Gesundheitsgefahren durch gestrecktes Gras

Weil der DHV die Bundesdrogenbeauftragte per Protestmailer dazu aufforderte, vor gestrecktem Gras zu warnen und damit eine Änderung der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums erzwang, wollte das Freie Radio “Corax” aus Halle von Georg Wurth wissen, was das Thema so brisant macht, wie man gefährliches Marihuana erkennt und welche politischen Entwicklungen in den kommenden Jahren erwartet werden dürfen.

Interview auf Radio Corax

Moderator: Was meint es denn konkret, was Sie da geschrieben haben?

Georg Wurth: Naja, uns ist aufgefallen, dass seit ungefähr Sommer letzten Jahres ganz verstärkt verunreinigte Proben von Cannabis, insbesondere Marihuana, auf dem Markt aufgetaucht sind. Bei Haschisch hat man immer schon gesagt, dass wahrscheinlich häufig Streckstoffe drin sind, Gras galt aber bis jetzt immer als relativ sauber, also die reine Hanfblüte, unverarbeitet, gut erkennbar. Da hat man immer gesagt, da sieht man ja, was man hat.
Aber mittlerweile sind die Händler eben dazu übergegangen, auch da zu strecken und zwar auf ganz perfide Weise, indem sie zum Beispiel die Blüten in Zuckerlösung tauchen oder auch Flüssigplastik, feinste Glassplitter sind schon häufig gefunden worden oder Sand und zwar alles so in die Blüten eingearbeitet, dass man es nicht auf den ersten Blick erkennt.

Moderator: Mir wurde selbst von befreundeten Konsumenten und Konsumentinnen erzählt, dass sie während des Rauchens von ner so genannten Tüte das Gefühl hatten, dass sie nen Knirschen zwischen den Zähnen hatten.

Georg Wurth: Ja, das kann gut sein.

Moderator: Das wär jetzt so ne Folge von beispielsweise Sand oder Glas, was dann beigemengt ist. Was wären denn die möglichen Folgeschäden des Konsums von manipuliertem Marihuana?

Georg Wurth: Das ist sehr schwer zu sagen, weil sich bis jetzt noch niemand darum gekümmert hat, das mal zu untersuchen. Aber zum Beispiel wenn man Zucker raucht, das karamellisiert dann und man karamellisiert sich damit sozusagen die Atemwege. Dass das nicht gesund sein kann, liegt eigentlich auf der Hand.
Und besonders bedenklich ist, finde ich, das versetzen von Gras mit mikroskopisch kleinen Glassplittern. Die sind so fein, dass man sie wahrscheinlich mit inhaliert und die kommen aus der Lunge nicht mehr raus und können da dann drastische Schäden anrichten. Leider haben wir aber, oder was heißt leider, wir haben bisher aber keine Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich solche Fälle aufgetaucht sind und die Bundesregierung kümmert sich auch nicht darum, da mal Licht ins Dunkel zu bringen.

Moderator: Genau das wollte ich grade fragen. Sie haben ja in Ihrer Presseerklärung quasi auch die Politik aufgefordert, zu reagieren. Wie sind denn die Reaktionen überhaupt von Seiten der Politik.

Georg Wurth: Naja, die Reaktionen gehen im Prinzip gegen Null, obwohl wir schon seit Monaten massiv dieses Thema setzen und immer wieder unsere Forderungen stellen und auch mal in den Rum stellen, dass die Politik sich da letztendlich ne Schuld auflädt, wenn irgendwann tatsächlich die Leute in den Krankenhäusern auftauchen, wenn sie da überhaupt nichts dagegen gemacht hat.

In anderen Ländern sieht es da ein bisschen anders aus. England zum Beispiel hat schon eine Warnung rausgegeben, speziell auch vor diesen Verunreinigungen mit Glassplittern. Hat also auch konkret davor gewarnt. In Italien haben die Behörden letztens ne größere Lieferung extra mal darauf gecheckt, weil sie eben von diesen Dingen gehört haben und dabei eine Ladung mit 219 Kilo Gras gefunden, die mit Glas gestreckt war.
In Deutschland hingegen sperrt sich die Regierung total. Wir haben ne kleine Anfrage dazu im Bundestag mal gehabt, wo die Antwort also in die Richtung ging – Wir wissen nichts davon, das Bundeskriminalamt kann dazu nichts sagen und bisher haben wir nur Gerüchte gehört. Und außerdem ist Cannabis sowieso gefährlich und sollte nicht geraucht werden und damit ist die ganze Sache für die erledigt.

Die raten also ganz allgemein vom Konsum ab und sagen, es ist sowieso schädlich, was sollen wir da noch vor zusätzlichen Verunreinigungen warnen.

Moderator: Das ist ja im Endeffekt ja auch ne Forderung, die quasi so ein bisschen gegensätzlich wirkt. Man versucht den Gesetzgeber davon zu überzeugen, dass hier ne Sache ist, ne Sache, die verboten ist, die er quasi verbietet auf Sauberkeit und quasi mit moralischen Grundsätzen verbunden, auf Ehrlichkeit überprüft wird. Das kann doch nicht funktionieren?

Georg Wurth: Letztlich ist es ja die Schuld des Gesetzgebers, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Wenn Cannabis ganz normal, legal gehandelt werden könnte, wenn der Markt also reguliert wäre, dann würden die Produkte ja auch der normalen Lebensmittelaufsicht unterliegen und sowas könnte gar nicht vorkommen.
Denn es geht ja nicht bloß um die Streckmittel. Cannabis ist sowieso kein sehr reines Produkt. Man muss immer davon ausgehen, dass da auch Düngerrückstände mit drin sind, Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln. Und diese Verunreinigungen jetzt durch Streckmittel kommen ja auch dadurch, dass keine Überwachung stattfindet, dass der ganze Markt den kriminellen Kräften überlassen wird, die sowieso auf Gewinnmaximierung zielen, die sowieso davon ausgehen müssen, dass sie im Knast landen, wenn sie erwischt werden. Und die Verunreinigung im Zweifelsfall ja auch die Strafe gar nicht erhöht.

Deswegen ist die Politik sowieso in der Verantwortung. Und wir meinen, wenn sie schon dermaßen sträubt, da mal vorwärts zu gehen, dass die Politik dann wenigstens Schadensminimierung betreiben sollte und den Konsumenten wenigstens die Möglichkeit geben sollte, dass Zeug zu analysieren.

Ne andere Möglichkeit wäre ja auch einfach den Anbau zu entkriminalisieren. Das man wenigstens sagt – Jeder Konsument kann sich Zuhause eine Pflanze oder drei Pflanzen hinstellen, um seinen eigenen Bedarf zu decken. Damit würde man dem illegalen Markt sogar Umsatz entziehen. Man würde ihn also zurückdrängen.
Und gleichzeitig hätten die Konsumenten eben die Möglichkeit sicher zu stellen, dass sie sauberes und vernünftiges Gras kriegen.

Moderator: Die Argumentation, die Sie antreten, die ist quasi für mich so nen bisschen komisch oder schwer verständlich. Den sie probieren quasi in ner Marktwirtschaft, die quasi auf Profitmaximierung aufgebaut ist, quasi die Moral nach oben zu stellen.
Es ist doch klar, dass die Leute, die Cannabis züchten, das auch so teuer wie möglich verkaufen wollen. Und wenn das halt nicht möglich ist, auf Grund der Weltmarktlage, dann halt so wenig wie möglich für nen hohen Preis verkaufen. Das macht für mich alles, natürlich von meinem moralischen Standpunkt für mich persönlich keinen Sinn, aber vom wirtschaftlichen schon sehr gut.

Georg Wurth: Es geht uns auch gar nicht darum, jetzt moralische Ansprüche hoch zu fahren, dann würden wir nicht an die Bundesregierung appellieren, sondern an die Dealer. Es geht uns darum, den Markt zu regulieren, weil es eben ne kapitalistische Angelegenheit ist, wo wenn man eben nichts reguliert, es zu solchen Auswüchsen kommt.
Im Moment ist es ja letztendlich nen völlig freier Markt. Die einzige Regel, die der Markt hat, ist, dass er verboten ist, aber eben trotzdem stattfindet. Wir haben 4 Millionen Cannabiskonsumenten in Deutschland, die hunderte von Tonnen Cannabisprodukte im Jahr verbrauchen, so oder so. Und dieser Markt ist letztlich völlig frei. Jeder macht was er will. Und uns geht es eben darum, das zu regulieren und zu kucken, was da passiert.

Es gab vor einiger Zeit Berichte darüber, dass nun von der Regierung stattgegeben wird, einem Antrag, von einer Patientin, die unter Multipler Sklerose gelitten hat, die von der Krankenkasse ne Kostenübernahme zur Behandlung mit dem Cannabiswirkstoff Dronabinol bestätigt bekommen hat und das auch komplett finanziert wird. Wie agieren die Krankenkassen Ihrer Meinung nach? Denn die sind ja möglicherweise auch davon betroffen.

Georg Wurth: Ich glaube, dass den Krankenkassen das ganze Problem noch gar nicht bewusst ist. Die kämpfen eher allgemein gegen Cannabiskonsum an sich, wie das die Bundesregierung auch macht. Weisen eben auf die möglichen Schäden hin. Da ist heute noch mal von der Techniker Krankenkasse zum Beispiel noch mal ne Warnung rausgegangen.
Aber denen ist nicht bewusst, welche zusätzliche Gefahr eigentlich durch die Streckmittel und letztendlich durch den Schwarzmarkt und das Verbot da hervorgerufen werden.

Der Cannabiskonsum ansich ist natürlich nicht harmlos, hat Risiken und so weiter, aber es gibt eigentlich kein vernünftiges medizinisches Argument im Vergleich zu Alkohol, dass Cannabis verboten ist und Alkohol nicht.
Also – gefährlicher als Alkohol ist Cannabis jedenfalls nicht! Und deshalb sollte man natürlich auch kucken, dass da nicht zusätzliche Gefahren durch das Verbot und die Streckmittel auftauchen.

Moderator: Ich hab mich auf Ihrer Seite mal ein bisschen umgekuckt, vom deutschen Hanfverband.de – is ja Ihre Seite. Da hat man die Möglichkeit, sich auch mal anzukucken, wer quasi Ihre Firmensponsoren, Firmenmitglieder, Fördermitglieder und so weiter sind. Das sind das ja nun erstmal die üblichen Verdächtigen. Da haben wir die ganzen Head- und Grow-Shops, die in jeder Stadt zu finden sind. Wir haben die ganzen Paperfirmen und auch die Magazine, die sich auch damit auseinandersetzen.
Aber sie schaffen es nicht, auf Ihrer Seite, quasi Leute, größere Leute, Organisationen, Publikationen ran zu holen, die sich da offiziell für die Legalisierung von Cannabis quasi aussprechen. Ist das immer noch so nen kleines Nischending?

Georg Wurth: Naja, also, da muss man ja erstmal unterscheiden. Sponsoren und inhaltliche Zusammenarbeit, das ist ja nen Unterschied.
Auf der Seite stellen wir erstmal alle Firmensponsoren dar, die uns unterstützen. Dann haben wir noch ne Menge Privatsponsoren, die nicht auf der Seite auftauchen, weil sie verständlicherweise zum großen Teil kein Interesse daran haben, da auf zu tauchen. Und wir verstehen uns eben als die Lobbyorganisation der Hanffreunde sozusagen. Von Konsumenten, aber auch von Legalisierungsbefürwortern, die eben nicht unbedingt konsumieren müssen.

Das andere ist die Zusammenarbeit mit Experten oder auch anderen Organisationen, die für die Legalisierung sind. Und wir haben die jetzt noch nicht alle auf unserer Seite aufgelistet, aber es gibt da ne Menge Leute, die für eine Legalisierung sind, für ne Entkriminalisierung der Konsumenten. Da finden Sie Professoren quer durch alle möglichen Bereiche – ob das nun Kriminologen sind, Mediziner. Selbst bei der Polizei gibt es Befürworter einer Legalisierung. Oder bei den Wirtschaftswissenschaftlern.
Also das ist kein Problem, da Leute ran zu holen. Und mit denen arbeiten wir auch zusammen.

Moderator: Aber von politischer Eben sieht es doch aber nun so aus, dass die Grünen an der Macht waren, die FDP momentan auch die Freigabe von Cannabis fordert, aber im Endeffekt nichts legalisiert wurde bis jetzt. Was sind denn da Ihre Visionen für eine Zukunft mit Hanf oder mit Cannabis oder mit Ganja, wie auch immer man’s bezeichnen will?

Georg Wurth: Ja also, das sind ja erstmal zwei Dinge – Unsere Vision, wie wir uns das vorstellen mit Ganja. Also ich mein, wir leben jetzt auch schon mit Cannabis. Das ist ja … Uns wird da oft vorgeworfen, wir wollen da nen neues Fass aufmachen und ganz viel Gras jetzt auf den Markt werfen, aber der Markt existiert ja. Die Konsumenten sind da und es gibt auch keinen Hinweis, dass das Verbot die Konsumrate drückt.
Wir wollen einfach nur den Markt anders organisieren. Wir schlagen Hanffachgeschäfte vor. Das heißt Läden, wo das legal gekauft werden kann, aber eben nicht im Supermarkt oder in der Apotheke, sondern nur in Spezialgeschäften, die auch gewissen Regeln unterliegen.

Moderator: Würden die dann 24 Stunden offen haben, wenn ich fragen darf?

Georg Wurth: Zu dem Detail haben wir uns bis jetzt noch keine Gedanken gemacht…

Moderator: Wär ja vielleicht mal nen Denkanstoß.

Georg Wurth: Ja, also. Von mir aus sollen die auch 24 Stunden auf machen. Das ist mir letztendlich relativ egal.
Wichtiger sind mir Fragen jetzt, wie Jugendschutz zum Beispiel, dass man sagt, ab 16 oder ab 18 erst, darunter wird eben nix verkauft. Oder eben ne vernünftige Produktqualität. Ich stelle mit auch ne kleine Ausbildung der Verkäufer vor, die also Bescheid wissen sollten, über Risiken, Nebenwirkungen, vielleicht auch wohin man die Leute vermitteln kann, die vielleicht doch nen Problem haben mit ihrem Konsum. Solche Dinge.

Oder eben auch, dass bei jeder Verkaufseinheit ne Gebrauchsanweisung dabei ist, ne Packungsbeilage, wo auch der THC-Gehalt zum Beispiel drauf steht. Das is ja jetzt auch oft in der Diskussion, dass relativ hohe THC-Gehalte möglich sind. Was vor allem dann ein Problem ist, wenn die Leute davon überrascht werden.
Deshalb wär auch so’ne Deklaration auf jeden Fall nen Fortschritt im Verbraucherschutz.

Jetzt, die andere Frage war ja die politische Realität. Da sind wir natürlich weit davon entfernt, so’ne Utopie jetzt in den nächsten ein, zwei Jahren um zu setzen. Insbesondere bei der großen Koalition.
Die CDU ist sicherlich die Partei, die sich am meisten sperrt. Aber auch die SPD ist da nicht besonders weit. Und die kleinen Parteien, die da eher aufgeschlossener sind, sitzen halt alle in der Opposition. Insofern müssen wir davon ausgehen, dass der Kampf noch ein paar Jahre weiter geht, bis wir da mal zu ner entspannteren Situation kommen.

Moderator: Das sind ja Hoffnungen, die quasi der politischen Realität gegenüberstehen, was natürlich sehr die Arbeit erschwert, oder? Die tägliche Motivation, dass es besser wird?

Georg Wurth: Naja, man muss sich eben darauf einstellen, dass es ne Sache von vielen Jahren ist. Die Legalisierungsbewegung ist ja nu auch nicht mehr drei Tage alt, sondern schon auch Jahrzehnte eher. Und ich glaube, dass das auch so langsam in den Köpfen der Leute angekommen ist, die vielleicht Ende der 90er auf den Paraden noch “Legalisierung jetzt! Sofort!” gefordert haben und vielleicht auch erwartet haben.
Da ist doch jetzt eigentlich klar geworden, dass das ganz dicke Bretter sind, die man da bohren muss und das das ganz kleine Schrittchen sind, die man da gehen muss und das man auch Rückschläge hat. Jetzt grade in den letzten zwei Jahren ist die Stimmung über Cannabis wieder wesentlich schlechter geworden als Anfang des Jahrtausends.

Und wenn man das eben weiß, dass es eben ne langfristige Geschichte ist, dann kann man da wieder ganz entspannt mit umgehen. Weil es hat ja schon etliche andere Drogenverbote gegeben, die dann wieder aufgehoben worden sind, zum Beispiel Alkoholverbot in den USA, aber auch in einigen deutschen Fürstentümern war auch mal Kaffee verboten oder Tabak auch. Und all diese Verbote haben sich letztlich als nicht sinnvoll erwiesen und sind abgeschafft worden.
Das wird bei Cannabis früher oder später auch so sein! Radio Corax über gestrecktes Gras