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Alle Jahre wieder – Die Techniker Krankenkasse macht mit fragwürdigen Zahlen gegen Cannabis mobil

Die Techniker Krankenkasse hat kürzlich ihre alljährliche Pressemitteilung zu Krankenhausaufenthalten aufgrund von Cannabiskonsum veröffentlicht. Der „Kiffen verursacht über 10.000 Klinikaufenthalte” lautenden Meldung zufolge seien vergangenes Jahr 10.142 Menschen aufgrund von Cannabiskonsum ambulant oder stationär behandelt worden. Die Zahl habe sich in den vergangenen zehn Jahren fast verdreifacht.

Das klingt ziemlich erschreckend. Schaut man sich allerdings die Statistik an, die hinter der Meldung steht, wird offensichtlich, wie man die gewünschte Schlagzeile produziert. Möchte man der Pressestelle keine tendenziöse Auswertung unterstellen, muss man zumindest feststellen, dass hier seitens der Krankenkasse nicht sauber recherchiert wird.

Denn unter den über 10.000 Cannabiskonsumenten finden sich auch jene wieder, die sich aufgrund des Konsums von gefährlichen, künstlichen Cannabinoiden in Form so genannter Räuchermischungen wie JWH-210 in Behandlung begeben mussten. Auch alle Personen, die körperliche Probleme aufgrund des Konsums von gestrecktem Cannabis hatten, fallen in diese Statistik, wie eine Sprecherin der Kasse bereits vor zwei Jahren der Redaktion des Hanf Journals auf Anfrage mitgeteilt  hatte. Die Zahl der alkoholbedingten Klinikeinweisungen lag im gleichen Zeitraum 35 mal so hoch, was die TK sowie die meisten Medien jedoch nur am Rande interessiert hat. Stünde hier der gesundheitliche Aspekt an erster Stelle, hätte die TK „ 350.000 alkoholbedingte Krankenhausaufenthalte – Cannabis 35 mal sicherer” titeln müssen. Auch die mit Opiat- und Opioidkonsum begründeten Fälle lagen mit über 26.000 ganze 2,5 mal so hoch wie bei Cannabis, ohne medial wahrgenommen zu werden.
In den vergangen Jahren hatte sich die TK sogar noch die Mühe gemacht, Zahlen für Jugendliche besonders reißerisch zu präsentieren. Doch schon ein kurzer Blick auf die entsprechende Tabelle beim Statistischen Bundesamt weist darauf hin, dass diese Zahlen seit Jahren falsch erhoben wurden und deshalb komplett gelöscht wurden. Die TK hat nicht etwa aus ihren sachlichen Fehlern gelernt. Den Praktikanten, die mit der langwierigen Auswertung dieser Tabellen betraut sind, fehlt schlichtweg die Grundlage für neue Schlagzeilen über kiffende Jugendliche.

Was ist ICD-10 F12 ?

Die offizielle Diagnose des Statischen Bundesamt lautet auch nicht Cannabiskonsum, sondern findet sich unter dem Code ICD-10 F12.: ”Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide“. Immerhin spricht das Bundesamt, anders als die TK, nicht von Cannabis, sondern von Cannabinoiden. Eine Erfassung der von Streckmittel betroffenen Konsumenten sowie deren Symptome gibt es trotz dringendem Bedarf allerdings auch bei den staatlichen Statistikern nicht.

Schaut man sich die Statistiken der letzten 10 Jahre wirklich einmal genau an, so schnellt der Anstieg der Krankenhausaufenthalte zeitgleich mit dem Auftauchen der Räuchermischungen und von gestrecktem Gras Mitte des letzten Jahrzehnts immens in die Höhe. Über keines der beiden Phänomene gibt es separate, medizinische Daten, alles kommt in den Topf der “Psychischen und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide”. Zudem impliziert die Meldung, dass die Abhängigkeitsrate unter Cannabisrauchern seit Jahren am Steigen sei. Ein kurzer Blick auf die aktuellen Zahlen der Bundesregierung beweist das Gegenteil:

– Ungefähr 500.000 konsumieren Cannabis “missbräuchlich”, die Zahl ist seit Jahren unverändert. Anders als bei Alkohol wird hier auch nicht zwischen Missbrauch und Abhängigkeit unterschieden.

– 9,5 Mio. Menschen in Deutschland konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form

– Etwa 1,3 Mio. Menschen gelten als alkoholabhängig


Kommentare

6 Antworten zu „Alle Jahre wieder – Die Techniker Krankenkasse macht mit fragwürdigen Zahlen gegen Cannabis mobil“

  1. Anonymous

    RE: Alle Jahre wieder – Die Techniker Krankenkasse macht mit fra
    Und damit hat sich die TK soeben aus dem Rennen geworfen!
    Eigentlich wollte ich aktuell zur TK wechseln.
    Diese Beiträge gehn flöten,und ich werde “werbung” machen liebe TK,wie gut ihr zur Naturmedizin steht 😉

  2. Anonymous

    RE: Alle Jahre wieder – Die Techniker Krankenkasse macht mit fra
    [quote name=”bro”] meiner meinung nach muss der hanfverband sich nicht hinstellen und sagen: “cannabis ist 35 mal sicherer als alkohol” – damit wird cannabis nämlich widerum verhamlost. [/quote]

    Das mit dem Verharmlosen wird mir auch schon wieder viel zu oft gesagt in den Medien. Natürlich ist Cannabis als Droge anzusehen, wie jede Substanz, die eine Reaktion im Gehirn/Körper auslösen kann. Bei manchen Menschen ist es eben Zucker, bei anderen Kaffee oder Alkohol, die Liste könnte man noch ewig weiterführen wie hier hoffentlich jeder weiß.

    Jedoch würde ich es nicht als Verharmlosung sehen, zu sagen, Cannabis sei weniger schädlich als Alkohol. Meiner Meinung nach ist das eine absolut gerechtfertigte Relativierung.

    Wenn ich zwei Substanzen habe, von denen Substanz A einen äußerst niedrigen LD-50 Wert besitzt und der LD-50 Wert von Subtanz B so hoch ist, dass er kaum bis gar nicht messbar ist, kann ich sehr wohl behaupten Substanz A ist schädlicher (tödlicher) als Subtanz B.

  3. Anonymous

    RE: Alle Jahre wieder – Die Techniker Krankenkasse macht mit fra
    Nicht zu vergessen, dass auch gelegentlicher Cannabiskonsum bei Personen in psychotherapeutischer Behandlung automatisch als problematisch eingestuft wird, während gelegentlicher Alkoholkonsum unproblematisch ist. So werden bei Cannabiskonsumenten alle psychischen Probleme in diesem Zusammenhang wahrgenommen und Abstinenz zur Pflicht. Auf das Feierabendbier am Stammtisch musste bei moderatem Alkoholkonsum noch niemand verzichten, um die Therapie fortsetzen zu können.
    Was das für die Statistik bedeutet, kann man sich denken….

  4. Anonymous

    RE: Alle Jahre wieder – Die Techniker Krankenkasse macht mit fra
    der artikel lässt leider zu wünschen übrig. sicher ist die berichterstattung tendenziös, doch meiner meinung nach muss der hanfverband sich nicht hinstellen und sagen: “cannabis ist 35 mal sicherer als alkohol” – damit wird cannabis nämlich widerum verhamlost. Meiner Meinung nach solltet ihr lieber die tatsächlichen Risiken von Cannabis diskutieren, denn das kommt von eurer Seite oft zu kurz. Ich sehe ein, dass ihr ein Pro-Hanf-Lobby-Verein seid, aber ihr verlangt einen offenen Umgang mit dem Thema Cannabis also müsst ihr euch offen zu den Problemen bekennen, die es im Zusammenhang mit Cannabis gibt. Ihr habt erstens eine Verantwortung gegenüber vielen Leser_innen, die ihr gut informieren könnt und zweitens auch Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zu verlieren, wenn ihr euch nicht kritischer mit Cannabis auseinandersetzt.

    Ein wichtiger schritt ist sicherlich der hinweis auf die mangelnde differenzierung in der erhebung der krankenhausdaten zwischen natürlichen und synthetischen cannabinoiden. hier ist definitiv aufholbedarf.

    bezüglich dem code F12:

    es ist nicht allzu unüblich, dass dieser code als sammelkategorie verwendet wird um cannabis bezogene probleme zu definieren. jedoch ist das ICD 10 auch nicht dafür gemacht um Probleme durch verunreinigte Substanzen oder synthetika zu entdecken.

    Also ich sehe das Problem eher darin, dass vielen Menschen die Streckmittelproblematik und die Probleme, die mit synth. Cannabinoiden zusammenhängen, nicht bewusst ist. Diese Punkte werden teilweise in der Wissenschaft berücksichtigt, jedoch ist die Politik damit weitestgehend ausgenommen. Leider.

    Noch zwei Kritikpunkte:

    “Die offizielle Diagnose des Statischen Bundesamt lautet auch nicht Cannabiskonsum, sondern findet sich unter dem Code ICD-10 F12”

    –> Cannabiskonsum ist keine Diagnose

    “Schaut man sich die Statistiken der letzten 10 Jahre wirklich einmal genau an, so schnellt der Anstieg der Krankenhausaufenthalte zeitgleich mit dem Auftauchen der Räuchermischungen und von gestrecktem Gras Mitte des letzten Jahrzehnts immens in die Höhe. Über keines der beiden Phänomene gibt es separate, medizinische Daten…”

    –> Diese Meldung suggeriert dem gewollten Leser, dass ihr einen Zusammenhang vermutet, der nur noch nicht bewiesen wurde. Meiner Meinung nach solltet ihr hier vorsichtiger argumentieren, sofern es hier wirklich keine handfesten Daten gibt. Wenn ihr wirklich wissen wollt, ob es hier einen Zusammenhang gibt, könnt ihr immer noch eine entsprechende Studie in Auftrag geben…

    Grüße
    bro

  5. Anonymous

    RE: Alle Jahre wieder – Die Techniker Krankenkasse macht mit fra
    Ist mir schon öfter aufgefalen, dass sehr selten zwischen Konsum von Cannabis und Konsum von legal-Highs diferenziert wird. Inzwischen wird schon Schlechtes Gras mit Legal-Highs gestreckt um mehr Geld zu machen. Eine sehr üble Entwicklung, von der ich in den Medien noch nie gelesen habe. Da besteht auf jeden Fall Aufklärungsbedarf!