Freigabe von Cannabis kaum Thema für Politik

Marius Mocker führte für Radio Z ein Interview mit dem DHV-Chef Georg Wurth über den Stand der Legalisierungsbewegung in den USA, mögliche Steuereinnahmen aus legalem Cannabis und das aktuelle drogenpolitische Klima in Deutschland.

Die Tageszeitung “junge Welt” griff das Thema auf und druckte in ihrer Ausgabe vom 13.08.2009 Teile des Interviews ab.

Marius Mocker führte für Radio Z ein Interview mit dem DHV-Chef Georg Wurth über den Stand der Legalisierungsbewegung in den USA, mögliche Steuereinnahmen aus legalem Cannabis und das aktuelle drogenpolitische Klima in Deutschland.

Die Tageszeitung “junge Welt” griff das Thema auf und druckte in ihrer Ausgabe vom 13.08.2009 Teile des Interviews ab.

Cannabislegalisierung im Mutterland der Prohibition?

Dieses Interview mit Georg Wurth strahlte Radio Z am 04.08.2009 aus.

Im Folgenden finden Sie den daraus entstandenen Artikel der “jungen Welt”, der ein Teiltransscript des Interviews ist.

Freigabe von Cannabis kaum Thema für Politik

Marius Mocker: In letzter Zeit gab es in den USA eine Diskussion um die Freigabe, bzw. Legalisierung, von Cannabis. Explizit gab es diese Diskussion in Kalifornien. Was ist dort für eine Debatte im Gange?

Georg Wurth: Zunächst muss man sagen, dass die medizinische Nutzung von Cannabis in Kalifornien sehr vorangeschritten ist. In der BRD verfügen nur 7 Personen über eine Sondererlaubnis zum Gebrauch von Cannabis – in den USA sind es mehrere 10 000. In 3 Staaten ist sogar die Versorgung geregelt, allen voran in Kalifornien. Kalifornien kann seinen Haushalt nicht finanzieren. Daraufhin stellte ein Abgeordneter den Antrag, Cannabis völlig freizugeben und zu besteuern, um sich neue Einnahmen zu sichern, und die Repressionskosten zu sparen.

Wird eine Diskussion um die Freigabe nur von den Demokraten geführt, oder sind auch Republikaner beteiligt?

Der Gouverneur Schwarzenegger ist bekanntlich Republikaner, und ist dem Thema gegenüber aufgeschlossen. Er lies zwar verlauten, dass er nicht unbedingt für eine Legalisierung sei, ich nehme allerdings an, dass er sich auf Grund seines früheren Konsums noch zurückhält. Es gibt eine breite Diskussion, die nicht nur in den Parteien stattfindet, sondern in der gesamten Bevölkerung. Einer Umfrage von CNN zufolge forderten zuletzt USA-weit 41% der Befragten eine komplette Legalisierung.

Wie erwähnt ist Kalifornien kurz vor dem Bankrott. Wie viel Geld würde eine Legalisierung dem Land bringen?

Bereits 2005 errechnete der Harvard-Professor Miron eine Summe von über 10 Milliarden Euro für die gesamten USA. Diese Summe setzt sich aus Steuereinnahmen und entfallenen Repressionskosten zusammen. Letzte Schätzungen gehen von 2 Milliarden Dollar aus, die allein Kalifornien einnehmen könnte. Wie auch in Europa wird in den USA verstärkt im Inland produziert – vor allem in Kalifornien. Mittlerweile soll Cannabis das umsatzstärkste Produkt in der dortigen Landwirtschaft sein, noch vor Südfrüchten.

Also könnte viel Geld in die Staatskassen gespült werden. Blicken wir nach Deutschland: wie viel Geld könnte hier gespart werden?

Bei vorsichtigen Schätzungen gehe ich von etwa einer Milliarde Euro aus. Wir vom Deutschen Hanfverband sind die Einzigen, die überhaupt nachgerechnet haben. Wir haben uns an Studien aus anderen Ländern orientiert, und diese dann auf die BRD umgelegt. Die Repression kostet eine Milliarde Euro, und die Steuereinnahmen, die bei einer Legalisierung anhängig würden, dürften etwa eine halbe Milliarde Euro ausmachen. Das verrückte ist, dass sich die Politik dafür gar nicht interessiert.

Warum diskutiert die Politik hier überhaupt nicht über das Thema, während das in den USA sogar Konservative tun?

Die Politik sagt einfach, dass keine Unbedenklichkeitsbescheinigung für Cannabis vorliegt. Dabei wird ignoriert, dass die für Alkohol und Tabak auch nicht vorliegt. In einer Anfrage im Bundestag vor 2 Jahren wurde offensichtlich, dass die Regierung überhaupt nicht weiß, was die Prohibition kostet. Sie weiß anscheinend auch nicht, wie sie das ausrechnen soll, denn das muss man nicht wissen, wenn man am bestehenden Recht festhält. Bei jedem neuen Gesetz wird eine Kosten/Nutzenbilanz erstellt. Hier ist das nicht der Fall.

Gibt es aktuell parlamentarische Kräfte in Deutschland die im Bezug auf eine Legalisierung progressiv sind?

Traditionell stehen dafür die Grünen. Nun hat die Linke in ihrem Bundestagswahlprogramm auch die Legalisierung gefordert. Damit haben wir zum ersten Mal 2 Parteien, die für eine Legalisierung stehen, allerdings kann man nicht dafür garantieren, dass sich etwas tut, wenn einer dieser Parteien eine Regierungsbeteiligung bekommt. Die Grünen waren ja vor kurzem an einer Regierung beteiligt, konnten sich aber nicht gegen den Koalitionspartner durchsetzen. Doch mit zwei Parteien, die für eine Legalisierung stehen, könnte sich nun etwas tun.

Was empfehlen Sie den 4 Millionen Cannabiskonsumenten in der BRD um für eine Legalisierung einzutreten?

Man sollte sich wenn man ernsthaft an dem Thema interessiert ist organisieren, denn wir leben in einer “Lobbykratie”. Wer sich kein Sprachrohr sucht, wird nicht gehört. Wenn man wählen geht, und von diesem Thema seine Entscheidung abhängig macht, sollte man das der gewählten Partei mitteilen, z.B. in einer kurzen email, und fordern, dass die Partei tätig werden soll.

Artikel der jungen Welt vom 13.08.2009 “Freigabe von Cannabis kaum Thema für Politik