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DHV-Stellungnahme zur Anhörung im Bundestag: Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten & Drugchecking

Heute fand im Gesundheitsausschuss des Bundestages eine Anhörung zu zwei Anträgen der Fraktion DIE LINKE statt. In einem der Anträge ging es um die Entkriminalisierung der Konsumenten aller Drogen durch die bundesweite Festlegung geringer Mengen im BtMG, bis zu denen die Konsumenten nicht bestraft werden sollen. Der zweite Antrag soll “Rechtssicherheit für Drugchecking schaffen“. Bei der einstündigen Online-Sitzung war auch DHV-Geschäftsführer Georg Wurth dabei, dessen schriftliche Stellungnahme wir hier dokumentieren.

Weitere Informationen wie die Liste der Sachverständigen, deren Stellungnahmen und bald auch die Video-Aufzeichnung der Online-Anhörung findet ihr auf dieser Übersichtsseite des Bundestages zur Anhörung.

Wie üblich wurde nach der Anhörung noch nicht über die Anträge abgestimmt, das geschieht zu einem späteren Zeitpunkt. Eine Ablehnung durch die große Koalition aus CDU/CSU und SPD sowie andere Fraktionen ist sehr wahrscheinlich.

Stellungnahme des Deutschen Hanfverbands (DHV) zur Öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages am 17.05.2021 zu den Anträgen der Fraktion DIE LINKE „Bundeseinheitliche geringe Drogenmengen festlegen und Harm Reduction erleichtern“ (BT-Drucksache 19/ 14828) und „Rechtssicherheit für Drug-Checking schaffen“ (BT-Drucksache 19/ 28774)

Entkriminalisierung der Konsumenten – Strafverfahren abschaffen!
Als Vertreter des Deutschen Hanfverbands, aber auch als (Gründungs-)Mitglied von Schildower Kreis, LEAP Deutschland und akzept e.V. begrüße ich den Vorstoß zur Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten. Prohibition und staatliche Repressionsmaßnahmen richten beim Thema Drogen grundsätzlich mehr Schaden an als dass sie irgendwelche messbaren Vorteile haben. Insofern ist es überfällig, dass wir uns als Gesellschaft Gedanken über einen grundsätzlich anderen Umgang mit psychoaktiven Substanzen machen. Dazu gehört auch ein wie auch immer gearteter regulierter Zugang zu unterschiedlichen Substanzen.
Die Entkriminalisierung der Konsumenten reduziert nur einen Teil der Schäden, die Prohibition mit sich bringt. Dadurch ändert sich zum Beispiel nichts daran, dass das wissenschaftlich nicht nachvollziehbare, willkürliche Verbot diverser Substanzen und deren Verdrängung in einen Schwarzmarkt das größte Förderprogramm für organisierte Kriminalität ist.
Für eine Regulierung aller Substanzen scheinen Politik und Gesellschaft noch nicht bereit zu sein. Insofern ist es sinnvoll und nachvollziehbar, zunächst die Konsumenten zu entkriminalisieren. Während viele Politiker bei den Händlern dieser Substanzen noch von einer Gefährdung anderer ausgehen und diese deshalb weiter strafrechtlich verfolgen wollen (im unlogischen Gegensatz zu den Händlern von Alkohol), setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass bei den Konsumenten selbst kein Unrechtsgehalt und keine Fremdgefährdung bestehen als bei den Konsumenten von Alkohol.
Im Kern ist diese Erkenntnis des fehlenden Unrechtsgehalts und der fehlenden Fremdgefährdung der Grund dafür, warum die Entkriminalisierung der Konsumenten mittlerweile bis in die Union hinein Befürworter findet. Es wird nicht mehr als moralisch verwerflich empfunden, wenn sich jemand statt Alkohol für den Konsum einer anderen psychoaktiven Substanz entscheidet.
Vor diesem Hintergrund stellt sich aber auch die Frage, warum der Konsum von Rauschmitteln überhaupt noch sanktioniert werden soll. Insofern greift der Antrag der Linken zu kurz. Es sollte nicht nur darum gehen, wie bei der aktuellen Praxis in Bezug auf Cannabis die Strafverfahren bis zu einer gewissen Menge einzustellen, sondern überhaupt keine Strafverfahren mehr zu eröffnen, wenn kein Handel/Verkauf vorliegt. Nur dann wäre das auch eine Entlastung für die Polizei.
In diesem Sinne schlage ich eine Formulierung im BtMG vor, nach der der Besitz von X Gramm der Droge Y nicht straffrei sein soll (Strafverfahren einstellen), sondern gar nicht strafbar. Nur dann müsste die Polizei kein Strafverfahren eröffnen, die Konsumenten könnten ihre Ware behalten. Das ist die einzig logische Konsequenz, wenn man zu der Erkenntnis kommt, dass zumindest auf der Ebene der Konsumenten keine Fremdgefährdung und kein Unrechtsgehalt vorliegt.
Das gilt im Übrigen auch für die viel diskutierte Herabstufung des Besitzes geringer Mengen zur Ordnungswidrigkeit. Es ist zwar ein richtiger Ansatz, das Strafrecht im Umgang mit Drogenkonsumenten aus dem Spiel zu nehmen. Doch auf für die Ahndung als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern muss ein gesellschaftsschädigendes Verhalten vorliegen, etwa überhöhte Geschwindigkeit oder das unberechtigte Zuparken von Behindertenparkplätzen. Einen Joint zu besitzen rechtfertigt genauso wenig ein Bußgeld wie der Besitz einer Flasche Bier.

Eigenanbau von Cannabis entkriminalisieren
Den Vorschlag, auch einige Hanfpflanzen zum Eigengebrauch zu entkriminalisieren, begrüße ich ausdrücklich. Auch das ist die logische Konsequenz, solange der Handel nicht reguliert, sondern bekämpft werden soll, aber nicht die Konsumenten. Mit Eigenanbau machen sich Konsumenten unabhängig vom Schwarzmarkt, pumpen also kein Geld mehr in illegale Kanäle und schützen sich gleichzeitig vor den Gefahren verunreinigter Ware mit diversen Streckmitteln und Rückständen.

Drugchecking endlich einführen
Dass Drugchecking in Deutschland immer noch nicht möglich ist, ist schon erstaunlich. Eigentlich ist das ein „No-Brainer“. Alle mir bekannten Studien und Erfahrungsberichte aus anderen Ländern zeigen positive Auswirkungen von Drugchecking. Es ist doch ganz offensichtlich, dass es die Risiken des Konsums reduziert, wenn Konsumenten die Möglichkeit haben, ihre Substanzen analysieren zu lassen. Ganz nebenbei erleichtert das Drugchecking Kontakt zu den Konsumenten und Hilfsangebote.
Dass das politisch abgelehnt wird, ist Konsequenz einer ideologischen „Null-Toleranz-Politik“, die dem irrealen Traum einer drogenfreien Gesellschaft nachhängt. In diesem Sinne werden verunreinigte Drogen sogar positiv bewertet, weil die besondere Gefahr, die die Streckmittel mit sich bringen, einige Konsumenten abschrecken könnte. Teil dieser zynischen Logik ist, dass Vergiftungen und Todesfälle in Kauf genommen werden, die durch Drugchecking verhindert werden könnten.
Auch für Cannabis sollte es Drugchecking-Angebote geben. Das galt schon früher, als es „nur“ um Streckmittel und Produktionsrückstände ging. Das gilt erst Recht, seit offenbar ein erheblicher Teil des Cannabis auf dem Schwarzmarkt mit synthetischen Cannabinoiden aus dem Labor versetzt wird. Das ist eine massive Gefahr für Cannabiskonsumenten. Nur eine Regulierung des Cannabismarktes kann die Konsumenten letztendlich vor dieser Gefahr schützen. Wer aber sogar verhindern möchte, dass die Konsumenten verdächtige Proben analysieren lassen können, handelt unverantwortlich.

Georg Wurth
Geschäftsführer


Kommentare

10 Antworten zu „DHV-Stellungnahme zur Anhörung im Bundestag: Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten & Drugchecking“

  1. Florian Bach

    Gebt den Hanf frei !
    Bravo !

  2. chris80

    auch aus psychologischer Sicht sehr interessant
    sieht man doch gut, wie die Abgeordneten von CDU/AfD/SPD und auch FDP so ticken. Wenn man sich Augen und Ohren zuhält, existiert das Problem nicht. Bei Bewerbungsgesprächen soll man sich immer wie ein Macher darstellen, der die Herausforderung sucht, während die Politriege besetzt ist mit Leuten, die lieber wegsehen, als offensichtliche Probleme anzugehen, selbst wenn sie dadurch keinerlei Nachteile hätten.
    Man müsste man mal die Wähler dieser Parteien fragen: Wollt ihr wirklich von solchen Leuten regiert werden?
    Bald ist ja Wahl…

  3. Yannick

    Eindrucksvoll und
    Eindrucksvoll und verständlich geschrieben.
    Ich bewundere Euer arrangement.
    Weiter so.

    1. Holgi

      Engagement, Diggi. Du
      Engagement, Diggi. Du bewunderst das Engagement 😉

  4. Ritchie

    Super Sache!
    Immer wieder schön zu lesen das weiter gegen Unrecht gekämpft wird.
    Der Paradigmenwechsel scheint in greifbarer Nähe.
    Obwohl ich persönlich nicht glaube das sich unter Schwarz-Grün etwas ändert, falls dies der Fall wird.
    Macht weiter Druck bei den Verantwortlichen!

  5. Stellungnahme
    Gute Arbeit von Georg Wurth. Habe auch Dr. med.dent. W. Schinnenburg (MdB) schon meine Begründung
    zur Korrektur des Anliegens gesandt, zukünftig eine Cannabis-Steuer am THC-Gehalt auszurichten.
    Ihr alle wisst, dass das nicht funktionieren kann, weil nicht der Spitzen-THCA-Gehalt für eine
    Konsumenten-orientierte Sorte entscheidend ist, sondern das THC – CBD – Verhältnis. Je geringer der
    rauscharme CBD-Anteil ist, desto weniger Rezeptoren werden hiervon in “Beschlag” genommen, welche dem THC zur Verfügung gestanden hätten. Züchter würden also mit einem 1:76-Verhältnis die Steuer umgehen. Hier würde dem Staat ein Einnahmeverlust entstehen. Und teure starke Sorten (22%) mit bis zu 3% CBD wären “außen vor”. Hoffentlich wird das noch im Interesse der Konsumierenden sowie der Steuerbehörden korrigiert. MeCaDt Medizinal Cannabis Forschung Deutschland

  6. Sven

    Wow das ist richtig gut
    Wow das ist richtig gut geschrieben.
    Mega Argumente.
    Ich sehe schon das meine Mitgliedsbeiträge gut bei euch angelegt sind.
    Leider kommen die Gegener mit ihren absolut schwachen und nicht nachvollziehbaren Ansätzen immer noch durch.

  7. M. A. Haschberg

    Hallo Georg.
    Ein dickes Lob für deine sehr treffend und nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen formulierte Stellungnahme.
    Unsere auf diesem Gebiet hinreichend geschulten und unabhängigen Suchtexperten werden deinen Ausführungen sicherlich in vollem Umfang zustimmen, denn sie entsprechen schlichtweg der Wahrheit.
    Nur gekaufte Scharlatane, wie unsere “Drogenbeauftragte” samt ihrer politischen Bande werden weiterhin versuchen, ihren verlogenen geistigen Müll über diese überaus heikle Angelegenheit zu kippen.
    Aber wir werden ihr(ihnen) auch künftig ganz genau auf die Finger schauen und ihre unfairen Methoden unmissverständlich blosstellen.

  8. Franz Schranner

    Anhörung
    Guten Morgen Georg,
    wieder toll formuliert. Tolle Arbeit die du machst. Danke

  9. Georg Wurth

    kleine Fehler

    Ganz ungewohnt von mir: In der Stellungnahme sind ein paar kleine Fehlerchen. Es musste schnell gehen, ich habe die Stellungnahme 10 Minuten vor der Sitzung abgeschickt. 🙂

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