einschlägig bekannten Orten in Berlin – illegal natürlich. Die regelmäßigen Razzien der Polizei zum Beispiel im Volkspark Hasenheide in Neukölln und im Weinbergspark in Mitte zeitigen keine langfristige Wirkung. Stattdessen hob die Polizei im Februar wieder einen Heimgärtner aus.

Diesmal erbeutete sie sage und schreibe 60 Cannabispflanzen, die man sich offenbar auch noch zu dritt geteilt hatte. “Als der 24-jährige Wohnungsinhaber öffnete, klickten bei ihm und zwei weiteren anwesenden Tätern (26 und 27 Jahre) sofort die Handschellen”, berichtete die Polizei stolz wie Bolle, als hätte sie einen Drogenring gesprengt. Am ersten Märzwochenende wurde ein 43-Jähriger in Neukölln festgenommen. Er wurde von seinem Nachbarn angezeigt, der durch den Geruch auf die Pflanzen aufmerksam wurde. Dass hier demnächst mit Kanonen auf Spatzen geschossen werden könnte, befürchtet nicht nur taz-Berlin-Chef Gereon Asmuth. In einem Kommentar empfiehlt er, die Politik solle sich “ganz entspannt zurücklehnen und den zarten Pflänzchen eine Amnestie gewähren”. Eine Amnestie für Balkon- und Kleinpflanzer wäre sicher nicht nur im Sinne der Gesundheit und der Entkriminalisierung von Kiffern, sondern würde auch dem Stadtgrün gut tun. Titelstory des Magazins Zitty 06/2007 “Jagd auf Kiffer”