Das Kulturmagazin Port01 beschäftigte sich in seiner Märzausgabe unter anderem mit der Verwendung von Cannabis als Medizin und der schwierigen juristischen Lage der Cannabiskonsumenten. “Gut zu wissen” fragte eine Vertreterin des Suchthilfeprojekts mindzone, einen Headshopbesitzer, den leitenden Oberstaatsanwalt der Stadt Würzburg und den DHV-Mitarbeiter Steffen Geyer was dran sei, an den Klischees von der gefährlichen Rauschdroge, die mancher als Allheilmittel anpreist.
Gut zu wissen: Cannabis – Teufelsdroge oder Wundermittel
Steffen Geyer, Mitarbeiter des Deutschen Hanfverbandes und Autor des Buches “Rauschzeichen – Cannabis: Alles was man wissen muss”
Port01: Als ein sogenannter Hanfaktivist hast du eine positive Einstellung zum Thema Cannabis. Warum ist Cannabis eigentlich wirklich illegalisiert worden?
Steffen Geyer: Den ersten Schritt auf dem Weg in Richtung Hanfverbot ging man 1925 bei einer Opium-Konferenz in Genf. Hier ging es in erster Linie darum, die landeseigene Cannabisproduktion vor indischer Konkurrenz zu schützen. Als Gegenleistung für das Ja der Deutschen wurde beschlossen, keine neuen Verkaufsbeschränkungen für Kokain und Heroin zu verhängen. Das Schicksal der deutschen Unternehmen Merck und Bayer hing damals stark von diesen “Medikamenten” ab. In den 30er Jahren ging von den USA eine weltweite Anti-Cannabis-Kampagne bisher ungekannter Größe aus, die Marihuana als Kraut der Mörder und Vergewaltiger. Grund für Wahnsinn und Todesdroge darstellte. Die als Aufklärung getarnte Propagandaschlacht ist eng mit dem Namen Harry Anslinger verknüpft. Mit einer Mischung aus Lügen, Rassismus und Hysterie gelang es ihm. Angst vor der Wirkung eines Genussmittels zu wecken, das den Menschen über Jahrtausende begleitet hatte. Weil Anslinger in engem Kontakt mit der Pharma- und Chemieindustrie stand und viele seiner “Freunde” vom Verbot der Nutzpflanze und der Ächtung von Cannabis profitierten, ranken sich bis heute unzählige Verschwörungstheorien um den wahren Grund. Anslinger selbst hat in den 70er Jahren gesagt: “Sicherlich ist Marihuana eher harmlos. Aber die Sache war ein Beispiel dafür, dass ein Verbot die Autorität des Staates stärkt.”
Port01: Wie schätzt du die Gefahren beim Hanfkonsum ein?
Steffen Geyer: Heute ist die Ursache für die größten Gefahren die für Konsumenten von Cannabis bestehen seine Kriminalisierung. Der Verlust des Führerscheins, des Arbeitsplatzes oder die soziale Ächtung wiegen oft schwerer, als substanzspezifische Probleme. Natürlich ist Cannabis nicht gänzlich “harmlos”. Auf lange Sicht droht 2 bis 5% der Konsumenten eine psychische Abhängigkeit. Besondere Brisanz kann Cannabiskonsum für jenes Prozent der Bevölkerung gewinnen, das eine latent vorhandene Psychose hat. Hanf steht unter dem Verdacht, den Ausbruch schlafender Erkrankungen dieser Art unter Umständen zu beschleunigen. Die Wissenschaft ist sich jedoch einig, dass Cannabis keine Psychose verursacht, wenn man keine entsprechende Veranlagung hat.
Port01: Was genau sind die medizinischen Vorteile von Cannabis?
Steffen Geyer: Heute werden Cannabinoide vorwiegend bei folgenden Diagnosen verordnet: Krebspatienten lindern mit THC die Nebenwirkungen der Chemotherapie. In Einzelfällen wurde beobachtet, dass THC das Wachstum von Tumoren hemmt. Sie profitieren von abnehmender Übelkeit und steigendem Appetit. Bei HIV/AIDS Erkrankten wirkt Cannabis als Appetitanreger, einige berichten von einer Stabilisierung bzw. Anregung des Immunsystems. Patienten mit Grünem Star (Glaukom) kann die Senkung des Augeninnendrucks und die Zunahme des Wasserabflusses aus dem Auge Linderung verschaffen. Epileptiker können durch das entspannende THC Krampfanfälle abschwächen oder verhindern. Gleiches gilt für rückenmarkbedingte Spastik. Multiple Sklerose und ähnliche Erkrankungen der Muskulatur. Schmerzpatienten kann THC Linderung verschaffen. Auch gegen Migräne wurde es erfolgreich eingesetzt. Bei psychischen Erkrankungen wie Depression kann THC mitunter erfolgreich eingesetzt werden. Es kann die Erkrankung jedoch auch vertiefen. Cannabis ist jedoch kein Wundermittel. Manche Patienten profitieren kaum von ihm. andere schwören auf die billige, nebenwirkungsarme Medizin.
Port01: Vor kurzem wurden von der Bundesopiumstelle in Bonn sieben Ausnahmegenehmigungen an Patienten erteilt, die Cannabis nun von der Apotheke erhalten können. Denkst du, das ist ein Schritt in die richtige Richtung?
Steffen Geyer: Natürlich freue ich mich darüber, dass nun zumindest theoretisch die ersten Patienten natürliches Cannabis legal als Medikament nutzen dürfen. Ich würde mir jedoch wünschen, dass die behandelnden Ärzte selbst entscheiden dürfen, was ihren Patienten hilft. Viele Mediziner und Betroffene scheuen den jahrelangen Kampf um eine Genehmigung des BfArM. Immer wieder versterben Patienten, bevor die Behörde überhaupt eine Entscheidung trifft. Die Legalisierung von Cannabis als Medizin ist keine Frage der Drogenpolitik, sondern eine der Menschenwürde!
Port01: Was wäre deiner Meinung nach ein gutes Konzept, mit dem Thema umzugehen?
Steffen Geyer: Es ist an der Zeit, dass die Politik die wissenschaftlichen Fakten anerkennt und die Cannabispolitik an seiner vergleichsweise geringen Gefährlichkeit orientiert. Ich plädiere für die Überführung von Cannabis aus dem BtMG in das Jugendschutzgesetz. Ich wünsche mir darüber hinaus eine enge Verknüpfung von Rauschmittelabgabe und Suchthilfe.
Stadtmagazin Port01 Ausgabe März 2009 “Cannabis – Teufelsdroge oder Wundermittel“