Wahlprüfsteine BTW 2017- Antworten von der SPD

Frage 1:
Die deutsche Drogenpolitik basiert auf vier Säulen: Prävention, Beratung und Behandlung, Überlebenshilfe und Schadensminimierung, Repression und Angebotsminimierung. In Deutschland werden weit mehr Ressourcen für Repression als für Prävention ausgegeben.
Wie bewerten Sie die Schwerpunktsetzung in der Drogenpolitik? Welche Verteilung auf die vier Säulen sollte Ihrer Meinung nach die künftige Drogenpolitik haben? Halten Sie Repression und die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten für eine sinnvolle Säule der Drogenpolitik?

Frage 4:
Mehrere Länder in der EU sind bereits Wege gegangen, Drogenkonsumenten zu
entkriminalisieren und Möglichkeiten für den legalen Erwerb von Cannabisprodukte zu schaffen. In Spanien ist der Anbau von wenigen Cannabispflanzen für den Eigenbedarf erlaubt und auf dieser Grundlage existieren Cannabis Social Clubs, um den kollektiven Anbau für den Eigenbedarf zu organisieren. Das Bundesland Bremen versucht, den Eigenanbau von wenigen Cannabispflanzen über die Geringe Menge Verordnung zu entkriminalisieren. Wollen Sie den Eigenanbau von wenigen Cannabispflanzen für Patienten und für den Eigenbedarf bei Freizeitkonsumenten erlauben?

Frage 5:
Diverse deutsche Kommunen haben nach § 3 Abs. 2 BtMG Ausnahmegenehmigungen für wissenschaftliche Modellprojekte zur legalen Veräußerung von Cannabis beantragt oder planen solche Anträge. Bisher wurden diese Anträge aber abgelehnt. Eine Bundesratsinitiative von Bremen und Thüringen ist kürzlich im Bundesrat gescheitert, mit der die Genehmigungsfähigkeit solcher Modellprojekte geklärt werden sollte. Wollen Sie die Möglichkeit für solche Modellprojekte auf kommunaler und/oder Landesebene gesetzlich
verankern?

Frage 10:
Welche drogenpolitischen Initiativen plant Ihre Partei und Fraktion für die kommende
Legislaturperiode?

Fragen 11:
Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt. Die öffentliche Zustimmung für eine Legalisierung steigt. Die Frage ist nicht mehr so sehr, ob wir legalisieren, sondern wie wir regulieren. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen?

gemeinsame Antwort Fragen 1, 4, 5, 10 und 11:

Ziel einer sozialdemokratischen Drogenpolitik ist es, die Zahl von Suchterkrankungen insgesamt zu reduzieren. Das gilt ganz unabhängig davon, ob diese durch Alkohol und Nikotin oder durch Drogen wie Cannabis, Amphetamine, Kokain oder Heroin hervorgerufen werden.

Die SPD hat sich immer wieder unter unterschiedlichen Aspekten mit der Frage beschäftigt, ob Möglichkeiten gesehen werden, Cannabis in gewissem Umfang zu legalisieren. In der Gesamtbewertung bleiben wir dabei, dass die SPD einer generellen Legalisierung von Cannabis kritisch gegenübersteht und an der gegenwärtigen Praxis festhält.

Cannabis ist keine harmlose Droge. Fast 13.000 Personen wenden sich jährlich aufgrund schädlichen Gebrauchs oder Abhängigkeit von Cannabisprodukten an ambulante Einrichtungen. Das gesundheitliche Gefährdungspotential vor allem durch regelmäßigen und intensiven Cannabis-Konsum und insbesondere für die immer jüngeren Erstkonsumentinnen und -konsumenten darf nicht unterschätzt und nicht bagatellisiert werden.

Richtig ist, dass die strafrechtlichen Folgen von geringfügigem Cannabis-Konsum nicht den Lebensweg von jungen Menschen zerstören dürfen. Die SPD setzt sich deshalb seit Jahren für eine Entkriminalisierung der Süchtigen und für Drogenprävention ein.

Eine Legalisierung würde den Konsum nicht einschränken, sondern erhöhen und damit zu einem Anstieg der durch Cannabis verursachten Suchterkrankungen führen. Das entspricht nicht der Zielsetzung unserer Drogenpolitik. Daher halten wir an der grundsätzlichen Strafbarkeit des Besitzes, des Anbaus und des Inverkehrbringens von Cannabis fest.

Frage 2:
Menschen, die Cannabis konsumieren, werden immer noch strafrechtlich verfolgt. Wollen Sie diese Strafverfolgung generell mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

Frage 3:
Nach dem Urteil des BVerfG von 1994 sollen “Geringe Mengen” Cannabis für den Eigenbedarf nicht strafrechtlich verfolgt werden. Jedes Bundesland hat eine unterschiedliche Praxis für die Einstellung der Strafverfahren bei Geringen Mengen. Während in Berlin und Schleswig-Holstein die Verfahren in der Regel bei bis zu 15-30 Gramm eingestellt werden, werden in Bayern und Baden- Württemberg manchmal selbst “Anhaftungen” und kleine Restmengen unter einem Gramm bestraft. Wie stehen Sie zu Bemühungen, eine bundeseinheitliche Regelung für die Geringe Menge festzulegen? Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, die Verfahren bei Geringen Mengen konsequenter einzustellen oder die Strafbarkeit des Besitzes geringer Eigenverbrauchsmengen gänzlich abzuschaffen?

gemeinsame Antwort Fragen 2 und 3:

Bis heute gibt es keine bundeseinheitliche Verständigung über Kriterien für die Einstellung von Ermittlungsverfahren bei Eigenkonsum von Cannabis in geringen Mengen. Die Regelungen in den Bundesländern sind immer noch unterschiedlich.
Grundsätzlich sind bundesweit einheitliche Regelungen für geringe Mengen von Betäubungsmitteln sinnvoll. Dies setzt aber die entsprechende Bereitschaft in Bund und Ländern voraus. Insbesondere CDU/CSU und unionsgeführte Länder waren bislang nicht bereit, sich auf gemeinsame Regelungen und Standards im Umgang zu verständigen.

Frage 6:
Welche Strategie schlagen Sie für die Bewältigung der Probleme an bekannten Drogenumschlagplätzen vor?
Antwort:

Die Frage des Umgangs mit bekannten Drogenumschlagplätzen fällt in die Zuständigkeit der Länder und Kommunen, die entsprechende Konzepte entwickeln müssen, damit der öffentliche Raum sicher von allen Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden kann. Seitens des Bundes unterstützt das Bundeskriminalamt im Rahmen der Bekämpfung der organisierten Kriminalität die Länder bei der Aufklärung von organisiertem illegalem Handel mit Betäubungsmitteln ebenso wie der Zoll, der regelmäßig große Menge illegaler Drogen sicherstellt. Die SPD setzt sich für eine verbesserte Bekämpfung organisierter Kriminalität ein.

Frage 7:
Ein regulierter legaler Markt bietet die Möglichkeit von Qualitätskontrollen bei Cannabisprodukten. Auf dem heutigen Schwarzmarkt sind der Wirkstoffgehalt sowie mögliche Verunreinigungen und Beimengungen des Cannabis für den Konsumenten nicht ersichtlich. Unter dem Aspekt der Schadensminimierung wäre die Möglichkeit für anonyme Substanzanalysen ein drogenpolitisches Instrument, das auch jetzt genutzt werden könnte. Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von illegalen Substanzen wie Cannabis?

Antwort: Die letzte Expertenanhörung im Deutschen Bundestag zu diesem Instrument hat Vorteile wie Risiken des Drugcheckings aufgezeigt. Hiernach kann insbesondere eine zweifelsfreie Beurteilung der Beimischungen von illegalen Drogen an Ort und Stelle nicht geleistet werden. Ein Restrisiko würde demnach fortbestehen, zumal der Konsum ohnehin zweifelsfrei Gesundheitsschäden verursacht. Ob Drug-Checking als Angebot für niedrigschwelligen Zugang zu Beratung und Vermeidung von Drogenkonsum geeignet ist, muss jeweils vor Ort entschieden werden.

Frage 8:
Cannabiskonsumenten werden bei der Überprüfung der Fahreignung gegenüber Alkoholkonsumenten benachteiligt. Selbst ohne eine berauschte Teilnahme am Straßenverkehr kann Menschen, die Cannabis konsumieren, der Führerschein über das Verwaltungsrecht gänzlich entzogen werden. Der Entzug der Fahrerlaubnis kann gravierende Folgen, wie Arbeitsplatzverlust und sozialer Isolation zur Folge haben. Was schlagen Sie vor, um diese Ungerechtigkeit und Unverhältnismäßigkeit zu beseitigen?

Antwort:

Die unterschiedliche Behandlung des Konsums einer legalen und einer illegalen Droge bei der Beurteilung der Teilnahme am Straßenverkehr geschieht nicht grundlos. Bei dem Entzug der Fahrerlaubnis geht es um die Frage der Zuverlässigkeit. Diese ist bei mehrfachem Verstoß gegen Strafgesetze nicht mehr gegeben. Wer regelmäßig eine illegale Droge konsumiert, beweist dadurch eine grundsätzliche Unzuverlässigkeit, die auch den Entzug der Fahrerlaubnis rechtfertigen kann. Allerdings wird bei der Beurteilung sehr wohl differenziert zwischen einmaligem, gelegentlichem und regelmäßigem Konsum sowie Konsum in Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen oder eben ohne solchen. Dies ist aus unserer Sicht verhältnismäßig.

Frage 9:
Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Partei und Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode?

Antwort:
Wir verweisen hier beispielshaft auf die Gesetzgebung zu neuen psychoaktiven Substanzen, die eine Entkriminalisierungsstrategie bereits vorsieht, oder auf die Gesetzgebung zu Cannabis als Medizin, die schwerstkranken Patient*innen nunmehr eine Therapiealternative bietet und viele aus den illegalen Umgang herausgeführt hat.