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Staatliche Cannabisagenturen im nationalen und internationalen Drogenrecht

Im Kontext der politischen Diskussion über die Versorgung von Patienten in Deutschland mit medizinischem Cannabis wurde die Notwendigkeit einer staatlichen Cannabis-Agentur erwähnt. Zu den rechtlichen Hintergründen einer solchen Einrichtung hier eine Einführung in das nationale und internationale Drogenrecht.

Der Umgang mit Drogen wie Cannabis ist nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) oder den internationalen Verträgen nicht per se verboten, sondern erlaubnispflichtig. Im Bereich der Wissenschaft oder der Medizin ist der alltägliche Umgang mit Substanzen wie Morphium, Methadon, Dronabinol oder Amphetaminen wie Ritalin normal. Auch die Herstellung und der Vertrieb von solchen Substanzen ist vergleichbar mit den Bestimmungen für Arzneimittel reguliert. Von Strafbestimmungen bedroht ist nur der Umgang ohne eine Erlaubnis sowie das Handeln von Ärzten in der Substitutionstherapie bei kleinsten Abweichungen von den rechtliche Detailregelungen. Sowohl das BtMG als auch die internationalen Verträge betonen ausdrücklich, dass die Verwendung der von ihnen geregelten Substanzen zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken erwünscht ist.

Praktisch sind jedoch eine Vielzahl Substanzen und Umgangsformen durch die Interpretation und Anwendung der Gesetze, beispielsweise durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), komplett verboten, auch wenn die Bundesregierung dies offiziell leugnet. Die Verwendung von Cannabisblüten als Medizin musste in Deutschland vor Gerichten erstritten werden. Auch der erste Anlauf für einen Heroinmodellversuch durch die Stadt Frankfurt wurde zunächst abgelehnt und erst der gemeinsame Antrag vieler deutscher Großstädte führte zum notwendigen Druck, eine Genehmigung zu erteilen. Beim Thema Eigenanbau durch Patienten oder dem Modellversuch für eine legale Veräußerung von Cannabis in Schleswig-Holsteiner Apotheken ist bekannt, dass politische Anweisungen aus dem Bundesgesundheitsministerium die ablehnenden Entscheidungen des BfArM festlegten und dann eine passende juristische Interpretation des BtMG durch das Amt erfolgte. Ebenso verhielt es sich mit der Interpretation der internationalen Verträge, hier rügte der Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB) Deutschland und die Schweiz wegen ihrer Drogenkonsumräume und der Heroinabgabe oder die Entkriminalisierung in Portugal zunächst. Inzwischen wandelte sich die Auffassung des INCB und “legalisierte” damit diese erfolgreichen Instrumente der Drogenpolitik.

Für die Herstellung von Coca, Opium und Cannabis schreibt das Einheitsübereinkommen von 1961 über die Betäubungsmittel die Einrichtung einer nationalen Agentur (“National Agency”) vor. Konkret heißt es im Vertragstext:

Art. 23 – Staatliche Opiumstellen
1) Jede Vertragspartei, die den Anbau von Opiummohn zur Gewinnung von Opium gestattet, errichtet, wenn dies nicht bereits geschehen ist, und unterhält eine oder mehrere staatliche Stellen (nachstehend im vorliegenden Artikel als «Stelle» bezeichnet) zur Erfüllung der in diesem Artikel vorgesehenen Aufgaben.

Article 23 – National Opium Agencies
1. A Party that permits the cultivation of the opium poppy for the production of opium shall establish, if it has not already done so, and maintain, one or more government agencies (hereafter in this article referred to as the Agency) to carry out the functions required under this article.

Für Coca und Cannabis ist nach Artikel 26 und Artikel 28 das gleiche Kontrollsystem anzuwenden. Die Einrichtung einer solchen Agentur ist unabhängig davon, ob staatliche Einrichtungen selbst oder lizenzierte private Anbieter den Anbau übernehmen. Solche Agenturen existieren vermutlich nur in den wenigen Staaten, in denen auch Opium, Coca bzw. Cannabis legal angebaut wird, eine vollständige Liste liegt uns nicht vor. Bekannte Agenturen sind das “Turkish Grain Board” (für Opium in der Türkei), “Central Bureau of Narcotics” (für Opium in Indien), “Health Canada’s Office of Controlled Substances” (für Cannabis in Kanada), National Institute on Drug Abuse (für Cannabis in den USA), Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (für Cannabis in Österreich) oder das “Office of Medicinal Cannabis” (für Cannabis in den Niederlanden). Inwiefern andere Staaten, die Opium oder Cannabis produzieren – insbesondere Großbritannien (Opium und Cannabis) und Israel (Cannabis) – , eine entsprechende Agentur besitzen oder ob es Coca Agenturen gibt, ist uns nicht bekannt.

Opium wird von lizenzierten Bauern angebaut, in den USA baut die University of Mississippi Cannabis an und die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit betreibt eigene Gewächshäuser. In den Niederlanden übernimmt dies die private Firma Bedrocan, sie ist inzwischen auch zusammen mit anderen Firmen in Kanada aktiv. Vertragspartner der internationalen Abkommen sind jeweils nur die Nationalstaaten, deswegen sind die Programme für Cannabis als Medizin in den einzelnen US-Bundesstaaten von den internationalen Verträgen nicht direkt betroffen. Die Rüge für sehr liberale Regelungen und die Legalisierung zu Genusszwecken erhielt die US-Bundesregierung.

Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe d schreibt zudem vor: “jeder Pflanzer ist verpflichtet, seine gesamte Opiumernte an die Stelle abzuliefern; diese hat die Ernte zu kaufen und sie sobald als möglich in Verwahrung zu nehmen, spätestens jedoch vier Monate nach Beendigung der Ernte”. Dies findet sich in der Praxis in Kanada und einem alten Medical-Marijuana-Programm der US-Bundesebene wieder, wo Patienten direkt vom Staat mit Cannabis versorgt werden, bei dem zuvor die Ernte der Firmen abgeliefert wurde. Das niederländische System ähnelt zumindest praktisch eher einem normalen Markt, wenngleich die Bedrocan-Dosen das Label des im Jahr 2000 eingerichteten Büros für medizinisches Cannabis (OMC) tragen.

Hierbei geht es ausschließlich um die Herstellung durch den Anbau der Pflanzen, nicht um die Weiterverarbeitung oder den Groß- und Einzelhandel. Der Handel mit importieren Cannabisblüten und der Verkauf an Patienten mit einer entsprechenden Erlaubnis findet in Deutschland bereits statt. Ebenso wird durch die Firma Bionorica Cannabis aus Österreich in Deutschland zu Dronabinol weiterverarbeitet.