Alles was man über Cannabis wissen muss

Die Hanfzeitschrift THCene wollte ihren Lesern mehr über die Autoren des Buchs Rauschzeichen verraten und sie “nebenbei” darüber informieren, was der DHV ist und tut. Wir trafen uns deshalb mit Martin Müncheberg, dessen Interview in der Ausgabe November/Dezember 2008 erschien.

Rauschzeichen – Alles was man über Cannabis wissen muss

Titelbild des Interviews - Cannabis alles was man wissen muss - THCene Ausgabe November/Dezember 2008

Vor kurzem wurde ein aktuelles Sachbuch zum Thema Cannabis durch den renommierten Kiwi-Verlag veröffentlicht, das sich bemüht, die komplexe Thematik bewusst nüchtern anzugehen, um auch Zweifler und Unwissende zu erreichen. Gerade in Hinsicht auf das langsam einsetzende Weihnachtsgeschäft kann man nur herausstellen, dass sich dieses Buch als Weihnachtsgeschenk für Familie und Freunde durchaus eignet – für weniger als 8 Euro bekommt man damit die Essenz des derzeitigen Wissens um Hanf in gedruckter Form.

Die zwei Autoren des 200-Seiten-Werkes sind in der Hanfszene keine Unbekannten. Der Eine ist Georg Wurth – seines Zeichens Mastermind des Deutschen Hanfverbandes und Lobbyist der Branche, der Andere ist Steffen Geyer – schon seit ein paar Jahren Aushängeschild der Berliner Hanfparade und auch sonst immer mit dabei, wenn es irgendwo um die Legalisierung von Hanf geht. Wir trafen uns zu einem ausführlichen Gespräch über Hanf und die Welt in der Residenz des DHV im Berliner Prenzlauer Berg.

Martin Müncheberg: Wie habt ihr zwei euch eigentlich kennengelernt?

Steffen Geyer: Ich schätze mal über die Hanfparade…

Georg Wurth: Ja man wusste irgendwie voneinander – ich bin nach Berlin gekommen und habe mit dem Hanfverband angefangen und habe dann irgendwann Steffen mit seinen roten Haaren auf der Hanfparade herumspringen sehen. Das ging ja mit dem Hanfverband auch erst so richtig los, als – zu der Zeit, als wir noch einen Mitarbeiter gesucht haben – die Kollegen vorgeschlagen haben, dafür den Steffen zu nehmen. Von da an haben wir uns eigentlich erst näher miteinander befasst – schließlich ging es ja gleich los mit der Zusammenarbeit beim Hanfverband.

Wann und wie kam es dazu, dass euch die Hanf-Thematik derart gepackt hat, dass ihr schließlich so aktiv für sie wurdet?

Steffen: Ich hab’ halt 1997 ein ganz unangenehmes Erlebnis mit Polizisten auf dem Nürnberger Bahnhof gehabt und dabei zum ersten Mal am eigenen Leib erfahren, was Cannabis-Prohibition in der Praxis bedeutet. Irgendwann bin ich dann nach Berlin gekommen und wusste auch schon, dass es dort die Hanfparade gibt. Damals hatte ich eine Freundin, die für Greenpeace aktiv war und mit der Zeit hat es mich einfach angekotzt, dass ich – wenn sie mal wieder was für die Welt tat – alleine zuhause saß und mit dem Computer spielte. Da bin ich dann eben zur Hanfparade gegangen. Das war ja kein Haufen, bei dem man Angst haben musste, dass die beißen – also bin ich da aufgeschlagen und hab gesagt: Hallo, ich bin Steffen und würde gerne was machen.

Georg: Ich habe mich ja ursprünglich mit ganz anderen politischen Themen beschäftigt, als ich damals in Remscheid in die Kommunalpolitik eingestiegen bin – da ging es um Sachen wie Bau- oder Energieversorgung. Außerdem haben wir dort auch eine grüne Jugendabteilung aufgebaut, mit der wir dann auch verschiedene Kampagnen gemacht haben, unter anderem auch zum Thema Drogenpolitik. Als Sprecher des Kreisverbandes der Grünen in Remscheid habe ich mich damals in diesem Zusammenhang selbst angezeigt und gedacht, das Verfahren würde ja sicherlich schnell eingestellt werden – schließlich war das ja nur ein Teil unserer Kampagne. Doch das war dann eben nicht so und ich wurde angeklagt – trotz geringer Menge. Daraus hat sich dann so ein Prozess entwickelt, der bis zum Bundesverfassungsgericht ging. Insofern haben die mich bei der Stange gehalten und ich blieb bei der Thematik. Ich habe in Folge das ‘Bundesnetzwerk Drogenpolitik’ und die Landesarbeitsgemeinschaft ‘Drogen’ bei den Grünen in NRW mitgegründet und auch das Fachforum ‘Drogen’ der Grünen Jugend wieder neu belebt – Dazu habe ich bis 1999 auch noch weiterhin Kommunalpolitik gemacht. Nach meiner Weltreise von 1999 bis 2000 habe ich schließlich nur noch Drogenpolitik gemacht, erst beim Bundesnetzwerk Drogenpolitik und dann – seit 2002 – mit dem Hanfverband.

Also seid ihr im Grunde genommen nur aktiv geworden, weil ihr persönliche Erfahrungen mit der Repressionspolitik gemacht habt?

Georg: Ja.

Steffen: Das ist ja auch der klassische Weg, dass die Kiffer das Problem so lange ignorieren, bis es sie selbst betrifft – und zum Beispiel der Führerschein weg ist oder man eine Geldstrafe bezahlen muss. Erst dann merkt der Einzelne, dass dieses Hanfverbot nicht nur ein abstraktes Problem ist, sondern ein Problem, dass auch konkret ihr Leben beeinträchtigt. Und ein Teil der Leute fängt dann eben an, etwas dagegen zu unternehmen.

Georg: Bei mir war das Problem eigentlich gar nicht so persönlich, da ich vor dieser Selbstanzeige kaum Cannabis konsumiert habe und ich es einfach nur als ein politisches Thema betrachtet hatte – eines von vielen, wo Ungerechtigkeit herrscht und eine extreme Unlogik. Erst über den Prozess wurde es schließlich zu einer persönlichen Geschichte. Ich bin ja letztendlich deswegen verurteilt worden, da ich die geringe Menge nicht zum Eigenkonsum besessen habe. Das Verfahren kann ja nur bei einer geringen Menge zum Eigenverbrauch eingestellt werden. Ich hatte jedoch ausgesagt, dass ich mir das Gras für diese politische Aktion schenken ließ – in Folge wurde ich von der Polizei härter bestraft, als einer, der mit normalem Besitz erwischt wird.

Du sagst, du hast vor dieser Selbstanzeige kaum Cannabis konsumiert – heißt das, dass du danach dann aber ordentlich zugelangt hast?

Georg: Also ich hab’ Erfahrungen mit Cannabis – damit gehöre ich zu 12 Millionen Leuten in Deutschland und mehr würde ich niemandem empfehlen, dazu öffentlich zu sagen.

Wenn ich jetzt also frage ‘Kifft ihr?’ dann sagt ihr beide ‘Nein’?

Steffen: Dann sage ich das, was ich auch bei Maischberger gesagt habe, nämlich, dass ich gelegentlich Cannabis konsumiere. Denn das ist die Formulierung, die im Zweifel strafrechtlich noch nicht relevant ist. Wenn man zum Beispiel zugibt, dass man regelmäßig konsumiert, geht man ja auch die Gefahr ein, dass man Post von der Führerscheinstelle erhält – denn die ist schließlich der Meinung, dass Leute, die regelmäßig Cannabis konsumieren, nicht geeignet sind, Kraftfahrzeuge zu führen – auch wenn das nichts mit den Anforderungen des Straßenverkehrs zu tun hat. Dennoch sollte man sich daher lieber mit derartigen öffentlichen Äußerungen zurückhalten.

Zumindest, wenn man Angst vor einer möglichen Strafverfolgung hat…

Steffen: Es muss ja niemand Cannabis konsumieren, um zu begreifen, dass das Verbot mehr Probleme schafft, als es zu lösen vorgibt. Ich hab’ ja auch viel Kontakt mit Leuten, die selbst gar nicht konsumieren, aber deren Kinder oder Freunde Probleme damit gekriegt haben. Der Anteil der Leute, die sich für die Legalisierung engagieren – obwohl sie selbst nicht konsumieren – wird immer größer. Es ist ja auch ein gesamtgesellschaftliches Problem – wenn man nun 4 Millionen Leute zu Kriminellen abstempelt, schadet dies ja auch ihren Freunden und Familien, also vielen weiteren Millionen Menschen. Das können Arbeitgeber sein, die plötzlich ins Gefängnis wandern, woraufhin Jobs verschwinden oder wenn ein Familienvater seinen Führerschein verliert und in Folge dessen auch seine Arbeit – dann betrifft die Strafe ja nicht nur den Konsumenten, sondern immer auch sein soziales Umfeld.

Georg: Deshalb versteht sich ja der Deutsche Hanfverband auch als die Vertretung von Legalisierungsbefürwortern und nicht von Cannabiskonsumenten.

Bleiben wir dennoch zunächst bei den Konsumenten. In eurem Buch habt ihr ja auch die gesundheitlichen Risiken des Kiffens aufgeführt – wie lebt ihr selbst mit diesem Risiko und inwiefern beeinflusst es euer eigenes Konsumverhalten?

Steffen: Natürlich ist mir durchaus bewusst, dass der Cannabiskonsum auch für mich nicht risikofrei ist – ich merke auch, dass ich – wenn ich mal an einem Wochenende zuviel gekifft habe – auch gewisse Nebenwirkungen verspüre, meistens Husten oder einen trockenen Hals. Aber ich bin auch Hedonist genug, dass ich mir sage, dass es meine Sache ist, was ich mit meinem Körper anstelle und ihm zumute. Man muss einfach auf die Warnsignale achten und sich gegebenenfalls auch zurücknehmen – dann ist der Cannabiskonsum relativ ungefährlich. Man sollte allerdings nicht zu jung sein und den Konsum auch nicht übertreiben – aber das ist ja mit allen anderen Dingen genauso.

Als Kopf des Deutschen Hanfverbandes bist du ja bemüht, ganz nah am Ohr der Politik zu sein – ist euer Buch dahingehend auch ein Stück Lobbyarbeit?

Georg: Auf jeden Fall – für mich war das der größte Teil der Motivation, ich wollte einen ganz aktuellen Diskussionspunkt setzen. Es ist ja ein Buch, das es – in dieser Zusammenstellung – auf dem deutschen Markt bisher noch nicht gegeben hat. Hier wird ja ein recht breites Themenfeld abgearbeitet – von der Geschichte über die Hilfe für Konsumenten, über Risiken und Nebenwirkungen bis hin zur Legalisierungsfrage. Es zielt also nicht nur auf einzelne Aspekte ab, sondern, befasst sich umfassend mit der Thematik – und zwar wissenschaftlich fundiert und weitestgehend neutral. Natürlich wollten wir schon einen Gegenpunkt zu den vielen Publikationen setzen, die in letzter Zeit diverse Horrormeldungen verbreiten und Hanf ganz pauschal verteufeln – doch ‘Rauschzeichen’ ist auch kein ‘Hanf rettet die Welt’-Buch, welches die Pflanze in den Himmel lobt. Es ging uns um eine möglichst objektive Sicht, die dem Leser vermittelt, dass auch die real existierenden Risiken das generelle Verbot nicht rechtfertigen. Und natürlich hoffen wir auch, dass wir viele Diskussionen anregen – jedes Exemplar, das gelesen wird, wird sicherlich auch diskutiert werden und kann daher viele Meinungen beeinflussen.

Steffen: Diskussionen schaden bei diesem Thema ja nie. Ich selbst habe noch keine ernsthafte Diskussion erlebt, nach der sich die Teilnehmer noch vehementer gegen eine Legalisierung aussprachen – ganz im Gegenteil. Selbst der konservativste bayrische Kirchgänger kapiert langsam, dass die Droge nicht so schlimm ist, wie sie in den letzten Jahren medial dargestellt wurde und dass die Folgen des Drogenverbotes mit der Zeit viel gravierender geworden sind. Es war ja vielleicht wirklich irgendwann einmal ganz gut gemeint, doch die Geschichte hat gezeigt, dass die Verbotsziele nicht erreicht werden können und dass die schädlichen Auswirkungen der Prohibition tagtäglich nur noch schlimmer werden.

Georg: Genau das ist für mich auch ein ganz wichtiger Teil der Motivation, in der Drogenpolitik zu bleiben – es ist längst nicht mehr nur dieses Gerichtsverfahren von damals. Ich habe mich ja nun schon mit einer ganzen Reihe politischer Themen befasst, doch dabei habe ich kein Thema gefunden, bei dem die sachlichen Argumente so sehr auf einer Seite liegen. In der Wirtschaftspolitik hat man beispielsweise die angebotsorientierte und die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik und für beide Sichtweisen gibt es gute Argumente. Man kann sich also ganz individuell aussuchen, was einem einleuchtender erscheint. Bei der Drogenpolitik jedoch – und hierbei ganz speziell im Bezug auf das Hanfverbot – stehen auf der einen Seite sachliche Argumente für die Legalisierung und auf der anderen ganz diffuse Ängste, die für eine weitere Kriminalisierung sprechen, zum Beispiel die medial geschürte Angst um die eigenen Kinder. Dabei ist das eine ganz eindeutige Geschichte – wenn man die Argumente rational abwägt. Das Verbot hat sein Ziel nicht erreicht, das Angebot oder den Konsum zu reduzieren – doch es hat jede Menge negative Begleiterscheinungen.

Wie darf man sich denn eure praktische Zusammenarbeit beim Schreiben dieses Buches vorstellen?

Georg: Wir haben natürlich nicht jeden Satz gemeinsam vorm Computer formuliert – viel mehr haben wir uns die Kapitel und damit die Themenfelder aufgeteilt.

Steffen: Wir arbeiten ja nun schon lange genug zusammen, dass wir uns gut aufeinander einstellen können und wenn man nicht merkt, dass da zwei Autoren am Werke waren und es sich wie aus einer Feder lesen lässt, dann haben wir doch alles richtig gemacht.

Georg: Wir haben auch jedes Kapitel noch mal gegengelesen und diskutiert – manchmal sogar recht lange diskutiert – so dass wir am Ende jetzt beide das Buch – so wie es ist – unterschreiben könnten.

Ich hatte bei der Lektüre den Eindruck, dass ihr dieses Buch in erster Linie für Jugendliche geschrieben habt, auf dass diese das Buch ihren besorgten Eltern zukommen lassen können, um deren Cannabisängste zu zerstreuen…

Steffen: Tatsächlich richtet sich dieses Buch in erster Linie an Eltern, Angehörige oder Lehrer von Cannabiskonsumenten – weil hier nämlich der größte Informationsbedarf besteht. Es bringt doch nichts, ein weiteres Buch für Kiffer zu schreiben – die sind ja in der Regel schon recht gut informiert. Es bringt auch nichts, ein weiteres Buch für die wissenschaftliche Ebene zu schreiben. Wir erleben in unserer täglichen Arbeit, dass besorgte Eltern den größten Informationshunger haben. Und wenn wir mit ‘Rauschzeichen’ ein Buch geschrieben haben, welches Kiffer ruhigen Gewissens ihren Eltern schenken können, dann freut mich das.

Georg: Dazu kommt ja auch der Verlag – KIWI ist schließlich ein großer und renommierter Verlag und nicht einer, der irgendwelche Kifferbücher herausgibt. Dementsprechend war deren Intention natürlich nicht die, dass man eine neue Hanf-Bibel schreibt, sondern die wollten ein sachliches Buch, das auch normale Leute erreicht. Es ist ja auch erklärtes Ziel des Hanfverbandes, darauf zu achten, dass man nicht nur diesen kleinen, eingeschworenen Kreis der gut informierten Cannabiskonsumenten erreicht, sondern gerade und insbesondere die Anderen. Denn ohne die wird man nie eine Veränderung erreichen – das soll in dem Buch auch so rüberkommen.

Was findet man in eurem Buch, was man in anderen Publikationen nicht findet?

Steffen: Der große Vorteil ist, dass es das erste Buch ist, was tatsächlich für Deutschland und ausgehend von der deutschen Situation geschrieben wurde. Die Standartwerke kranken ja so ein bisschen daran, dass sie sich thematisch auf die USA konzentrieren oder das Ganze mehr so aus einer belletristischen Perspektive angehen. Wir haben versucht zu beschreiben, wie das in Deutschland historisch gewesen ist, wir erklären die notwendigsten Statistiken für den deutschsprachigen Raum: Wie viele Leute kiffen eigentlich und was sind da die Konsumgruppen. Das wirklich Neue und der Grund, warum man das Buch unbedingt kaufen muss, ist sicherlich der Abschnitt, in dem es dann darum geht, wie man die derzeitige politische Situation begreifen kann, welchen Einfluss die Medien auf die gegenwärtige Lage haben, was die Wissenschaft heute sagt und wie sich die Situation für konsumierende Jugendliche zur Zeit darstellt. Gerade letzteres ist ja ein Thema, welches in den Massenmedien gerade heiß diskutiert wird – angeblich kiffen Jugendliche ja immer mehr und immer früher. Aber wie die Situation tatsächlich ist, dass nämlich die Probleme, welche die Schlagzeilen bestimmen, nur einen ganz kleinen Teil der Konsumenten betreffen – das wird nur sehr selten objektiv dargestellt. Dabei gibt es oft ganz harmlose Interventionsmöglichkeiten, die das Potential haben, derartige Probleme mit Cannabis im Keim zu ersticken.

Georg: Auch die Auseinandersetzung mit der deutschen Politik – beispielsweise was jede einzelne Partei zum Thema Cannabis verlauten ließ – gab es in dieser Form zuvor noch nicht. Außerdem unterscheidet sich unser Buch auch noch in einer anderen Hinsicht von Standartwerken wie z. B. der gelben Hanfbibel von Herer und Bröckers oder Behrs “Von Hanf ist die Rede”, denn diese Bücher waren klar parteiische Vorkämpferwerke pro Cannabis. Wir haben uns dagegen sehr um größtmögliche Objektivität bemüht und sind dabei letztendlich auch zu einer klar formulierten Legalisierungsforderung gelangt. Wir haben aber auch die negativen Seiten sehr detailliert dargestellt und sagen jetzt nicht, das ist die Superdroge schlechthin, die jeder nehmen sollte, sondern wir haben auch klare Grenzen und Gefahren aufgezeigt. In den besagten Büchern wird man auch kein Kapitel mit Ratschlägen für Freunde und Angehörige finden, wie diese mit ihnen nahestehenden Menschen umgehen sollten, die wirklich nicht mit Hanf klarkommen.

War dieses Buch auch eine Möglichkeit Geld zu verdienen oder doch wieder so ein Idealisten-Ding?

Georg: Natürlich haben wir dafür auch Geld gekriegt, aber das darf man sich nicht auf einen Stundenlohn umrechnen. Wenn wir die ganze Zeit irgendwo am Fließband gearbeitet hätten, hätten wir sicher viel mehr verdient.

Steffen: Es ging uns dabei ja auch nicht primär um viele Euros. Es hilft uns vermutlich mehr, dass dieses Buch existiert und damit der Name, die Organisation und unser Anliegen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Am Ende habe ich lieber keine Urlaubsreise und Hanf legal als umgekehrt.

Georg: Letztendlich ist das Buch ja auch ein Ausdruck der DHV-Arbeit in den letzten fünf Jahren – wir haben uns schließlich ununterbrochen mit Hanf und Hanfpolitik beschäftigt und das ist jetzt im Prinzip das gefestigte Ergebnis dieser Zeit.

Allerdings geht ja die weltweite Drogenpolitik derzeit eher wieder in Richtung verstärkte Prohibition – habt ihr da nicht manchmal auch das Gefühl gegen Windmühlen zu kämpfen?

Georg: Ich glaube, man muss sich vor allem von kurzfristigen Erwartungen freimachen. Ich erinnere mich noch, wie das Mitte bis Ende der 90er Jahre war, als alle dachten, die Legalisierung stünde nun unmittelbar vor der Tür – also wurde gefordert: “Legalisierung, jetzt!” Das hat sich dann natürlich als Trugschluss erwiesen und man musste aufpassen, nicht zu frustriert zu werden aber politische Prozesse laufen nun einmal über längere Zeiträume hinweg – manchmal können sie Jahrzehnte dauern. Die Prohibition selbst ist ja nun schon einige Jahrzehnte alt und es wird auch noch eine ganze Weile dauern, bis sie schließlich enden wird. Aber ich glaube schon, dass wir mittelfristig zu einem Ergebnis kommen werden. Und wenn man sich einmal die internationale Ebene anschaut, dann ist der Trend zu stärkerer Repression auch gar nicht so eindeutig. In manchen Ländern wurde und wird nämlich der Umgang mit Hanf weiter liberalisiert: Nicht nur in England hat es eine Umstufung gegeben und auch in Amerika ist eine Menge passiert – Cannabis als Medizin hat hier riesige Fortschritte gemacht, inzwischen gibt es Zehntausende Patienten, die ganz legal ihr Gras besitzen oder es sogar selber anbauen dürfen. Die haben dann so eine Plastikkarte, die sie gegebenenfalls Polizisten bei einer Kontrolle unter die Nase halten können. Tatsächlich liegt meine persönlich Hoffnung auch darin, dass es im Mutterland der Prohibition das ganze System auch wieder implodiert und in Folge weltweit zusammenbricht.

Steffen: Allerdings muss man nicht unbedingt über den großen Teich schauen um Fortschritte zu sehen. Wie wir auch im Kapitel über die globale und insbesondere europäische Politik schreiben, gibt es ja auch in Europa durchaus Ansätze, die in Richtung Liberalisierung gehen. In Belgien und Spanien gibt es “Cannabis Buyers Clubs”, in Spanien wird der Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen toleriert und in Deutschland ist letztendlich auch durch die Entwicklung der bundeseinheitlichen geringen Menge eine viel verlässlichere Regelung geschaffen worden – auch schon ein Fortschritt im Vergleich zu der Situation vor fünf Jahren. Man muss einfach verstehen, dass jede noch so kleine Änderung des Status Quo auch eine größere Änderung des Status Quo wahrscheinlicher macht. Selbst wenn wir jetzt den Eindruck erwecken, dass wir nicht mit großen Schritten vorankommen, ist das aber immer noch besser, als gar nichts zu tun. Denn außer uns Cannabiskonsumenten wird uns niemand helfen – dem Rest der Welt ist unser Schicksal wurscht. Wir müssen schon selbst den Arsch hochkriegen und was tun.

Georg: Dabei ist aber natürlich auch klar, dass wir nicht isoliert vom Rest der Welt in Deutschland zu einer Legalisierung kommen werden – erst recht nicht, wenn sich im Rest der Welt nichts tut. Es braucht schon einen internationalen Zusammenhang – die globale Prohibition kann schließlich nur durch einzelne nationale Verschiebungen auf der UN-Ebene nach und nach aufgeweicht werden, um irgendwann einmal zusammenzubrechen. Wir versuchen einfach, unseren Teil auf der deutschen Ebene beizutragen.

Würdet ihr soweit gehen, den Kampf für eine Legalisierung von Hanf als eure Lebensaufgabe anzusehen?

Georg: Ich hoffe, dass es schneller geht – ich muss nicht unbedingt 65 werden, bis die Legalisierung dann irgendwann mal erreicht ist. Ich kann mir gut vorstellen, mir noch eine andere Lebensaufgabe zu suchen, aber ich bin jetzt auch schon über zehn Jahre intensiv an diesem Thema dran – insofern ist es zumindest eine Lebensabschnittsaufgabe für mich.

Steffen: Mir geht es da ganz ähnlich. Ich kann mir auch vorstellen, dass ich übermorgen etwas anderes mache – wenn es nicht mehr nötig ist. Aber solange es nötig ist und ich auch noch Spaß daran habe, mich beispielsweise in Diskussionen aufzureiben, werde ich es auch weiterhin machen. Es gibt ja auch nicht allzu viele Alternativen – wenn es jetzt noch drei andere Unternehmen wie den Deutschen Hanfverband gäbe, sodass wir uns sagen könnten, wir lehnen uns mal ein Jahr zurück und lassen mal die Anderen machen, dann wäre das eine ganz andere Sache. Aber die deutsche Cannabisszene ist schon recht übersichtlich – es ist tatsächlich möglich, so ziemlich jeden Aktiven zu kennen. Das ist natürlich ziemlich erschreckend für ein Land mit über 4 Millionen Kiffern bei etwa 80 Millionen Einwohnern.

Ihr glaubt also schon daran, dass ihr die Legalisierung noch selbst miterleben werdet?

Steffen:Wenn ich daran nicht glauben würde, könnte ich morgens – nicht aufstehen und beim DHV arbeiten gehen.

Wie seht ihr überhaupt eure Zukunft und die des DHV?

Steffen: Keine Ahnung – ich weiß ja nicht, was in nächster Zeit gescheht. Es könnte ja auch passieren, dass uns plötzlich die finanzielle Basis unserer Arbeit wegbricht. Ich persönlich könnte es mir nicht leisten, mich auch hier ehrenamtlich zu engagieren – derartiges mache, ich schon bei der Hanfparade oder beim Verein für Drogenpolitik. Es ist mir schon wichtig, dass es irgendwo eine stabile Struktur gibt, die meine Miete bezahlt. Ich muss ja nicht reich werden damit, aber ich möchte schon überleben können.

Georg: Wir dürfen nicht aufgeben und müssen immer mehr werden – bisher haben wir ja leider noch nicht die Größe, um tatsächlich auch etwas politische Macht zu haben. Wenn man unser Budget mit dem von Greenpeace vergleicht – da geht es ja um Zig Millionen im Jahr – dann sind wir dagegen natürlich nur ein Mini-Verband. Dafür machen wir aber schon eine ganze Menge. Und ich glaube, wir haben die stabilste Struktur geschaffen, die es – meiner Meinung nach – je in der deutschen Legalisierungsbewegung gegeben hat. Immerhin arbeiten wir schon lange sehr stabil – beispielsweise auch durch ein ständig besetztes Büro – dennoch müssen wir einfach noch mehr werden, denn wir wollen unsere Arbeit ja nicht nur auf dem bisherigen Level halten, sondern viel lieber noch intensivieren. Dafür brauchen wir einfach noch ein paar mehr Unterstützer.

Wie sprecht ihr denn potentielle Unterstützer an? Was könnt ihr ihnen anbieten?

Steffen: Was wir so alles machen, sieht man ja gut auf unserer Webseite – im Prinzip ist es tägliche Kleinarbeit für die Legalisierung. Wir sprechen mit Journalisten, damit die informierte Artikel schreiben und nicht “Die Seuche Cannabis” oder so was. Dann sprechen wir mit Politikern, damit die vernünftige, zielführende Gesetzesvorschläge machen können. Wir betreuen aber auch Patienten, die öffentlichkeitswirksame Aktionen brauchen, damit sie zum Beispiel ihren Rechtsanwalt bezahlen können. Und nicht zuletzt helfen wir auch Konsumenten, die Probleme mit der Staatsmacht haben. Viele Leute, denen wir dann mal helfen, werden danach Unterstützer, da sie gemerkt haben, dass es allein schon was bringt, dass man da immer jemanden anrufen kann, der selbst schon Ahnung von der Materie hat und auch im Zweifelsfall immer jemanden kennt, der das gerade benötigte Wissen besitzt und weiterhelfen kann.

Georg: Und wir sind ja auch ganz schön nah dran an der Politik – so waren wir schon Auslöser für etliche kleinere Anfragen im Bundestag. Das sind derzeit unsere Highlights in der Lobby-Arbeit, die uns das Gefühl geben, dass sich unsere Anstrengungen lohnen und wir uns sagen können: “Wir sind mittlerweile mittendrin und haben gute Kontakte – da müssen wir einfach weitermachen und das Ganze noch ausbauen!”

Danke für das Gespräch!

Artikel der THCene Ausgabe November/Dezember 2008 “Rauschzeichen – Alles was man über Cannabis wissen muss”