Die Linken (Bremen 2023)

Bei unserem Wahlcheck betrachten wir die jeweiligen Wahlprogramme, die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine sowie die parlamentarischen Aktivitäten in der vergangenen Legislaturperiode.

Programm

Im Wahlprogramm der Linken findet sich ein klares Bekenntnis zur Legalisierung von Cannabis. Man setzt sich dafür ein, reine Besitzdelikte nicht länger an die Fahrerlaubnisbehörde zu melden. Ferner soll auch beim Besitz von geringen Mengen anderer Drogen eine Einstellungspraxis ähnlich wie bei Cannabis etabliert werden. Den Problemen am Hauptbahnhof soll mit unterstützenden dezentralen Hilfsangeboten und Rückzugsorten sowie Konsumräumen begegnet werden. So steht die Einrichtung einer Diamorphinambulanz ebenso auf dem Plan wie der Ausbau von Substitutionsangeboten. Außerdem soll ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Crack einen neuen Impuls im Umgang mit der Szene setzen. Insgesamt ein ambitioniertes, umfangreiches und modernes drogenpolitisches Programm!

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Auszug aus dem Wahlprogramm

“Der Umgang mit Cannabis soll großzügiger gehandhabt werden.”  S.6 (Vorwort)

Drogenpolitik

“Die Verbotspolitik und Kriminalisierung im Bereich des Cannabisbesitzes und -konsums ist gescheitert. Wir treten für die vom Bund versprochene – aber bislang noch nicht umgesetzte – weitere Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten unter Einhaltung hoher Jugendschutzstandards ein. Wir begrüßen die in Bremen erhöhten Grenzwerte, bis zu denen der Besitz von Cannabis als geringfügige Menge gilt und etwaige Strafverfolgung nicht eingeleitet oder eingestellt wird. Je nach Ausgestaltung des Bundesgesetzes wollen wir für das Bundesland Bremen eine weitere Entkriminalisierung erreichen. Unter anderem wollen wir die Praxis beenden, dass jedweder Besitz von Cannabis an die Führerscheinstelle gemeldet wird. Auch die kontraproduktive und ressourcenbindende „Nulltoleranzstrategie“ in der JVA, die selbst bei 0,1 Gramm Cannabis zwingend zu Ermittlungsverfahren führt, wollen wir beenden und durch höhere Grenzwerte ersetzen.

Konsument*innen sollen nicht wie Verbrecher*innen behandelt werden. Deshalb wollen wir die gängige Praxis, wonach die Justiz Verfahren beim Besitz von beispielsweise Ecstasy in kleinen Mengen für den reinen Eigenverbrauch einstellt (geringe Menge), offiziell in einer Richtlinie festhalten. Eine solche Richtlinie haben wir auch schon für den Besitz von Cannabis beschlossen und damit zur Entkriminalisierung beigetragen.

Eine Drogenpolitik, die auf die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen aus ist, begegnet Sucht nicht mit Repression und Verdrängung, sondern ermöglicht Menschen den Zugang zu sozialen und gesundheitlichen Hilfestellungen und beginnt früh mit Aufklärung sowie Prävention. Insbesondere zur Verbesserung der eskalierenden Verhältnisse am Bremer Hauptbahnhof fordern wir einen integrierten, tolerierenden, aufsuchenden und unterstützenden Ansatz, der den Aufbau von Konsum- und Ruheräumen sowie ausreichende Kapazitäten zum kurzfristigen Entzug und betreutem Wohnen vorsieht. Dabei sollen die Angebote möglichst dezentral aufgebaut werden, um den Konsument*innen eine räumliche Trennung zur Szene zu ermöglichen. Vervollständigt wird das Ganze durch eine engmaschige Begleitung durch qualifizierte Sozialarbeiter*innen. Dies, flankiert von einer kontrollierten Abgabe (siehe unten, Diamorphinambulanz), kann zu einer erheblichen Entspannung am Hauptbahnhof und zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Konsumierenden beitragen.

Wo gesundheitspolitisch sinnvoll und möglich, sollen Substitutionsprogramme ausgebaut werden. Bestehende Methadonprogramme sollen bedarfsgerecht und mehrsprachig erhalten und durch den Aufbau einer Diamorphinambulanz ergänzt werden. Dies kann ein zusätzlicher Baustein sein, um dem in Bremen zunehmenden Crackkonsum zu begegnen, der häufig als Beikonsum zum Methadonsubstitut zur Generierung eines „Kicks“ und zur Aktivierung genutzt wird.

Wir wollen auch in Bremen ein Angebot für „Drug-Checking“ schaffen, um Konsumrisiken beispielsweise durch verunreinigte Stoffe zu reduzieren.

Insbesondere rund um den Bahnhof hat in der jüngeren Vergangenheit die Problematik des Konsums von Crack stark zugenommen. Hierfür braucht es eine neue Strategie, weil diese Konsument*innen von bestehenden Angeboten der Drogenhilfe schwieriger erreicht werden können. Wir wollen Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe von Crack entwickeln, wie sie auch in anderen Kommunen diskutiert werden.

Außerdem braucht es Toleranzflächen und feste Ausruh- und Konsumräume, wo sich die Drogenkonsument*innen aufhalten können. Auch der bereits geschaffene mobile Drogenkonsumraum in der Friedrich-Rauers-Straße ist hierfür wichtig. Die Verdrängungspolitik am Bahnhof ohne gleichzeitige Schaffung von Ausweichflächen führt nur zu einer Verlagerung der Szene und dazu, dass sie für die bestehenden Hilfsangebote und –strukturen schwerer erreichbar sind. Deshalb setzen wir auf einen ganzheitlicheren Ansatz, der nicht dem Motto folgt: „Aus den Augen aus dem Sinn.“ Die wichtige Arbeit der Drogenhilfe muss weiter ausgebaut werden, insbesondere auch zur fremdsprachlichen Ansprache. Die Substitutionsangebote müssen bedarfsgerecht ausgebaut werden.

Wir wollen für Schwerstabhängige eine Reinstoffvergabe in Form einer Diamorphinambulanz einrichten.” S. 53f

Inneres

“Wir verfolgen einen breiter gefassten Sicherheitsbegriff, der auch auf Prävention und sozialer Gerechtigkeit fußt. Deshalb haben wir uns auch dagegen gewehrt, rein mit ordnungspolitischen Maßnahmen und Polizeikontrollen die sozialen und drogenpolitischen Schieflagen am Hauptbahnhof zu bearbeiten. Verdrängungspolitik verschärft diese Probleme durch Behinderung der Straßensozialarbeit, auch braucht es Ausweichmöglichkeiten in Form von Toleranzflächen.” S. 68

Antworten auf Wahlprüfsteine

Die Bremer Linke bekennt sich klar zur Cannabislegalisierung und mahnt deren Umsetzung auf Bundesebene an. Bis dahin soll Cannabis weitgehend entkriminalisiert werden. Drug-Checking will sie in Bremen einführen, nachdem in der vorherigen Legislaturperiode bereits in einem Vorgängerprojekt Konsumrückstände analysiert wurden. In Bezug auf den Führerschein positioniert man sich klar für einen THC-Grenzwert von 3 ng (pro ml Serum), gegen die weitere Relevanz von Abbauprodukten und für ein Ende der Besitzmeldungen an die Führerscheinstelle. Nach der Wahl will man das in Bremen “geeignete gesellschaftliche Klima für zukunftsorientierte Modellprojekte im Bereich der Legalisierung, Nutzung und Erforschung von Cannabis” nutzen.

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Frage 1

Die Bundesregierung plant den Cannabismarkt zu regulieren. Dieser Prozess dürfte wegen vieler Details noch etwas dauern. Wie stehen Sie dazu, die Entkriminalisierung im Vorfeld über Anhebung der “Geringen Menge” (§31a BtMG) u. konsequenter Einstellungsvorgabe für Staatsanwaltschaften voranzubringen?

Antwort

Wir treten für die vom Bund versprochene – aber bislang noch nicht umgesetzte – weitere Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten ein.

Wir begrüßen zudem die in Bremen in dieser Legislaturperiode vorgenommene Erhöhung der Grenzwerte auf 10 bis 15 Gramm, bis zu denen der Besitz von Cannabis als geringfügige Menge gilt und eine etwaige Strafverfolgung nicht eingeleitet oder eingestellt wird. Damit hat Bremen gemeinsam mit Berlin eine der liberalsten Regelungen hierzu.

Im Land Bremen wollen wir je nach Ausgestaltung des Bundesgesetzes eine weitere Entkriminalisierung erreichen. Unter anderem wollen wir die Praxis beenden, dass jedweder Besitz von Cannabis an die Führerscheinstelle gemeldet wird. Auch die kontraproduktive und ressourcenbindende „Nulltoleranzstrategie“ in der JVA, die selbst bei 0,1 Gramm Cannabis zwingend zu Ermittlungsverfahren führt, wollen wir beenden und durch höhere Grenzwerte ersetzen. Zudem setzten wir uns für die Entkriminalisierung des Eigenanbaus zur Deckung des Eigenbedarfs ein.

Frage 2:

Nach §3 Abs. 2. BtMG kann eine Kommune oder ein Land eine Ausnahmegenehmigung für eine legale Cannabisabgabe, im wissenschaftl. oder öffentl. Interesse, beantragen. Wie stehen Sie zu Modellversuche für eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene, falls ein bundesweit regulierter Cannabismarkt scheitert?

Antwort

Einen solchen Modellversuch fordern wir LINKE für Bremen seit 2014. Allerdings lehnt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte entsprechende Anträge erfahrungsgemäß ab. Deshalb wollen wir alle landesrechtlichen Spielräume nutzen, um den Konsum zu entkriminalisieren und auf Bundesebene für weitere Mehrheiten in dieser Frage kämpfen. Zuletzt wurde auf unsere Initiative ein entsprechender Antrag im Jahr 2020 vom Landtag beschlossen.

Frage 3

Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von Substanzen wie Cannabis, z.B. auf Verunreinigungen durch synthetische Cannabinoide?

Antwort

Drug-Checking ist aus unserer Sicht ein wichtiges und notwendiges Angebot, um die gesundheitlichen Risiken von Drogen-Konsum zu reduzieren. Aus diesem Grund wollen wir in Bremen ein Angebot für Drug-Checking schaffen. Wir wollen uns hierfür am Berliner Modell orientieren und prüfen, was sich davon auf Bremen übertragen lässt.

Eine Art Vorstufe zum umfassenden Drug-Checking wurde bereits in dieser Legislatur umgesetzt, indem konsumfähige Rückstände in Drogenverpackungen oder gebrauchten Konsumutensilien analysiert wurden. Die Analysen wurden veröffentlicht und sind auf großes Interesse bei den Konsumierenden gestoßen, sodass wir dies weiter fortsetzten wollen, bis ein umfassendes Drug-Checking-Angebot in Bremen etabliert ist.

Frage 4

Cannabiskonsumenten werden sowohl bei der Definition einer Rauschfahrt (THC Grenzwert)als auch bei der Überprüfung der Fahreignung (z.B. MPU-Anordnung) benachteiligt. Setzen Sie sich für eine Gleichbehandlung von Cannabis- und Alkoholkonsumenten im Straßenverkehr ein?

Antwort

Bei Cannabis und auch bei anderen illegalen Drogen gilt im Straßenverkehr eine Null-Toleranz-Politik, bei Alkohol hingegen gilt man mit 0,5 Promille Blutalkoholkonzentration noch als fahrtüchtig. Generell finden wir es richtig, dass Unfallrisiken im Straßenverkehr so weit wie möglich reduziert werden und Menschen sich erst hinters Steuer setzen, wenn sie nüchtern sind. Die Ungleichbehandlung von Alkohol und Cannabis im Straßenverkehr ist jedoch objektiv nicht nachvollziehbar, da das Unfallrisiko laut unterschiedlicher Studien bei dem derzeit gerichtlich festgelegten gerade noch sicher nachweisbaren Wert von 1 ng THC pro mL Blutserum deutlich geringer ist als bei der 0,5 Promille Grenze für Alkohol. Wir setzen uns daher für eine politische Regelung ein, die den Grenzwert auf 3 ng THC pro mL Blutserum anhebt, so wie es auch in vielen anderen Ländern schon gängige Praxis ist.

Anmerkung: Auf Nachfrage wurde uns mitgeteilt, dass es sich bei den 3 ng pro ml Blutserum nicht um den analogen Grenzwert zur 0,5 Promille-Grenze handelt. Vielmehr sind die 3 ng pro ml Blutserum als Grenzwert zu verstehen, unterhalb dessen eine Beeinträchtigung der Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen werden kann (vergleichbar mit dem versicherungsrelevanten Grenzwert von 0,3 Promille). Dies stimmt der Position der Linken auf Bundesebene überein, wie es auch im aktuellen Antrag um Thema Führerschein gefordert wird.

Zudem ist es aus unserer Sicht problematisch, dass neben dem aktiven THC auch Abbauprodukte wie THC-COOH zur Beurteilung der allgemeinen Fahrtauglichkeit und zur Entscheidung über den Führerscheinentzug genutzt werden. Die Abbauprodukte sagen jedoch nichts über die akute Fahrtüchtigkeit einer Person aus, zudem kann nicht auf den Zeitpunkt des letzten Konsums geschlossen werden. Daher setzten wir uns dafür ein, dass für die Beurteilung der Verkehrstauglichkeit lediglich das aktive THC eine Rolle spielt.

Frage 5

Der reine Besitz von Cannabis – ohne einen Bezug zum Straßenverkehr – wird häufig von der Polizei an die Führerscheinstellen gemeldet. Wie wird dies in Ihrem Bundesland gehandhabt und wollen Sie an dieser Praxis festhalten?

Antwort

Wir wollen die auch in Bremen gängige Praxis beenden, dass jedweder Besitz von Cannabis an die Führerscheinstelle gemeldet wird.

Frage 6

Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode? (Bitte listen Sie Anträge, Anfragen etc. konkret und mit Link auf, damit wir Ihre parlamentarische Arbeit besser einschätzen können!)

Antwort

Anfrage in der Fragestunde: Weitergabe von Daten von Cannabis-Konsument:innen an die Führerscheinstelle:

https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp20/land/vorlage/20L31F12.pdf

Frage 7

Welche Initiativen planen Sie in der nächsten Legislaturperiode?

Antwort

Eine Drogenpolitik, die auf die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen aus ist, begegnet Sucht nicht mit Repression und Verdrängung, sondern ermöglicht Menschen den Zugang zu sozialen und gesundheitlichen Hilfestellungen und beginnt früh mit Aufklärung sowie Prävention.

Wir werden uns aus Bremen heraus weiter für eine Modernisierung des Betäubungsmittelgesetzes und für ein Ende des Verbotes von Cannabis auf Bundesebene einsetzen. Auch sehen wir in Bremen das geeignete gesellschaftliche Klima für zukunftsorientierte Modellprojekte im Bereich der Legalisierung, Nutzung und Erforschung von Cannabis. Wir setzten uns weiterhin für die Umsetzung von Drug-Checking in Bremen ein und wollen verschiedene Präventionsprojekte zum Umgang mit Drogen auf den Weg bringen.

Zudem wollen wir das Hilfesystem für Menschen mit einer Suchterkrankung ausbauen und verbessern.

Frage 8

Befürworten Sie die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene wie von der Bundesregierung geplant und würden dementsprechend eine Ja-Stimme Ihres Bundeslandes im Bundesrat befürworten? Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zur Legalisierung des privaten Eigenanbaus?

Antwort

Die Verbotspolitik und Kriminalisierung im Bereich des Cannabisbesitzes und -konsums ist gescheitert. Wir treten für die vom Bund versprochene – aber bislang noch nicht umgesetzte – weitere Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten unter Einhaltung hoher Jugendschutzstands ein.

Bisherige parlamentarische Aktivität

Die Linke brachte zusammen mit ihren Koalitionspartnern von SPD und Grünen einen Antrag für ein Modellprojekt zur Cannabisabgabe ein. Die Anhebung der geringen Menge hat man ebenfalls als Regierung erreichen können. Außerdem stellten die Linken eine Anfrage zur Praxis der Meldung von Besitzdelikten an die Führerscheinstelle.

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Anfrage in der Fragestunde: Weitergabe von Daten von Cannabis-Konsument:innen an die Führerscheinstelle:

https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp20/land/vorlage/20L31F12.pdf

Antrag: Das Betäubungsmittelrecht modernisieren – Modellprojekt für die kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten beantragen

https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp20/land/drucksache/D20L0420.pdf

Die Linken haben ein sehr fortschrittliches Wahlprogramm abgeliefert. Man bekennt sich klar zur Cannabislegalisierung und will Bremen zum Vorreiter eines neuen Umgangs mit Cannabis machen. Auch die restlichen drogenpolitischen Forderungen sind weitreichend und sehr fortschrittlich. Spektakulärstes Beispiel ist sicherlich das geplante Modellprojekt zur Abgabe von Crack. Klare Wahlempfehlung!