Hilfe! Mein Kind kifft! – Hinweise für Eltern und Angehörige von jugendlichen Cannabiskonsumenten

Eigentlich gibt es für Ihren Sohn oder ihre Tochter, wenn sie Cannabis probieren oder konsumieren, nur zwei wirklich ernsthafte Probleme: Wenn sie von der Schule oder Polizei erwischt werden oder wenn Sie als Eltern falsch reagieren. Hier bieten wir Informationen und Hinweise für Eltern, die sich Sorgen um den Konsum ihrer Kinder machen1.

Inhalt:

Kiffende Kinder – ein Problem?

Das Wissen, dass die eigenen Kinder oder Kinder von Bekannten und Verwandten etwas mit Cannabis zu tun haben, ist kein Grund zur Panik. Wie in unseren Beiträgen zu “Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken” und ““Turbo-Cannabis” – Eine Einordnung” nachzulesen ist, gibt es keinen faktischen Hintergrund für die “Haschisch- Seuchen- Propaganda” der Medienwelt. Dort kommen vor allem die Extremfälle zur Sprache, die mit dem üblichen Cannabis-Konsumenten nur wenig zu tun haben. Und es kommen oftmals jene Experten zu Wort, die fast ausschließlich mit diesen Extremfällen beschäftigt sind und unproblematische Konsummuster nur vom Hörensagen kennen. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, auf Grund dieser wenigen und für die Betroffen sicherlich sehr tragischen Schicksale, auf die Gesamtheit der Konsumenten zu schließen2.

Die üblichen Konsummuster reichen von einmaligem Probieren über den gelegentlichen Konsum bis hin zu regelmäßigem kontrollierten Konsum, der vergleichbar mit einem abendlichen Glas Wein oder Bier ist. In der Regel handelt es sich aber nur um einen Probekonsum, wenn mehr konsumiert wird, dann bei besonderen Gelegenheiten am Wochenende oder auf Partys. Bis zum dreißigsten Lebensjahr haben die meisten der kiffenden Jugendlichen ihren Cannabiskonsum wieder eingestellt.
Bei den so genannten “Problemfällen” kommt zu den vielen schulischen oder familiären Problemen der Cannabiskonsum hinzu und wirkt problemverstärkend, was wiederum eine Verstärkung des Cannabiskonsums nach sich ziehen und in einem harten und unkontrollierten Konsum münden kann. Cannabis ist in der Regel nicht die Ursache des Leids, sondern der Versuch der Bewältigung bzw. Verdrängung von Problemen. Starker Cannabiskonsum kann, muss aber nicht, ein deutlicher Hinweis auf bestehende Probleme sein, deren Bewältigung aber mit Cannabis, wie mit anderen Drogen auch, nicht gelingt. Aus diesem Grund gilt es, die persönlichen Probleme anzugehen und nicht nur die vermeintlich böse Cannabissucht zu bekämpfen.

Eine reale Gefahr der Schädigung durch Cannabis besteht besonders bei sehr jungen Konsumenten (14/15 jährige). Mit sinkendem Einstiegsalter erhöht sich das Risiko, dass die persönliche Entwicklung behindert und die Hirnentwicklung negativ beeinflusst wird, während es durch verstärkte Konsumfrequenz erhöht wird.

Wenn Sie bei ihrem Kind Handlungsbedarf sehen, auf Grund eines hohen Cannabiskonsums verbunden mit einem deutlichen Leistungsabfall in der Schule und / oder Abbrechen oder Vernachlässigen von sozialen Kontakten, dann wenden Sie sich bitte an Hilfeeinrichtungen, die einen akzeptierenden Ansatz verfolgen und mit Cannabis Erfahrung haben. (Eine Liste akzeptierender Hilfeeinrichtungen finden Sie auf der Seite des Akzept e.V. oder aller Hilfeeinrichtungen bei www.dhs.de )

Reden über Cannabis

Cannabis gehört in gewissem Maße zur Jugendkultur wie Musik oder Schuhmoden. Die Jugendlichen befinden sich in der Phase, in der sie beginnen ihren eigenen Weg zu gehen.
“Sie orientieren sich an anderen Vorbildern aus ihrer sozialen Umgebung, an Gleichaltrigen und älteren SchülerInnen, schwärmen für ‘unmögliche’ Stars, Musik und Moden, (…). Zu diesem Komplex gehören auch die Drogen, legal wie illegal. Drogen, die zusammen mit den ersten Liebesabenteuern, Raves und Diskos einen gemeinsamen ‘Jugendstil’ bilden, dem man ‘angehören muss’, will man nicht allzu sehr sozial isoliert werden.”3

In diesen Rahmen gehören positive und negative Erfahrungen, die richtig und notwendig sind, um für die Erwachsenenwelt daraus zu lernen. Machen Sie sich das klar und machen Sie sich die Situation ihres Kindes klar. Für Eltern ist es wichtig, aus Cannabis keine Staatsaffäre zu machen, denn das würde der realen Gefährdung nicht gerecht werden. Suchen Sie ein Gespräch auf Augenhöhe und weisen Sie auf untenstehende tatsächliche Gefahren hin, diskutieren Sie z.B. Fragen nach dem Sinn und Zweck von Rausch oder den sinnvollen Umgang mit Risiken. Fördern Sie die Selbstreflexion und die Selbstverantwortung ihres Kindes. Unterstellen Sie ihrem Kind nicht Probleme, die es nicht hat, aber seien Sie aufmerksam und haben Sie ein offenes Ohr für die Probleme, die Ihr Kind an Sie heranträgt. Auch wenn es für sie erstmal schwer nachzuvollziehen ist, freuen Sie sich, wenn ihr Kind offen mit ihnen über seinen Cannabiskonsum spricht. Ein offenes Gespräch bringt mehr als eine Bestrafung.

Probleme mit der Polizei

Rechtliche Situation: In der Regel wird bei Besitz einer geringen Menge zum Eigenverbrauch die strafrechtliche Verfolgung durch den Staatsanwalt eingestellt. Das bedeutet: Wurde Ihr Kind mit einer geringen Menge Cannabis erwischt, wird dies in den meisten Fällen keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Bei unter 18jährigen ist dies jedoch abhängig von der Staatsanwaltschaft. Einige Staatsanwälte sind von der erzieherischen Wirkung eines Verfahrens bei Jugendlichen überzeugt und stellen nicht ein. Was als geringe Menge angesehen wird, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.

Problematischer ist das Eingreifen der Straßenverkehrsbehörden, die von der Polizei informiert werden, unabhängig von einer Einstellung des Strafverfahrens. Mögliche Konsequenzen sind Fahrverbote, Führerscheinentzug und teure medizinisch-psychologische Untersuchungen (MPU), Anordnung von Drogenscreenings/MPU, da an der generellen Fahreignung gezweifelt wird. Für die Straßenverkehrsbehörde ist es dabei nicht entscheidend, ob ein Jugendlicher (unter 18 Jahren) ein Fahrzeug (Mofa, Leichtkraftrad) unter Drogeneinfluss gefahren hat oder “nur” im Besitz oder beim Konsum von Cannabis erwischt wurde.
Wichtig ist es auch zu wissen, dass solche Verfahren bei einer zukünftigen Führerscheinerteilung eine Rolle spielen. Es könnte also sein, dass ihr Kind, um überhaupt einen Führerschein zu erhalten, sich Drogenscreenings und/oder einer MPU unterziehen muss!

Eltern sollten in diesem Zusammenhang ihren Kindern folgendes an Herz legen:

  • 1. Unter keinen Umständen unter Einfluss von Cannabis am Straßenverkehr teilnehmen!
  • 2. “Sich nicht erwischen lassen”, d.h. nicht leichtsinnig in der Öffentlichkeit den Joint kreisen zu lassen, möglichst nicht zu dealen4 und nicht bekifft in die Schule!
  • 3. Gemeinsam sollten Sie lernen, wie man sich der Polizei gegenüber verhält und zwar unabhängig davon, ob man etwas zu verbergen hat oder nicht.

Probleme mit der Schule

Grundsätzlich gilt das Prinzip der Punktnüchternheit, das bedeutet, dass Kiffen in der Schule nichts zu suchen hat, da die Anforderungen der Schule mit den Wirkungen des Cannabis nicht in Einklang zu bringen sind. Langweiliger Unterricht wird durch Kiffen vielleicht lustiger, aber nicht besser. Besser wird er durch aktive Teilnahme am Unterricht, bzw. aktives Eintreten für guten Unterricht gegenüber dem Lehrer und/oder in den Gremien der Schule. Das sollten Sie ihrem Kind auch vermitteln, wenn sie das Gefühl haben, ihr Kind konsumiert während der Schulzeit Cannabis.

Drogen und insbesondere Cannabis sind für die Schulen ein zweischneidiges Thema. Auf der einen Seite haben sie eine pädagogische und rechtsstaatliche Verantwortung, die sich klar gegen illegale Drogen, aber auch gegen Tabak und Alkohol richtet. Auf der anderen Seite schadet es dem Renommee einer Schule, wenn sie mit Drogen in Zusammenhang gebracht wird. In aller Regel wird sich die Schule im Rahmen der Prävention diesem Thema widmen, über die Erfahrungen der Jugendlichen und die Drogenrealität an der Schule wird aber ein Mantel des Schweigens gehüllt.
Wird man jedoch in der Schule oder auch auf Exkursionen oder Klassenfahrten mit Cannabis erwischt, bringt man Lehrer und Schule in einen besonderen Zugzwang mit möglicherweise so ernsthaften Konsequenzen wie dem Verweis von der Schule. Dies gilt auch, wenn die Schule sonst die Augen verschließt, denn: Konkreten Vorfällen muss die Schulleitung nachgehen, selbst wenn sie es im Einzelfall gar nicht will!

Auch dies ist ein Thema, über das man mit Jugendlichen reden kann und sollte, denn Probleme mit und in der Schule in Zusammenhang mit Cannabis und anderen Drogen können gravierende Folgen für die Entwicklung und Zukunft ihres Kindes haben.

Der Schutz ihres Kindes vor diesen Folgen sollte in jedem Fall vor einem möglichen Interesse an einer vermeintlich pädagogisch wirksamen Bestrafung überwiegen. Daher sollten Sie im Ernstfall ihrem Kind beistehen, auch um langfristig eine positive Bindung zu erreichen.

“Solange es uns und unseren Kindern gelingt, einander als prinzipiell gleichberechtigte Partner mit unterschiedlichem Wissen, Sorgen und Interessen zu begreifen, so lange sollte Cannabis sich ebenso wenig zum ernsthaften Problem entwickeln können wie das etwas missratene Schulzeugnis oder die beginnende Jugendliebe.”5

Stephan Quensel

Informationsquellen für betroffene Eltern

Zur weiteren Information seien Ihnen folgende Informationsquellen ans Herz gelegt:

  • Birgitta Kolte, Henning Schmidt-Semisch, Heino Stöver (Hrsg.): Was tun, wenn Cannabis zu Problem wird? Leitfaden für KonsumentInnen, Eltern, LehrerInnen und BeraterInnen in der Drogenhilfe.
  • akzept e.V. ist der Dachverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik. Auf dessen Internetseite finden sich Drogenberatungsstellen und weiterführende Links.
  • Cannabisfakten.de – seriöses Informationsportal rund um das Thema Cannabis
  1. Quensel, Stephan: Ein Elternratschlag. In: Was tun, wenn Cannabis zu Problem wird? Leitfaden für KonsumentInnen, Eltern, LehrerInnen und BeraterInnen in der Drogenhilfe. Hg: Kolte, Schmidt-Semisch, Stöver. Frankfurt 2006 ↩︎
  2. Die Zahlen, wie viele Cannabiskonsumenten denn nun ein problematisches Konsummuster haben, schwanken erheblich je nachdem, was die entsprechende Studie als problematisch ansieht. Extreme Probleme, wie sie oft in den Medien geschildert werden, dürften aber höchstens bei 5 % der Konsumenten auftreten. ↩︎
  3. Quensel, Stephan: Ein Elternratschlag. In: Was tun, wenn Cannabis zu Problem wird? Leitfaden für KonsumentInnen, Eltern, LehrerInnen und BeraterInnen in der Drogenhilfe. Hg: Kolte, Schmidt-Semisch, Stöver. Frankfurt 2006 ↩︎
  4. Schon die Weitergabe an Freunde kann bei Gericht negativ ausgelegt werden, denn dies fällt nicht mehr unter “Eigenverbrauch”. (siehe dazu auch die einschlägigen Bestimmungen im BTMG) ↩︎
  5. Quensel, Stephan: Ein Elternratschlag. In: Was tun, wenn Cannabis zu Problem wird? Leitfaden für KonsumentInnen, Eltern, LehrerInnen und BeraterInnen in der Drogenhilfe. Hg: Kolte, Schmidt-Semisch, Stöver. Frankfurt 2006 ↩︎