Die Grünen (Europa 2024)

Bei unserem Wahlcheck betrachten wir die jeweiligen Wahlprogramme und die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine.

Programm

Die Grünen wollen eine auf “Wissenschaft und risikobasierten Betrachtung ausgerichtete Drogenpolitik” etablieren. Sie streben eine EU-weite Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis an, wollen es aber gleichzeitig jedem Land die Entscheidung zur Legalisierung selbst überlassen(!?). Ferner soll länderübergreifendes Zusammenarbeiten im Sinne des Gesundheitsschutzes intensiviert werden. Des Weiteren soll die Forschung “zum Umgang mit psychoaktiven Substanzen, insbesondere zum medizinischen Nutzen”, ausgebaut werden. Die Konsumenten anderer Drogen sollen entkriminalisiert werden. Statt auch bei anderen Substanzen “Regulierung statt Prohibition” ins Spiel zu bringen, soll der Handel mit illegalen Drogen allerdings eingedämmt und wirtschaftliche Alternativen in den Herkunftsländern aufgebaut werden. Ein insgesamt drogenpolitisch progressives Wahlprogramm inklusive eines klaren Bekenntnisses zur Legalisierung von Cannabis und entsprechender Klarstellung im Europarecht.

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Auszug aus dem Programm

“Cannabis europaweit legalisieren

Wir setzen uns auch in Europa für eine zeitgemäße Drogenpolitik ein, die Gesundheit und Jugendschutz in den Vordergrund stellt und die kriminellen Strukturen hinter dem Drogenhandel effektiv bekämpft. Auch in Europa brachte der rein repressive Umgang mit Drogen mehr Leid als Segen, Tausende Drogentote und eine wichtige Einnahmequelle für die Organisierte Kriminalität. Es braucht eine an der Wissenschaft und risikobasierten Be-

trachtung ausgerichtete Drogenpolitik. An verschiedenen Orten der Welt ist der Wechsel hin zu einem risikobasierten Umgang mit Cannabis bereits gelungen. Mit der Regulierung von Cannabis setzen wir auf Vernunft statt Kriminalisierung. Wir streben eine EU-weite Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis an. Das europäische und internationale Recht setzt aktuell den Mitgliedstaaten im Umgang mit Cannabis enge Grenzen. Wir wollen es erweitern, sodass jedes Land selbst entscheiden kann. Gleichzeitig stärken wir Prävention und Jugendschutz. Die Zunahme problematischen Drogenkonsums,

neuer und synthetischer Substanzen und die Folgen sozialer Verelendung im öffentlichen Raum stellen eine große Herausforderung dar. Sie bergen Gefahren für Konsument*innen, stellen Behörden vor besondere Herausforderungen und erfordern soziale Maßnahmen.Wir müssen wirksamer gegen unsichtbare und sichtbare Abhängigkeitsproblematiken vorgehen. Daher intensivieren wir, im Sinne des Gesundheitsschutzes, länderübergreifendes Zusammenarbeiten. Darüber hinaus wollen wir die gesundheitliche Versorgung von Abhängigen verbessern, eine Abkehr der Repression im Umgang mit Konsument*innen, die Stärkung sozialer Hilfestrukturen und besseren Zugang zu Therapieplätzen ermöglichen. Auch die Forschung zum Umgang mit psychoaktiven Substanzen, insbesondere zum medizinischen Nutzen, wollen wir in europäischen Forschungsverbünden weiter vorantreiben.”

Lateinamerika

“Auch eine effektive Bekämpfung von Korruption und Drogenkriminalität ist wichtig. Dazu gehören neben polizeilichen und strafrechtlichen Maßnahmen auch die Schaffung wirtschaftlicher Alternativen, Reduzierung von Abhängigkeiten von Kartellen und die Stärkung grenzüberschreitender Ermittlungen.”

Organisierte Kriminalität bekämpfen

“ Den Handel mit illegalen Drogen werden wir eindämmen und nehmen hierfür die gesamte Produktions- und Handelskette in den Blick. Wir fördern bereichsübergreifende Ermittlungen, um besser gegen Überschneidungen der OK und andere Kriminalitätsfelder wie zum Beispiel Cybercrime oder Terrorismus vorzugehen.”

Antworten auf Wahlprüfsteine

Die Antworten der Grünen auf unsere Wahlprüfsteine überzeugen und lassen ein tiefes Verständnis der Thematik erkennen. Die Grünen sind für Legalisierung, Modellprojekte und Drug-Checking-Angebote. Die Antwort zur Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten ist leider nicht ganz eindeutig und etwas verklausuliert. Dafür wird aber das Versäumnis des Wahlprogramms nachgeholt und “langfristig eine an den tatsächlichen Gesundheitsrisiken orientierte Drogen-Regulierung” gefordert. Die europarechtlichen Hemmnisse für eine Legalisierung von Cannabis sollen abgebaut und in Europa eine wissenschaftsbasierte Drogenpolitik angestrebt werden.

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1.) Menschen, die Cannabis konsumieren, besitzen und in geringem Umfang für den eigenen Konsum anbauen, werden seit dem 01.04.2024 in Deutschland nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Wie stehen Sie zu dieser Entkriminalisierung?

Das ist ein großer Erfolg der Drogenpolitik von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Seit Jahren setzen wir uns für eine zeitgemäße Drogenpolitik ein, die den Gesundheits- und Jugendschutz in den Vordergrund stellt. Jetzt gehen wir mit der Entkriminalisierung einen großen Schritt zu einer humanen und gesundheitsorientierten Drogenpolitik, die den Jugend- und Gesundheitsschutz verbessert und den Schwarzmarkt eindämmt, denn Cannabis-Konsum ist längst gesellschaftliche Realität.

2.) Wie stehen Sie ganz allgemein zur Legalisierung von Cannabis im Sinne einer Regulierung des Marktes, z.B. mit Fachgeschäften für Erwachsene?

Der Konsum von Cannabis ist seit Jahrzehnten eine gesellschaftliche Realität. Das Ziel, Menschen von einem Konsum von Cannabis abzubringen, wurde zu keinem Zeitpunkt erreicht. Im Gegenteil, trotz eines rigiden Verbots konsumieren immer mehr Menschen in Deutschland Cannabis. Eine vor allem ideologisch motivierte Verbotspolitik hat dies ignoriert und gesundheitliche und gesellschaftliche Probleme verursacht. Es ist ein illegaler Schwarzmarkt entstanden, auf dem weder Jugend-, noch Gesundheits- oder Verbraucher*innenschutz gelten und von dem vor allem die organisierte Kriminalität profitiert. Daher befürworten wir eine Legalisierung von Cannabis im Sinne einer Regulierung des Marktes. Gegen eine vollständige Legalisierung sprechen aktuell jedoch noch geltende Regelungen im europäischen und internationalen Recht.

3.) Wie stehen Sie zum Vorhaben, wissenschaftliche Modellprojekte zur Erprobung der kontrollierten Abgabe von Cannabis in Fachgeschäften in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten (z.B. Deutschland) zu etablieren?

Wir befürworten wissenschaftliche Modellprojekte zur Erprobung der kontrollierten Abgabe von Cannabis in Fachgeschäften und erwarten, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium eine entsprechende Verordnung als Grundlage der Modellprojekte in Kürze auf den Weg bringt.

4.) Das Bundesgesundheitsministerium erteilte der geplanten kontrollierten Abgabe in Fachgeschäften aufgrund europarechtlicher Bedenken eine Absage. Wird sich Ihre Partei im Europäischen Parlament dafür einsetzen, diese rechtlichen Hemmnisse für eine vollumfängliche Legalisierung zu beseitigen?

Ja. Wir streben eine EU-weite Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis an. Das europäische und internationale Recht setzt aktuell den Mitgliedstaaten im Umgang mit Cannabis enge Grenzen. Wir wollen es erweitern, sodass jedes Land selbst entscheiden kann. Gleichzeitig stärken wir Prävention und Jugendschutz.

5.) Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt, z.B. in Uruguay, Kanada und einigen US-Staaten. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte in Zukunft konkret aussehen?

Wir wollen eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in lizensierten Geschäften ermöglichen. Dadurch stärken wir den Gesundheits- und Verbraucher*innenschutz, insbesondere indem die Abgabe an Kinder und Jugendliche unterbunden wird und Gesundheitsgefährdungen durch klare Inhaltsvorgaben reduziert werden.

6.) Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von illegalen Drogen?

Durch Substanzanalyse (Drugchecking) können die gesundheitlichen Schäden des Drogengebrauchs verringert werden, daher unterstützen wir Drug-Checking-Angebote. Bislang war das Drug-Checking in Deutschland allerdings nur sehr schwer möglich und in Konsumräumen sogar verboten. Hier konnten wir innerhalb der Bundesregierung deutliche Verbesserungen für eine menschlichere Drogenpolitik erreichen.

7.) Wie stehen Sie zur Entkriminalisierung aller Drogenkonsumenten (Modell Portugal)?

Wir GRÜNE wollen einen drogenpolitischen Paradigmenwechsel und setzen auf Prävention, Hilfe, Schadensminderung, Entkriminalisierung und Forschung. Ziel ist es, das Selbstbestimmungsrecht der Menschen zu achten und Gesundheitsrisiken zu minimieren. Wir fordern langfristig eine an den tatsächlichen Gesundheitsrisiken orientierte Drogen-Regulierung.

8.) Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Europafraktion (bzw. Landesgruppe in Ihrer Fraktion) in der aktuellen Legislaturperiode auf der europäischen Ebene und was sind Ihre konkreten drogenpolitischen Pläne für die kommende Legislaturperiode?

Wir haben und werden uns auch in Europa für eine zeitgemäße Drogenpolitik einsetzen, die Gesundheit und Jugendschutz in den Vordergrund stellt und die kriminellen Strukturen hinter dem Drogenhandel effektiv bekämpft. Es braucht eine an der Wissenschaft und risikobasierten Betrachtung ausgerichtete Drogenpolitik. Mit der Regulierung von Cannabis setzen wir auf Vernunft statt Kriminalisierung. Wir streben eine EU-weite Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis an.

Bisherige parlamentarische Aktivität

Die Grünen können mit einem guten, umfangreichen Wahlprogramm und starken Antworten auf unsere Wahlprüfsteine überzeugen. Ein klares Bekenntnis zur Legalisierung von Cannabis und zur Schaffung der europarechtlichen Voraussetzungen sowie das Ziel einer modernen Drogenpolitik bedeuten eine eindeutige Wahlempfehlung von uns.