Freie Wähler (Europa 2024)

Bei unserem Wahlcheck betrachten wir die jeweiligen Wahlprogramme und die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine.

Programm

Das Wahlprogramm der Freien Wähler ist leider wenig konkret in Bezug auf Drogenpolitik. Gesundheitsschäden durch Drogenkonsum sollen verringert werden, indem kreative Lösungen in “Projektförderungen auf europäischer Ebene zu gesundheitlichen und sozialen Aspekten” erarbeitet werden. Das klingt leider nach inhaltsleeren Parolen. Außerdem will man die Zusammenarbeit von Europol und Polizei stärken, um den Drogenhandel zu begrenzen. Waren stets bemüht.

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Auszug aus dem Programm

“Europa als Sicherheitsgarant

Die EU-Sicherheitsagentur Europol muss zu einem europäischen Polizeiamt mit eigenen Exekutivbefugnissen weiterentwickelt werden. Ziel muss sein, sie über mitgliedsstaatliche Grenzen hinweg handlungsfähig zu machen. Dies gilt insbesondere für schwere Straftaten im Cyberraum, die grenzüberschreitend begangen werden, wie zum Beispiel den organisierten Drogen- und Waffenhandel, Kinderpornografie und Cyber-Attacken sowie für schwere Straftaten der Organisierten Kriminalität, soweit diese länderübergreifende Strukturen erkennen lässt.
Es muss unterbunden werden, dass aufgrund offener Grenzen kriminelle Banden, Clans, Schleuser, Drogenhändler und Cyberkriminelle in Europa weitgehend ungehindert agieren können, während die Strafverfolgungsbehörden weiterhin an den Grenzen halt machen müssen. Durch gute Koordination, Bürokratieabbau und schnelle Handlungsmöglichkeiten muss es den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht werden, grenzübergreifend zu handeln und Kriminelle sowie kriminelle Vereinigungen europaweit zu verfolgen.”

“Gesundheitsförderung und Prävention stärken

Wir wollen die Bekämpfung weitverbreiteter Krankheiten wie HIV und Malaria voranbringen.
Ebenso wollen wir die Verringerung von Gesundheitsschäden, z. B. durch Drogenkonsum, erreichen. Dazu ist es nötig, Probleme aufzudecken und kreative Lösungen zu erarbeiten. Es braucht deswegen hierfür eine Projektförderung auf europäischer Ebene zu gesundheitlichen und sozialen Aspekten.”

Antworten auf Wahlprüfsteine

Die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine überraschen tatsächlich ein wenig, wenn man bei den Freien Wählern vor allem an den bayerischen Landesverband und dessen Minister Aiwanger denkt. Die vertretenen Standpunkte sind keinesfalls eindeutig negativ. Prinzipiell positiv sehen die Freien Wähler die Entkriminalisierung ebenso wie die Legalisierung von Cannabis. Allerdings begründen sie das im Kern damit, dass Cannabiskonsumenten ein Suchtproblem haben und man ihnen so besser helfen kann. Negativ sehen die Freien Wähler die Abgabe von Cannabis über Anbauvereinigungen. Einen Ausbau von Drug-Checking-Angeboten befürwortet man ebenso wie die Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten. Zudem bringen sie das Konzept eines Drogen-Führerscheins ein, der bei Missbrauch auch wieder entzogen werden soll. Auf unsere Fragen nach Modellprojekten zur Cannabisabgabe und zur Änderung des EU-Rechts bzgl. Cannabislegalisierung gab es keine konkreten Antworten. So detailliert scheint man sich mit den aktuellen cannabispolitischen Themen nicht zu beschäftigen.

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1. Menschen, die Cannabis konsumieren, besitzen und in geringem Umfang für den eigenen Konsum anbauen, werden seit dem 01.04.2024 in Deutschland nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Wie stehen Sie zu dieser Entkriminalisierung?

Bei einer Drogensucht handelt es sich per Definition um ein nicht kontrollierbares Verhalten, daher bringen auch Strafen zur Abschreckung wenig. Eine Mischung aus Aufklärung, Suchtprävention und Hilfsangeboten ist nicht nur wirkungsvoller, sondern entlastet auch die Staatskasse von Verfahrens- und Vollzugskosten. Auch werden Menschen nur dann bereit sein, von sich aus über ihr Problem zu sprechen und Hilfe anzunehmen, wenn sie nicht fürchten müssen, dafür bestraft zu werden. Wir begrüßen deshalb die Entkriminalisierung von Cannabis.

2. Wie stehen Sie ganz allgemein zur Legalisierung von Cannabis im Sinne einer Regulierung des Marktes, z.B. mit Fachgeschäften für Erwachsene?

Wir stehen der Legalisierung von Cannabis, offen gegenüber, sofern es parallele Verbesserungen bei der Suchtprävention und -behandlung gibt. Die Abgabe in speziell zugelassenen Geschäften sollte nur gegen Identitäts- und ggf. Sachkundenachweis, gewissermaßen einen Drogenführerschein, den man bei Missbrauch wieder verlieren kann, z.B. wenn man Drogen an Minderjährige abgibt, erfolgen.

3. Wie stehen Sie zum Vorhaben, wissenschaftliche Modellprojekte zur Erprobung der kontrollierten Abgabe von Cannabis in Fachgeschäften in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten (z.B. Deutschland) zu etablieren?

Die Abgabe über Fachgeschäfte ist für uns die einzige Lösung für eine kontrollierte Abgabe im Rahmen des Jugendschutzes. Die Kontrolle über die Abgabe von Cannabis im Rahmen der Social-Clubs ist aus unserer Sicht nur schwer zu gewährleisten.

4. Das Bundesgesundheitsministerium erteilte der geplanten kontrollierten Abgabe in Fachgeschäften aufgrund europarechtlicher Bedenken eine Absage. Wird sich Ihre Partei im Europäischen Parlament dafür einsetzen, diese rechtlichen Hemmnisse für eine vollumfängliche Legalisierung zu beseitigen?

Wir werden uns für die Einrichtung von Fachgeschäften einsetzen. Gerade im Hinblick auf den Jugendschutz ist dieser Weg der Distribution der Zielführendste.

5. Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt, z.B. in Uruguay, Kanada und einigen US-Staaten. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte in Zukunft konkret aussehen?

Die Einteilung in weiche und harte Drogen ist veraltet. Daher stehen wir der Legalisierung weiterer Drogen, wie z.B. Cannabis, offen gegenüber, sofern es aus wissenschaftlicher Sicht vertretbar ist und die obigen Verbesserungen bei der Suchtprävention und -behandlung sowie weitere Zusatzmaßnahmen erfolgt sind. Solche Zusatzmaßnahmen umfassen die Abgabe in speziell zugelassenen Geschäften, wie oben beschrieben, nur gegen Identitäts- und ggf. Sachkundenachweis, gewissermaßen einen Drogenführerschein, den man bei Missbrauch wieder verlieren kann, z.B. wenn man Drogen an Minderjährige abgibt.
Das derzeitige deutsche Modell mit einer Verteilung über sogenannte Social Clubs halten wir in Bezug auf Prävention und Jugendschutz für nicht zielführend.

6. Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von illegalen Drogen?

Hilfsangebote müssen erweitert werden. Neben niederschwelligen Angeboten wie der anonymen Telefonberatung oder der anonymen persönlichen Beratung hat Portugal gute Erfahrungen mit der Möglichkeit gemacht, Drogen anonym analysieren zu lassen. Auf diese Weise erhält man einen Überblick über die im Umlauf befindlichen Substanzen und kann so sogar gezielte Warnungen abgeben. Mit entsprechender Ernsthaftigkeit durchgeführt, kann dies Drogentote verhindern.

7. Wie stehen Sie zur Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten (Modell Portugal)?

Bei einer Drogensucht handelt es sich per Definition um ein nicht kontrollierbares Verhalten, daher bringen auch Strafen zur Abschreckung wenig. Eine Mischung aus Aufklärung, Suchtprävention und Hilfsangeboten ist nicht nur wirkungsvoller, sondern entlastet auch die Staatskasse von Verfahrens- und Vollzugskosten. Auch werden Menschen nur dann bereit sein, von sich aus über ihr Problem zu sprechen und Hilfe anzunehmen, wenn sie nicht fürchten müssen, dafür bestraft zu werden. Der Konsum von Drogen muss entkriminalisiert werden. Auf die Herstellung und den Handel von Drogen trifft dies natürlich nicht zu. Diese sollen weiterhin hart verfolgt werden.

8. Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Europafraktion (bzw. Landesgruppe in Ihrer Fraktion) in der aktuellen Legislaturperiode auf der europäischen Ebene und was sind Ihre konkreten drogenpolitischen Pläne für die kommende Legislaturperiode?

Wir halten die aktuell von der Ampel in Deutschland durchgeführten Legalisierungsschritte für jugendgefährdend. Die Verteilung von Cannabis über sogenannte Social Clubs lassen sich nicht ausreichend kontrollieren. Ein legaler Verkauf darf unserer Ansicht nach nur über lizensierte Fachgeschäfte erfolgen. Hier wollen wir auf nationaler und europäischer Ebene nachjustieren.

Bisherige parlamentarische Aktivität

Das Wahlprogramm der Freien Wähler war leider nicht wirklich überzeugend und wartete mit Phrasen auf. Die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine waren relativ progressiv, jedenfalls im Vergleich zum bekanntesten Vertreter der Partei Hubert Aiwanger (“Die Kinder sollen lieber Schnitzel essen und Fleisch anstatt Cannabis zu rauchen”). Die Freien Wähler sind für Entkriminalisierung nicht nur von Cannabiskonsumenten, hält diese aber für süchtige Problemfälle. Sie sind für die Legalisierung von Cannabis, schlagen aber merkwürdig restriktive Regelungen vor. Die Stichworte “Modellprojekte” und “Änderung von EU-Recht” scheint die Partei nicht zu kennen. Insgesamt ein durchwachsenes Bild der Freien Wähler. Daher gibt es auch nur eine eingeschränkte Wahlempfehlung von uns.