Landtagswahlen 2011 in Sachsen-Anhalt

Informiert Sie über die Programme und Aktivitäten der Parteien zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 20.03.2011 und gibt eine Wahlempfehlung. Schwerpunkt der Betrachtungen ist die bisherige und zu erwartende Drogenpolitik, insbesondere bezüglich Cannabis.


 

Gliederung

Vorbemerkungen

Ebenso wie Drogen nicht alles im Leben sein sollten, ist natürlich auch Drogenpolitik nicht der einzige ausschlaggebende Punkt bei einer Wahlentscheidung. Dennoch sagt Drogenpolitik mehr über die Gesinnung einer Partei aus, als nur die Frage, ob sie Cannabis legalisieren will oder nicht.

Die Drogenpolitik verrät vielmehr Grundsätzliches darüber, ob eine Partei den Bürger eher als selbstbestimmtes Individuum sieht oder als lenkbares Schaf, das von der Obrigkeit vor bösen Einflüssen beschützt werden muss (und kann!).


Ausgangslage

Glaubt man den Demoskopen, wird sich in Sachsen-Anhalt auch nach der Wahl am 20.03. nicht viel ändern. Die wahrscheinlichsten Regierungskonstellationen wären demnach eine Weiterführung der Großen Koalition oder eine Rot/Rote Koalition. Die CDU liegt mit 31 Prozent knapp vor der LINKEN mit 27 Prozent. Etwas abgeschlagen rangiert an dritter Stelle die SPD mit 22 Prozent. Den GRÜNEN prophezeien die Meinungsforscher 7 Prozent, die FDP steht mit 5 Prozent auf der Kippe. Auch die rechtsextreme NPD macht sich Hoffnungen auf einen Einzug ins Parlament.

Bei CDU, FDP und SPD sucht man im Wahlprogramm vergeblich nach drogenpolitischen Positionen. GRÜNE und LINKE halten sich im Vergleich zu anderen Landesverbänden ihrer Partei sehr zurück. Gerade in Regionen, in denen Drogenkonsum tabuisiert wird, weil es der landläufigen Meinung nach “hier bei uns soetwas ja sowieso nicht gibt”, können existierende Drogenprobleme nicht thematisiert werden. Wer die Existenz von Drogen und Drogenproblemen nicht leugnet, spricht damit eine unbequeme Wahrheit aus.

Die Zahl der Verstöße gegen das BtMG ist bis zum Jahr 2004 auf 7059 Fälle angestiegen  – und damit immer noch deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Der Anstieg ab 1990 ist typisch für die neuen Bundesländer. Seit 2005 sinkt die Zahl fast jedes Jahr, bleibt seit drei Jahren relativ konstant auf niedrigem Niveau und ist im Jahr 2010 auf dem niedrigsten Stand seit 1998 (2010: 4492). Über 50 Prozent dieser Verstöße betreffen Cannabis. Die Kriminalstatistik lässt vor allem Aussagen über den Verfolgungsaufwand des Landeskriminalamts zu. Demnach wäre der Verfolgungsdruck in Sachsen-Anhalt vergleichsweise gering und in den letzten Jahren gesunken.

BtmG Verstöße 1994-2010 in Sachsen-Anhalt

Bei der letzten Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im Jahr 2006 erreichten die Parteien folgende Ergebnisse:

ParteiStimmanteil
CDU36.2 Prozent
Linkspartei.PDS24.1 Prozent
SPD21.4 Prozent
FDP6,7 Prozent
Grüne3,6 Prozent
DVU3,0 Prozent

Wahlbeteiligung 44.4% – historisch niedrigster Wert einer bundesdeutschen Landtagswahl
 

Bilanz der letzten fünf Jahre unter Schwarz/Rot

Die sozialdemokratische Justizminsterin Angela Kolb hat am 21.10.2008 eine neue Richtlinie zur Anwendung des §31a Absatz 1 BtMG erlassen. In der Richtline heißt es, dass die Staatsanwaltschaft beim Umgang mit Cannabisprodukten, die ausschließlich zum Eigenverbrauch bestimmt sind, in einer Bruttomenge von nicht mehr als 6 Gramm das Verfahren einstellen kann. Die alte Richtline vom 6.12.1994 sah vor, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen muss. Dies ist als Verschärfung der Repression gegen Cannabisendkonsumenten zu werten.
 

Die Parteien und ihre Standpunkte

CDU

Im aktuellen Wahlprogramm bezieht die CDU keinerlei Position zu legalen oder illegalen Drogen. An der Regierung hat die CDU Verschärfungen mitgetragen. Noch im letzten Wahlprogramm lehnte man eine Legalisierung entschieden ab. Auch sonst ist die CDU für ihren repressiven Ansatz bekannt. In einer Neuauflage der Großen Koalition würde sich nicht viel ändern. Für Hanffreunde ist die CDU unwählbar.

Zum Wahlprogramm der CDU – E-Mail:

LINKE
Im Gegensatz zur letzten Wahl in Sachsen-Anhalt hat die LINKE nun einen Absatz zur Drogenpolitik im Wahlprogramm. Sie fordert konkrete Hilfe für Drogenabhängige statt Kriminalisierung, Nichtverfolgungsgrenzwerte und eine etwas schwammige „deutliche Liberalisierung“ des Betäubungsmittelgesetztes:

Wir treten für eine Änderung des Betäubungsmittelrechts im Sinne einer deutlichen Liberalisierung ein. Wir wollen Nichtverfolgungsgrenzwerte, die bei Bagatellgebrauch Strafverfolgung durch Beratung ersetzen, wie es auch in anderen Bundesländern, z. B. in Berlin oder auch in Schleswig Holstein, gehandhabt wird.

In der Opposition hat die LINKE in der letzten Legislaturperiode nichts getan. Obwohl die LINKE die zweistärkste Fraktion im Landtag hat, gab es keine Pressemitteilungen oder Anfragen im Parlament zu diesem Thema.

Zum Wahlprogramm der LINKEN – E-Mail:

SPD

Bei den Sozialdemokraten findet sich im Abschnitt „Innere Sicherheit“ eine Passage über Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen im öffentlichen Raum. Die SPD erwägt dort, den Kommunen „vorbeugende Lösungen“ für das Problem bereitzustellen:

Wir wenden uns gegen den nicht zuletzt im öffentlichen Raum zu beobachtenden zunehmenden Alkoholkonsum von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden. Wir unterstützen vor allem präventive Konzepte und wollen darüber hinaus eine angemessene Regelung für die Kommunen schaffen, um ihnen vorbeugende Lösungen im öffentlichen Raum zu ermöglichen.

Das riecht streng nach neuen Verboten. Immerhin möchte die SPD gut arbeitende Suchtberatung und -prävention erhalten. In der Großen Koalition hat die SPD die Einstellungspraxis für die Geringe Menge bei Cannabis verschärft, andere Regierungsoptionen stehen ihr nach diesen Landtagswahlen nicht zur Verfügung. Wer drogenpolitisch wählt macht sein Kreuz lieber bei einer anderen Partei.

Zum Wahlprogramm der SPD – E-Mail:

FDP

Die Liberalen müssen den Umfragen nach um den Einzug ins Parlament zittern. Sie stellen sich genau so wie die CDU ohne drogenpolitische Postion im Programm zur Wahl. Auf Nachfrage wurde uns ein drogenpolitisches Papier der FDP Sachsen-Anhalt geschickt. Darin heißt es einerseits, man spräche sich für eine konsequente Verfolgung durch die Polizei bei illegalen Drogen aus. Gleichzeitig möchte man an der Straffreiheit für geringe Mengen festhalten. Dieser Widerspruch lässt nicht auf ein durchdachtes drogenpolitisches Gesamtkonzept schließen.

Zum Wahlprogramm der FDP – E-Mail:

GRÜNE

Die GRÜNEN sind seit 13 Jahren nicht mehr im Parlament vertreten. Bei diesen Wahlen ist ihre Chance zum ersten Mal wieder groß, den Einzug in den Landtag zu schaffen. Aus der außerparlamentarischen Opposition konnten die GRÜNEN kaum Politik machen. Ob sie unsere Interessen vertreten, wenn sie in den Landtag einziehen, lässt sich schwer abschätzen. Im Wahlprogramm ist von einer Legalisierung weicher Drogen nur sehr verklausuliert zu lesen:

Eine drogenfreie Gesellschaft gibt es nicht. (…) Die Legalisierung sogenannter weicher Drogen darf nicht über ihre Gefahren hinwegtäuschen. Bei harten Drogen wollen wir neben Prävention und Therapie die Überlebenshilfe als wichtigen Pfeiler der Suchtpolitik ausbauen. Gleichzeitig ist der Vertrieb harter Drogen mit allen rechtstaatlichen Mitteln im Rahmen der Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu verfolgen.

Dass sich GRÜNE positiv auf Strafverfolgung bei harten Drogen beziehen, liest man nur selten. Mit ihren Forderungen bleiben die GRÜNEN in Sachsen-Anhalt hinter denen anderer grüner Landesverbände zurück, die beispielsweise konkrete Aussagen zur Geringen Menge und zu Drogenkonsumräumen machen.

Zum Wahlprogramm der GRÜNEN – E-Mail:

Zusammenfassung und Wahlempfehlung

CDU und SPD  sind aus drogenpolitischer Sicht unwählbar. Die FDP weiß nicht so genau, was sie will. Die LINKE verfolgt einen fortschrittlichen Ansatz, ist aber in dieser Legislaturperiode nicht positiv aufgefallen. Die GRÜNEN sind im Vergleich zu anderen Landesverbänden eher zurückhaltend, sprechen aber indirekt von einer Cannabis-Legalisierung. Noch ist nicht klar, ob sie ins Parlament einziehen. Außerdem ist bei einer niedrigen Wahlbeteiligung der Einzug der neonazistischen NPD zu befürchten, welche die Wiedereinführung der Todesstrafe unter anderem auch für Drogendelikte fordert. Vom Programm her ist die LINKE den GRÜNEN vorzuziehen. Wer eine zweite hanffreundliche Fraktion im Parlament haben will, kann trotzdem die GRÜNEN wählen.

Schlussbemerkung

Und nun der vielleicht wichtigste Hinweis zum Schluss. Jeder, dem Cannabispolitik am Herzen liegt, sollte den Parteien mitteilen, warum er sie gewählt oder nicht gewählt hat! Das erhöht das Gewicht einer einzelnen Stimme enorm! Gerade in Bezug auf Grüne und Linke ist das wichtig, da sie gute Ansätze zeigen, aber scheinbar noch nicht ganz begriffen haben, wie gut sie mit diesem Thema punkten können. Es reicht ein Dreizeiler wie:

“Ich habe Ihnen diesmal meine Stimme gegeben, weil Sie sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzen und erwarte von Ihnen, dass Sie das Thema die nächsten vier Jahre auch voranbringen!”

“Ich hätte mir vorstellen können, sie dieses Jahr bei der Landtagswahl 2010 zu wählen, habe aber wegen ihrer repressiven Drogenpolitik davon Abstand genommen.”

Die passenden Emailadressen finden Sie bei den jeweiligen Absätzen zu den einzelnen Parteien.

Wir treten für eine Änderung des Betäubungsmittelrechts im Sinne einer deutlichen Liberalisierung ein. Wir wollen Nichtverfolgungsgrenzwerte, die bei Bagatellgebrauch Strafverfolgung durch Beratung ersetzen, wie es auch in anderen Bundesländern, z. B. in Berlin oder auch in Schleswig Holstein, gehandhabt wird .