1. Die deutsche Drogenpolitik basiert auf vier Säulen: Prävention, Beratung und Behandlung, Überlebenshilfe und Schadensminimierung, Repression und Angebotsminimierung. In Deutschland werden weit mehr Ressourcen für Repression als für Prävention ausgegeben.
Wie bewerten Sie die Schwerpunktsetzung in der Drogenpolitik? Welche Verteilung auf die vier Säulen sollte Ihrer Meinung nach die künftige Drogenpolitik haben? Halten Sie Repression und die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten für eine sinnvolle Säule der Drogenpolitik?
Die deutsche Drogenpolitik setzt seit Jahrzehnten fast ausschließlich auf das Mittel der Prohibition und verfolgt damit das unrealistische Ziel einer drogenfreien Gesellschaft.
Wir stehen für eine repressionsfreie Drogenpolitik und wollen ein Ende der gescheiterten Prohibition. Wir lehnen die heutige, wissenschaftlich nicht haltbare Unterscheidung in legale und illegale Stoffe ab. Objektive Studien über psychoaktive Substanzen müssen beauftragt und darauf basierenden Präventionsprogramme initiiert werden. Die derzeitige nicht faktenbasierte Bevormundung Erwachsener beim verantwortungsvollen Umgang mit Rausch- und Genussmitteln widerspricht der Grundüberzeugung der PIRATEN und unserem Verständnis einer mündigen und freiheitlichen Gesellschaft.
Die aktuelle Schwerpunktsetzung in der Drogenpolitik ist vieles, jedoch keineswegs hilfreich. So nützt sie weder dem Konsumenten noch dem Staat noch den Menschen. Hier muss dringend eine Änderung her. Bessere Präventionsmaßnahmen können ein erster Schritt sein, allerdings geht der Weg in Richtung Drogenpolitik noch viel weiter. Wir stehen für eine Legalisierung von Cannabis statt einer Kriminalisierung der Konsumenten. Unser Ansinnen ist es, den Weg von einer Kriminalisierung der Konsumenten hin zu einem bewussten Umgang zu ermöglichen. Dabei sind die Konsumenten sich über die möglichen Wirkungen und Nebenwirkungen bewusst, weil das Thema nicht mehr unter den Tisch gekehrt wird und endlich Aufklärung erfolgt.
2. Menschen, die Cannabis konsumieren, werden immer noch strafrechtlich verfolgt. Wollen Sie diese Strafverfolgung generell mildern, verschärfen oder unverändert lassen?
Wir PIRATEN setzen uns für die Freigabe und Regulierung, unter Berücksichtigung von Jugend- und Verbraucherschutz, sämtlicher Drogen ein.
Menschen, die lediglich Konsumenten sind, sollten gemäß unserem Programm strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden. Damit wird die Justiz vollkommen unnötig belastet. Es sind sehr viele Ressourcen dafür notwendig, jeden noch so kleinen Konsumenten, der irgendwie mal mit Cannabis aufgefallen ist, zu verfolgen und gegebenenfalls das Verfahren einzustellen.
3. Nach dem Urteil des BVerfG von 1994 sollen “Geringe Mengen” Cannabis für den Eigenbedarf nicht strafrechtlich verfolgt werden. Jedes Bundesland hat eine unterschiedliche Praxis für die Einstellung der Strafverfahren bei Geringen Mengen. Während in Berlin und Schleswig-Holstein die Verfahren in der Regel bei bis zu 15-30 Gramm eingestellt werden, werden in Bayern und Baden-Württemberg manchmal selbst “Anhaftungen” und kleine Restmengen unter einem Gramm bestraft.
Wie stehen Sie zu Bemühungen, eine bundeseinheitliche Regelung für die Geringe Menge festzulegen? Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, die Verfahren bei Geringen Mengen konsequenter einzustellen oder die Strafbarkeit des Besitzes geringer Eigenverbrauchsmengen gänzlich abzuschaffen?
Die uneinheitliche Anwendungen des genannten Urteils in den Bundesländern führt zu einer Rechtsunsicherheit. Alleine schon deshalb hat sich diese Regelung nicht bewährt.
Wir fordern eine einheitliche bundesweite “Eigenbedarf-Regelung”, die allerdings nur der erste Schritt sein darf. PIRATEN stehen für den straffreien Besitz von Cannabisprodukten, insbesondere, wenn es um Selbstversorger handelt. Staatlich lizenzierte Fachgeschäfte müssen flächendeckend eingeführt werden, um Verbraucherschutz, niederschwellige Anlaufstellen bei problematischen Konsummustern und den Jugendschutz ausweiten zu können.
Diese sogenannte „geringe Menge“ beträgt je nach Bundesland zum aktuellen Zeitpunkt circa 10 Gramm. Als erster Schritt wäre hierbei eine Empfehlung zur Erhöhung dieser Grenze denkbar, wenngleich es sich hierbei eher um die juristische Praxis als um eine rechtliche Verbindlichkeit handelt. Im Idealfall ist die Änderung hier eine Legalisierung von Cannabis.
4. Mehrere Länder in der EU sind bereits Wege gegangen, Drogenkonsumenten zu entkriminalisieren und Möglichkeiten für den legalen Erwerb von Cannabisprodukten zu schaffen. In Spanien ist der Anbau von wenigen Cannabispflanzen für den Eigenbedarf erlaubt und auf dieser Grundlage existieren Cannabis Social Clubs, um den kollektiven Anbau für den Eigenbedarf zu organisieren. Das Bundesland Bremen versucht, den Eigenanbau von wenigen Cannabispflanzen über die Geringe Menge Verordnung zu entkriminalisieren.
Wollen Sie den Eigenanbau von wenigen Cannabispflanzen für Patienten und für den Eigenbedarf bei Freizeitkonsumenten erlauben?
Der Anbau von Hanfpflanzen, welcher zur Selbstversorgung dient ist nicht zu bestrafen, der für Patienten zu fördern. Die Installation von Cannabis Social Clubs befürworten wir grundsätzlich.
5. Diverse deutsche Kommunen haben nach § 3 Abs. 2 BtMG Ausnahmegenehmigungen für wissenschaftliche Modellprojekte zur legalen Veräußerung von Cannabis beantragt oder planen solche Anträge. Bisher wurden diese Anträge aber abgelehnt. Eine Bundesratsinitiative von Bremen und Thüringen ist kürzlich im Bundesrat gescheitert, mit der die Genehmigungsfähigkeit solcher Modellprojekte geklärt werden sollte.
Wollen Sie die Möglichkeit für solche Modellprojekte auf kommunaler und/oder Landesebene gesetzlich verankern?
Die PIRATEN begrüßen die kommunalen Modellprojekte. Die Diskussion in der Öffentlichkeit und dass sich Kommunalpolitiker für solche Ideen gewinnen lassen, ist ein guter Schritt.
Sie können die Vorreiter für lizenzierte Fachgeschäfte werden, wie wir es in unserem drogen- und suchtpolitischem Programm formuliert haben.
Leider können im Zuge der kommunalen Modellprojekte die vielen Vorteile einer flächendeckenden Liberalisierung des Handels mit Hanf nicht evaluiert werden, da die Teilnehmerzahlen solcher Projekte begrenzt sind. Das Austrocknen des Schwarzmarktes bleibt aus, der Ausbau des Jugendschutzes bleibt ebenfalls auf der Strecke und ein umfänglicher Verbraucherschutz sowie die Entlastung der Behörden und Justiz kann damit nur in einem sehr begrenzten Umfang gewährleistet werden. Das geltende Betäubungsmittelgesetz setzt zudem viele juristische Hürden, die es zu lösen gilt und mit hohe Kosten verbunden sind.
6. Welche Strategie schlagen Sie für die Bewältigung der Probleme an bekannten Drogenumschlagplätzen vor?
Die repressive Drogenpolitik erschafft einen maßlosen Schwarzmarkt. Sie steht einem Verbraucher- und Jugendschutz entgegen. Ein selbstverantwortlicher Umgang und enttabuisierte Aufklärung wird nicht gewährleistet. Erst die Schaffung staatlicher lizenzierter Fachgeschäfte/Abgabestellen kann den Schwarzmarkt und damit das Problem der “Drogenumschlagplätze” beseitigen.
7. Ein regulierter legaler Markt bietet die Möglichkeit von Qualitätskontrollen bei Cannabisprodukten. Auf dem heutigen Schwarzmarkt sind der Wirkstoffgehalt sowie mögliche Verunreinigungen und Beimengungen des Cannabis für den Konsumenten nicht ersichtlich. Unter dem Aspekt der Schadensminimierung wäre die Möglichkeit für anonyme Substanzanalysen ein drogenpolitisches Instrument, das auch jetzt genutzt werden könnte.
Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von illegalen Substanzen wie Cannabis?
Die PIRATEN fordern die sofortige und flächendeckende Einführung von Drug-Checking und öffentlich zugängliche Datenbanken, die die gefundenen Verunreinigungen und Beimengungen sowie Streckmittelfunde dokumentieren und informieren (Monitoring).
Möglichkeiten zum anonymen Drug-Checking fordern wir als Ziel einer liberalen Drogenpolitik.Ein entsprechender Antrag der ehemaligen Piratenfraktion im Landtag des Saarlandes wurde beispielsweise gestellt. Dementsprechend stehen wir Drug-Checking sehr positiv gegenüber und sehen hier auch definitiv einen Vorteil für die Konsumenten, die bisher lediglich kriminalisiert werden. In unseren Augen ist es die Aufgabe des Staates, die Menschen, die Cannabis konsumieren, vor möglichen Gefahren wie Verunreinigungen und Beimengungen zu schützen und zum aktuellen Zeitpunkt ist das nur mit Drug-Checking möglich.
8. Cannabiskonsumenten werden bei der Überprüfung der Fahreignung gegenüber Alkoholkonsumenten benachteiligt. Selbst ohne eine berauschte Teilnahme am Straßenverkehr kann Menschen, die Cannabis konsumieren, der Führerschein über das Verwaltungsrecht gänzlich entzogen werden. Der Entzug der Fahrerlaubnis kann gravierende Folgen, wie Arbeitsplatzverlust und soziale Isolation zur Folge haben.
Was schlagen Sie vor, um diese Ungerechtigkeit und Unverhältnismäßigkeit zu beseitigen?
Der willkürliche Führerscheinentzug wegen teilweise tagelang vergangenen Cannabiskonsums muss abgeschafft werden. Bei der Feststellung der Fahruntauglichkeit wegen Cannabiskonsums sind die gleichen streng wissenschaftlichen Anforderungen zu erfüllen wie sie bei Alkohol und anderen Substanzen schon lange üblich sind. Dazu ist es erforderlich, endlich einen wissenschaftlich festgelegten Grenzwert zu definieren. Dieser Grenzwert muss mit einer tatsächlichen Einschränkung zur Teilnahme am Straßenverkehr begründet sein. Ein Entzug des Führerscheins aufgrund des Besitzes von Cannabis und die damit oftmals verbundene Doppelbestrafung lehnen wir ab!
9. Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Partei und Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode?
Die Piratenpartei hatte keine Sitze im Bundestag und konnten daher keine Initiativen im Parlament des Bundestages einbringen.
Die Liste der Anträge von der Piratenpartei, die in Landtagen und in den vielen Kommunen gestellt wurden, würde den Rahmen dieser Umfrage sprengen. Anbei “nur” die Anträge aus dem Landtag NRW, die leider keine Mehrheit fanden:
Das Land NRW muss die Freigabe von Cannabis in lizenzierten kommunalen Abgabestellen unterstützen!
Verkehrssicherheit gewährleisten – Diskriminierung von Cannabiskonsumenten verhindern!
Modellprojekt zur gesicherten Abgabe von Cannabis für Erwachsene
Cannabis legalisieren – Drogenpolitik neu ausrichten
10. Welche drogenpolitischen Initiativen plant Ihre Partei und Fraktion für die kommende Legislaturperiode?
Das steht und fällt mit den sich uns bietenden Möglichkeiten. Die Organisation sowie Teilnahmen an Demonstrationen, Infoständen, Messen und Podiumsdiskussionen sowie Öffentlichkeitsarbeit werden wir weiter betreiben. Wir stehen weiterhin für eine Liberalisierung der Drogenpolitik ein, dies werden wir selbstverständlich auch im Bundestag vertreten und mit entsprechenden Anträgen ausfüllen.
Unsere gesamte drogen- und suchtpolitische Agenda für den Bundestag findet sich hier.
11. Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt. Die öffentliche Zustimmung für eine Legalisierung steigt. Die Frage ist nicht mehr so sehr, ob wir legalisieren, sondern wie wir regulieren.
Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen?
Wir fordern, wie oben bereits schon beschrieben, die flächendeckende Einführung von lizenzierten Fachgeschäften.