Antworten auf die Wahlprüfsteine SPD Berlin 2016

WAHLPRÜFSTEINE DES DEUTSCHEN HANFVERBANDES – SPD Antworten
 

1. Die deutsche Drogenpolitik basiert auf vier Säulen: Prävention, Beratung und Behandlung, Überlebenshilfe und Schadensminimierung, Repression und Angebotsminimierung. In Deutschland werden weit mehr Ressourcen für Repression als für Prävention ausgegeben. Wie bewerten Sie die Schwerpunktsetzung in der Drogenpolitik? Halten Sie Repression und die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten für eine sinnvolle Säule der Drogenpolitik?

Die ausgeprägte Repressionspolitik der Drogenpolitik und damit einhergehende Kriminalisierung des Konsumenten hat sich in der gegenwärtigen Form in Hinblick auf das präventionspolitische Ziel der Minimierung des Konsums von Drogen wie z. B. Cannabis als verfehlt bewiesen. Darauf haben zu Recht im letzten Jahr die Berliner Fachstelle für Suchtprävention, die Berliner Drogenhilfeeinrichtungen sowie auch die entsprechenden Stellungnahmen der Präventionsexperten wie die Hauptstelle für Suchtgefahren u.a. auf Bundesebene hingewiesen. Repression zielt darauf, das Drogenangebot zu reduzieren. Angesichts der gesundheitlichen Gefahren durch Drogenkonsum halten wir neue Modelle der Reglementierung und Kontrolle für sinnvoll. Grundsätzlich setzt sich die SPD für die Entkriminalisierung von Süchtigen ein. Ein wichtiger Schwerpunkt unserer Drogenpolitik liegt zudem in der Prävention, die wir weiter stärken wollen.

2. Menschen, die Cannabis konsumieren, werden immer noch strafrechtlich verfolgt. Wollen Sie diese Strafverfolgung generell mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

3. Nach dem Urteil des BVerfG von 1994 sollen “Geringe Mengen” für den Eigenbedarf nicht strafrechtlich verfolgt werden. Wie stehen Sie zur aktuellen Verordnung zur Anwendung der “Geringen Menge” nach §31a BtmG in Ihrem Bundesland und planen Sie Änderungen?

4. Bremen will den Anbau von wenigen Cannabispflanzen zur Deckung des Eigenbedarfs in die Verordnung zur “Geringen Menge” aufnehmen. Wollen Sie die Strafverfolgung des Anbaus weniger Hanfpflanzen zur Deckung des Eigenbedarfs mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

5. Nach §3 Abs. 2. BtMG kann eine Kommune oder ein Land eine Ausnahmegenehmigung für eine legale Veräußerung von Cannabis beantragen, wenn dies im wissenschaftlichen oder öffentlichen Interesse liegt. Wie stehen Sie zu einem Modellversuch für eine kontrollierte Veräußerung von Cannabis an Erwachsene?

Seit längerem gibt es in der Berliner SPD eine Diskussion darüber, inwieweit Cannabis ähnlich wie Zigaretten als Genussmittel einzustufen ist und der Erwerb zu liberalisieren ist. Deshalb befragten wir im Herbst vergangenen Jahres unsere knapp 17.000 Mitglieder, ob sich die Berliner SPD auf Bundesebene für einen neuen Rechtsrahmen einsetzen sollte, der die Abgabe von Cannabis an Erwachsene bei gleichzeitiger Stärkung des Jugendschutzes und der Prävention ermöglicht. Eine ausgesprochen knappe Mehrheit von 44 Prozent zu 43,2 Prozent entschied sich bei der Frage – die in eine themenübergreifende Mitgliederbefragung zum Wahlprogramm eingebettet war – gegen die Liberalisierung von Cannabis. Die Berliner SPD plant deshalb keine Initiative für eine Änderung des gegenwärtigen Rechtsrahmens für den Cannabis-Konsum.

6. Welche Strategie schlagen Sie für die Bewältigung der Probleme an bekannten Drogenumschlagplätzen wie dem Görlitzer Park vor? Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Maßnahme der sogenannten “Nulltoleranz-Zone”?

Die Berlinerinnen und Berliner müssen sich im öffentlichen Raum wohl— und sicher fühlen. Wir werden deshalb finanzielle Mittel aus dem Programm der sozialen Stadtentwicklung aufwenden, um die Ursachen der Kriminalität auf öffentlichen Grünflächen und Plätzen zu bekämpfen. Dazu brauchen wir auch mehr Polizeistreifen. Aber wir als Berliner SPD wissen auch: Mit Polizei allein werden wir die Probleme vor Ort nicht lösen, sondern lediglich in andere Kieze verlagern. Die SPD setzt sich für ein Gesamtkonzept zur Verbesserung der Situation im Görlitzer Park ein, das bauliche und sozialpolitische Maßnahmen umfasst und das zur Zeit auf Bezirksebene diskutiert wird.

7. Ein regulierter legaler Markt bietet die Möglichkeit von Qualitätskontrollen bei Cannabisprodukten. Auf dem heutigen Schwarzmarkt sind der Wirkstoffgehalt sowie mögliche Verunreinigungen und Beimengungen des Cannabis für den Konsumenten nicht ersichtlich. Unter dem Aspekt der Schadensminimierung wäre die Möglichkeit für anonyme Substanzanalysen ein drogenpolitisches Instrument, das auch jetzt genutzt werden könnte. Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von Substanzen wie Cannabis?

Mobile Drogenprüfstände sind sinnvoll, weil dort Menschen beraten und Konsum womöglich verhindert werden kann. Das Land Berlin muss solche Einrichtungen aber nicht zwingend selbst betreiben. Denkbar ist auch die Förderung von Projekten dieser Art.

8. Cannabiskonsumenten werden bei der Überprüfung der Fahreignung gegenüber Alkoholkonsumenten benachteiligt. Selbst ohne eine berauschte Teilnahme am am Straßenverkehr kann Menschen, die Cannabis konsumieren, der Führerschein über das Verwaltungsrecht entzogen werden. Setzen Sie sich fü̈r eine Gleichbehandlung mit Alkoholkonsum bei der Auslegung der Fahrerlaubnisverordnung ein?

Alkohol und Cannabis unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt: In der Tat gibt es hier eine gravierende Ungleichbehandlung der legalen Droge Alkohol und derzeit illegalen Droge Cannabis. Leitbild sollte die Frage sein, ab welcher Konsummenge eine Teilnahme am Straßenverkehr möglich ist oder nicht. Wir brauchen eine rationale Drogenpolitik, die wissenschaftlichen Erkenntnisse aufgreift. Von daher hält es die SPD für sinnvoll, die Grundlagen für die Feststellung und Beurteilung der Fahreignung von Cannabiskonsumenten zu überprüfen.

9. Viele drogenpolitische Maßnahmen betreffen eher Bundesrecht. Haben Sie vor, Ihre drogenpolitischen Positionen, beispielsweise über Bundesratsinitiativen, auch bundesweit zu vertreten?

10. Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Landespartei und Landtagsfraktion in der aktuellen Legislaturperiode?

Folgende SPD-Initiativen gab es in dieser Legislaturperiode: Anhörungen im Ausschuss für Gesundheit und Soziales zu den Themen „Drug-Checking in Berlin und in Deutschland“, „Drogenpolitik in Berlin“ sowie „Berlin für kontrollierte Abgabe von Cannabis“. Zudem hat die SPD-Fraktion eine mit rund 200 Personen besuchte Fachveranstaltung zum Thema: „Neue Wege in der Drogenpolitik – Entkriminalisierung von Cannabis?“ organisiert, die den Handlungsbedarf verdeutlichte. Auf Parteiebene hat ein Landesparteitag sich für die Einführung von Drug-Checking-Angeboten in Berlin ausgesprochen. Zudem haben wir die Gesundheitsförderungen im Themenfeld gestärkt. Einerseits durch die Finanzierung des Handlungsfelds Drogen und Sucht im Integrierten Gesundheitsprogramms mit dem Handlungsfeld Drogen und Sucht: Eine Diamorphinambulanz wurde eröffnet sowie Maßnahmen der interkulturellen Öffnung der regionalen Suchthilfedienste gestärkt. Sondermittel in Hinblick auf die Aufklärung zum Thema Cannabis wurden in den aktuellen Haushalt eingestellt. Das neue Aktionsprogramm Gesundheit bietet zudem einen neuen präventionspolitischen Rahmen, in dem dieses wichtige Themenfeld zukünftig noch mehr an Bedeutung gewinnen kann.

11. Welche drogenpolitischen Initiativen plant Ihre Partei und Fraktion fü̈r die kommende Legislaturperiode?

Unter anderem werden wir das Berliner Suchthilfesystem weiterentwickeln, die Drogen- und Suchtprävention stärken und im Sinne des Jugendschutzes auch stärker an der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen orientieren. Handlungsbedarf sehen wir außerdem in der szenenahen Vor-Ort-Prävention im Sinne einer Gesundheitsförderung, eine gesetzliche Klarstellung der Straffreiheit von „Drug Checking“ wollen wir vorantreiben. Die Drogenkonsumräume werden wir weiterentwickeln.

12. Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt. Die öffentliche Zustimmung für eine Legalisierung steigt derzeit rasant. Die Frage ist nicht mehr so sehr, ob wir legalisieren, sondern wie wir regulieren. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen?