Landtagswahlen 2010 in Nordrhein-Westfalen – Die Linke


Die Linke hatte bisher wenig Möglichkeiten, ihre Drogenpolitik in der parlamentarischen Praxis unter Beweis zu stellen. Diesmal haben sie aber gute Chancen, mit Fraktionsstärke in den Landtag einzuziehen. Das Programm der Linken finden wir sehr gelungen. Um den Entwurf zu diesem Programm gab es im Vorfeld geradezu eine Medienhysterie, wobei die Linken als Chaotenhaufen mit geradezu gemeingefährlichen Forderungen dargestellt wurden. Das “Recht auf Rausch” haben die Linken zwar aus dem Programm gestrichen, ihr Programm gefällt uns dennoch sehr gut.


Die Linken hatten bisher wenig Möglichkeiten, ihre Drogenpolitik in der parlamentarischen Praxis unter Beweis zu stellen. Diesmal haben sie aber gute Chancen, mit Fraktionsstärke in den Landtag einzuziehen. Bisher waren sie nur mit einem einzigen abtrünnigen ehemals grünen Abgeordneten im Parlament vertreten, der sich auch promt zur Wimber-Diskussion geäußert hat:

Hinter Polizeipräsident Wimber stellt sich Landtagsabgeordneter Rüdiger Sagel (LINKE). (…) Sagel stellt dabei klar: “Wichtig vor allem für Jugendliche ist eine objektive und differenzierte Aufklärung über Wirkungsweise von Rausch- und Genussmitteln und mögliche Folgen ihres Konsums, auch des weit verbreiteten Alkohol- und Medikamentenkonsums. Deshalb ist auch die Einführung einer Unterrichtseinheit “Genuss- und Rauschmittelkunde” an den NRW-Schulen notwendig”. Zudem ist eine “akzeptierende Drogenpolitik” notwendig. Dies bedeutet die Entkriminalisierung der “weichen” illegalen Drogen. Weiche und harte Drogen sollen getrennt werden und es soll, wie in den Niederlanden, verhindert werden, dass Drogenkonsumentinnen und -konsumenten in den Schwarzmarkteinsteigen müssen, um an Cannabis zu kommen. Echo Münster vom 2.2.10

Das Programm der Linken finden wir sehr gelungen. Um den Entwurf zu diesem Programm gab es im Vorfeld geradezu eine Medienhysterie, wobei die Linken als Chaotenhaufen mit geradezu gemeingefährlichen Forderungen dargestellt wurden. Dabei spielte auch der Passus zur Drogenpolitik eine Rolle.

Die Linke NRW freut sich, auf welche große Resonanz der Entwurf ihres Landtagswahlprogramms in der Öffentlichkeit gestoßen ist. “Besonders erstaunt hat mich die besondere Aufmerksamkeit, die die Forderungen nach einem ‘Recht auf Rausch’ und der Freigabe von Cannabis in den NRW-Leitmedien gefunden haben”, sagt der stellvertretende Landessprecher der NRW Linken, Ralf Michalowsky. “Dass ausgerechnet dieser Teil in unserem Programmentwurf offensichtlich die Köpfe einiger Redakteure heftig zum Rauchen gebracht hat, erschließt sich mir allerdings nicht wirklich”, räumt Michalowsky ein. Denn schließlich seien die Forderungen “doch eigentlich alte Hüte”.

So würden auch die Grünen in ihrem Grundsatzprogramm für eine Legalisierung von Cannabis eintreten. Die holländischen Grünen seien sogar schon einen Schritt weiter und setzten sich für den Anbau von Öko-Haschisch ein. (…) “Verbote lösen hingegen kein einziges Suchtproblem. Die legalen Droge Alkohol gilt unter Gesundheitsexperten als weit gefährlicher als Cannabis. Für die Cannabis-Kriminalisierung gibt das Land NRW viel Geld aus, das mit Blick auf die legalen Coffeeshops gleich hinter der niederländischen Grenze sinnvoller ausgegeben werden könnte”, so Michalowsky weiter. DIE LINKE. NRW: Recht auf Rausch ist ein alter Hut, BSOZD News vom 8. Oktober, 2009

Das “Recht auf Rausch” haben die Linken nach dieser Diskussion zwar aus dem Programm gestrichen, ihr Programm gefällt uns dennoch sehr gut. Sie richten ihr Augenmerk auch auf die normalen, unproblematisch Konsumierenden und ihre Probleme mit der Strafverfolgung. Sie finden dafür gute Formulierungen und stellen wesentlich konkretere Forderungen als die Grünen. Sie wollen z.B. nachvollziehbare THC-Grenzwerte für den Straßenverkehr einführen. Auch mit ihrer Forderung nach einem Schulfach “Genuss- und Rauschmittelkunde” machen sie einen mutigen Vorstoß für eine sinnvollere Drogenprävention in Schulen. Allerdings haben auch die Linken die Drogenpolitik nicht in ihr Kurzwahlprogramm aufgenommen und demonstrieren damit, ebenso wie die Grünen, dass sie das Thema dann doch nicht so hoch hängen wollen.

Fazit: Wir empfehlen die Linken ebenso wie die Grünen zur Wahl. Ob sie ihrem guten Programm im parlamentarischen Alltag gerecht werden, bleibt abzuwarten. Es schadet jedenfalls nichts, wenn zukünftig auch im NRW-Parlament zwei Parteien vertreten sind, die sich für eine Legalisierung von Cannabis einsetzen. Hier das Wahlprogramm:


Drogenberatungs- und Therapieangebote in den Vollzugsanstalten müssen deutlich ausgebaut werden.

Für eine vernünftige, tolerante und humane Drogenpolitik

Trotz herrschender Verbotspolitik sind illegalisierte Substanzen flächendeckend in Stadt und Land verfügbar. Laut Drogenbericht der Bundesregierung ist die Zahl der Drogentoten deutschlandweit im Jahr 2008 gestiegen, NRW lag an der Spitze der traurigen Statistik. Besonders aufgeschreckt sind Bundes- und Landesregierung regelmäßig vom angeblich unbekümmerten Cannabiskonsum von Jugendlichen. Als Gegenmaßnahme setzt die schwarz-gelbe Landesregierung vor allem auf Repression und »Null-Toleranz«, bei gleichzeitigem Kahlschlag von Beratungs und Betreuungsangeboten.

Zum 1. Oktober 2007 trat in NRW ein Runderlass von Justiz- und Innenministerium zur Anwendung des § 31a Absatz 1 des Betäubungsmittelgesetzes in Kraft. Demzufolge ist nun auch der Besitz einer geringen Menge so genannter harter Drogen zum Eigenverbrauch auf Null gesetzt, der Eigenbedarf von Cannabis auf sechs Gramm reduziert. Der Regelfall der Nichtverfolgung jugendlicher Cannabiskonsumenten ist an Auflagen gebunden. Jugendliche sind nun dazu gezwungen, eine Drogenberatung oder Therapiestelle aufzusuchen, wenn sie straffrei bleiben wollen. Schulleitungen sind gezwungen, Strafanzeige zu erstatten, wenn es Anhaltspunkte für Drogenbesitz bei Schülerinnen und Schülern gibt.

Damit verstößt Schwarz-Gelb gegen grundlegende gesundheits- und jugendpolitische Ziele in der Drogenpolitik. Angst- und verfolgungsfreie Kommunikation mit Konsumierenden und ergebnisoffene Auseinandersetzungen mit ihnen in der Schule, Jugend- oder Drogenhilfe werden empfindlich gestört. Jeder Gang zum Arzt oder zu Behörden, jedes Beratungsgespräch und Hilfsgesuch der Konsumierenden (vor allem so genannter harter Drogen) ist mit dem Risiko verbunden, polizeilich erfasst zu werden. Die derzeitige Kriminalisierung von Rauschmittel konsumierenden Menschen schafft durch die Zerstörung von Lebensläufen, Vertrauensverhältnissen, Freundschaften und Familien mehr Probleme, als sie vorgibt zu lösen.

Eine Drogenpolitik, die den Vorgaben von Vernunft und Humanität folgen will, wird für Menschen mit problematischen Konsummustern letztendlich nur durch eine enge Verbindung von Vorsorge, durch sachgerechte Aufklärung, ausstiegsorientierte Hilfen, Drogenersatzstoffen und weiteren Gesundheitshilfen für Schwerstabhängige erfolgreich sein.

Um die Kriminalisierung von Drogenkonsumentinnen und -konsumenten zu beenden, treten wir für eine Änderung des Betäubungsmittelrechts im Sinne einer deutlichen Liberalisierung ein. Unser Ziel ist ein humanes und fachlich überzeugendes Konzept, welches abhängigen Betroffenen eine grundsätzliche Perspektive für den Ausstieg aus der Sucht ermöglicht.

Nicht zuletzt halten wir die Einteilung in »legale« und »illegale« Substanzen für willkürlich. Illegalisierung verursacht Beschaffungskriminalität und ermöglicht den Umlauf »gepanschter« und hochgefährlicher Substanzen. Im Zuge umfassender Information und Aufklärung streben wir eine Neubewertung dieser Kategorien an. Die Legalisierung von Cannabis soll ein erster Schritt sein.

Auch das Fahrerlaubnisrecht (Fahrerlaubnisverordnung – FeV) darf von den zuständigen Behörden nicht länger als »Ersatzstrafrecht« missbraucht werden, indem Cannabisnutzerinnen und -nutzern die Fähigkeit zum Führen eines Pkws abgesprochen wird – Konsequenz: Führerscheinentzug – ohne dass die Betreffenden »berauscht« am Straßenverkehr teilgenommen haben.

DIE LINKE. NRW fordert:

  • Eine »akzeptierende Drogenpolitik«: Dies bedeutet die Entkriminalisierung der »weichen« illegalen Drogen. Weiche und harte Drogen sollen getrennt werden und es soll, wie in den Niederlanden, verhindert werden, dass Drogenkonsumentinnen und -konsumenten in den Schwarzmarkt einsteigen müssen, um an Cannabis zu kommen. Dies lässt sich am besten dadurch verhindern, indem man geringe Mengen dieser Droge erlaubt. Somit wird die Wahrscheinlichkeit deutlich verringert, dass Cannabiskonsumenten an härtere Drogen wie Ecstasy, Heroin etc. geraten.
  • Objektive und differenzierte Aufklärung über Wirkungsweise von Rausch- und Genussmitteln und mögliche Folgen ihres Konsums, auch des weit verbreiteten Alkohol- und Medikamentenkonsums.
  • Einführung einer Unterrichtseinheit »Genuss- und Rauschmittelkunde« an den nordrhein-westfälischen Schulen als Teil einer glaubhaften Prävention durch objektive und differenzierte Aufklärung.
  • Die Regulierung des derzeitigen völlig »freien« Drogenmarktes durch eine Bundesratsinitiative oder ein nordrhein-westfälisches Modellprojekt für Cannabis, welches den Besitz, Erwerb, Anbau und Handel unter Berücksichtigung des Jugendschutzes legalisiert.
  • Die Einrichtung von Druckräumen mit hygienischen Bedingungen für Abhängige harter Drogen und ihre Anbindung an Betreuungsangebote.
  • Mehr und bessere Projekte der Therapie- und Nachsorge; dazu gehören insbesondere Hilfe zur Selbsthilfe, Rechts- und Sozialberatung sowie Hilfe zur Reintegration in Beruf oder Ausbildung.
  • Flächendeckende Regelversorgung mit Diamorphin (synthetisch hergestelltes Heroin) bei der Behandlung so genannter Schwerstabhängiger.
  • Ausreichende und bedarfsorientierte psychosoziale Begleitung und Betreuung von Rauschmittelabhängigen auf freiwilliger Behandlungsgrundlage.
  • Finanzierung von zielgruppenspezifischen Beratungs- und Betreuungsangeboten, wie z. B. »Belladonna«, die Landesfachstelle Frauen und Sucht, die seit 2007 nicht mehr vom Land finanziert wird.
  • Nachvollziehbare THC-Grenzwerte auf wissenschaftlich gesicherter Grundlage für die Teilnahme am Straßenverkehr bei Cannabiskonsum, ähnlich der Promille-Regelung bei Alkohol, festlegen.

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