Wahlprüfsteine BTW 2017- Anworten von Bündnis90/Die Grünen

1. Die deutsche Drogenpolitik basiert auf vier Säulen: Prävention, Beratung und Behandlung, Überlebenshilfe und Schadensminimierung, Repression und Angebotsminimierung. In Deutschland werden weit mehr Ressourcen für Repression als für Prävention ausgegeben. Wie bewerten Sie die Schwerpunktsetzung in der Drogenpolitik? Welche Verteilung auf die vier Säulen sollte Ihrer Meinung nach die künftige Drogenpolitik haben?Halten Sie Repression und die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten für eine sinnvolle Säule der Drogenpolitik?

Repression und Kriminalisierung sind keine wirkungsvollen Bestandteile der Drogenpolitik. Sie machen Drogen gerade nicht weniger gefährlich und sorgen gerade nicht dafür, dass Kinder und Jugendliche besser geschützt werden. Im Gegenteil: Durch die Kriminalisierung ist ein Schwarzmarkt entstanden, der sich weitgehend der Kontrolle entzieht, auf dem weder Jugend- noch Verbraucher- noch Gesundheitsschutz existieren. Wir wollen die Kriminalisierung von Konsumentinnen und Konsumenten beenden und die anderen Säulen der Drogenpolitik wie Prävention, (akzeptanzorientierte) Therapie und Schadensminderung deutlich stärken.

2. Menschen, die Cannabis konsumieren, werden immer noch strafrechtlich verfolgt. Wollen Sie diese Strafverfolgung generell mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

Wir wollen die Strafverfolgung von Konsumentinnen und Konsumenten beenden. Hierzu haben wir bereits in dieser Wahlperiode den Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes vorgelegt. (Details siehe Antwort auf Frage 11):

3. Nach dem Urteil des BVerfG von 1994 sollen “Geringe Mengen” Cannabis für den Eigenbedarf nicht strafrechtlich verfolgt werden. Jedes Bundesland hat eine unterschiedliche Praxis für die Einstellung der Strafverfahren bei Geringen Mengen. Während in Berlin und Schleswig Holstein die Verfahren in der Regel bei bis zu 15-30 Gramm eingestellt werden, werden in Bayern und Baden-Württemberg manchmal selbst “Anhaftungen” und kleine Restmengen unter einem Gramm bestraft. Wie stehen Sie zu Bemühungen, eine bundeseinheitliche Regelung für die Geringe Menge festzulegen? Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, die Verfahren bei Geringen Mengen konsequenter einzustellen oder die Strafbarkeit des Besitzes geringer Eigenverbrauchsmengen gänzlich abzuschaffen?

Wir streben eine generelle Entkriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten an und eine Regulierung von Drogen nach ihren Risiken. Als erste Schritte zum Ziel wären auch eine Entkriminalisierung der Cannabiskonsumenten denkbar durch Herausnahme der konsumnahmen Tatbestandsalternativen (Besitz, Erwerb) aus § 29 BtMG sowie ein zwingendes Absehen von der Strafverfolgung für konsumnahe Tatbestandsalternativen in § 31a BtMG.

4.  Mehrere Länder in der EU sind bereits Wege gegangen, Drogenkonsumenten zu entkriminalisieren und Möglichkeiten für den legalen Erwerb von Cannabisprodukte zu schaffen. In Spanien ist der Anbau von wenigen Cannabispflanzen für den Eigenbedarf erlaubt und auf dieser Grundlage existieren Cannabis Social Clubs, um den kollektiven Anbau für den Eigenbedarf zu organisieren. Das Bundesland Bremen versucht, den Eigenanbau von wenigen Cannabispflanzen über die Geringe Menge Verordnung zu entkriminalisieren. Wollen Sie den Eigenanbau von wenigen Cannabispflanzen für Patienten und für den Eigenbedarf bei Freizeitkonsumenten erlauben?

Ja, nach unserem Gesetzentwurf (§5) soll auch der Anbau von bis zu drei weiblichen Pflanzen für den persönlichen oder gemeinschaftlichen Eigenbedarf erlaubt sein.

5. Diverse deutsche Kommunen haben nach § 3 Abs. 2 BtMGAusnahmegenehmigungen für wissenschaftliche Modellprojekte zur legalen Veräußerung von Cannabis beantragt oder planen solche Anträge. Bisher wurden diese Anträge aber abgelehnt. Eine Bundesratsinitiative von Bremen und Thüringen ist kürzlich im Bundesrat gescheitert, mit der die Genehmigungsfähigkeit solcher Modellprojekte geklärt werden sollte. Wollen Sie die Möglichkeit für solche Modellprojekte auf kommunaler und/oder Landesebene gesetzlich verankern?

Ja, wir wollen solche wissenschaftlich begleiteten Modellprojekte bundesrechtlich besser absichern, um deren Genehmigung durch die zuständige Behörde zu erleichtern.

6. Welche Strategie schlagen Sie für die Bewältigung der Probleme an bekannten Drogenumschlagplätzen vor?

Schwarzmärkte sind Folgen der Kriminalisierung. Um die damit einhergehenden Probleme zu bewältigen, muss daher der Schwarzmarkt ausgetrocknet werden. Dies geschieht am besten durch die Möglichkeit zur legalen kontrollierten Abgabe von Cannabis – zum Beispiel durch lizenzierte Fachgeschäfte. So, wie wir das in unserem Entwurf für ein Cannabiskontrollgesetz vorgeschlagen haben.

7. Ein regulierter legaler Markt bietet die Möglichkeit von Qualitätskontrollen bei Cannabisprodukten. Auf dem heutigen Schwarzmarkt sind der Wirkstoffgehalt sowie mögliche Verunreinigungen und Beimengungen des Cannabis für den Konsumenten nicht ersichtlich. Unter dem Aspekt der Schadensminimierung wäre die Möglichkeit für anonyme Substanzanalysen ein drogenpolitisches Instrument, das auch jetzt genutzt werden könnte. Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von illegalen Substanzen wie Cannabis?

Wir befürworten das Drugchecking. Es kann dabei helfen, die gesundheitlichen Risiken durch den Gebrauch illegaler Substanzen deutlich zu reduzieren. Durch gefährliche Beimengungen oder stark schwankende Wirkstoffgehalte entstehen erhebliche Gefahren für die Konsumentinnen und Konsumenten. Wir wollen daher Rechtssicherheit für das Drugchecking schaffen.

8. Cannabiskonsumenten werden bei der Überprüfung der Fahreignung gegenüber Alkoholkonsumenten benachteiligt. Selbst ohne eine berauschte Teilnahme am Straßenverkehr kann Menschen, die Cannabis konsumieren, der Führerschein über das Verwaltungsrecht gänzlich entzogen werden. Der Entzug der Fahrerlaubnis kann gravierende Folgen, wie Arbeitsplatzverlust und sozialer Isolation zur Folge haben. Was schlagen Sie vor, um diese Ungerechtigkeit und Unverhältnismäßigkeit zu beseitigen?

Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen auch dann ihre Fahrerlaubnis verlieren können bzw. ihre Fahreignung überprüft werden kann, wenn sie zwar Drogen besitzen aber gar nicht unter Einfluss von Drogen ein Fahrzeug geführt haben. Diese Ungerechtigkeit wollen wir beenden. Im Entwurf unseres Cannabiskontrollgesetzes ist daher vorgesehen, die Regelungen zur Fahreignung an die anderer psychoaktiver Substanzen wie Alkohol anzupassen. Der bloße Gebrauch von Cannabis darf nicht mehr zu Zweifeln an der Fahreignung führen. Zugleich wollen wir die Grenzwerte für den Nachweis von Cannabis im Blutserum an neuere wissenschaftliche Erkenntnisse anpassen.

9. Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Partei und Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode?

Neben dem Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/042/1804204.pdf) haben wir gemeinsam mit der Linksfraktion für eine Evaluation des Betäubungsmittelrechts geworben (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/016/1801613.pdf). Darüber hinaus haben wir in zahlreichen Anfragen Probleme in der aktuellen Drogen- und Suchtpolitik thematisiert wie zum Beispiel:

Substitutionsbehandlung für Menschen in Haft 

Cannabis als Medizin

Alkoholprävention in Deutschland 

Internationale Drogenpolitik (UNGASS)

10. Welche drogenpolitischen Initiativen plant Ihre Partei und Fraktion für die kommende Legislaturperiode?

Wir wollen einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik und setzen dabei auf Prävention, Hilfe, Schadensminderung, Entkriminalisierung und Forschung. Ziel ist es, das Selbstbestimmungsrecht der Menschen zu achten und gesundheitliche Risiken zu minimieren. Wir fordern langfristig eine an den tatsächlichen gesundheitlichen Risiken orientierte Regulierung von Drogen. Zudem soll intensiver auf die Gefahren von Tabak und Alkohol hingewiesen werden. Werbung für Nikotin lehnen wir ab.
Die Kriminalisierung von DrogenkonsumentInnen muss beendet werden. Wer abhängig ist, braucht Hilfe und keine Strafverfolgung. Wir wollen die Zielgruppenspezifischen und niederschwelligen Angebote in der Drogen und Suchthilfe stärken. Gefährdungen wollen wir durch risikominimierende Maßnahmen, wie Spritzentauschprogramme, Drogenkonsumräume und Substanzanalysen (Drugchecking), entgegentreten. Dazu gehört auch die menschenwürdige Behandlung von Schwerstabhängigen auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Statt sinnfreier Strafverfolgung, die zudem viele Millionen Euro kostet, setzen wir auf Prävention für Kinder und Jugendliche, eine Stärkung der Suchthilfe für Abhängige und eine strenge Regulierung von Cannabis für Erwachsene. Unser Cannabiskontrollgesetz weist den Weg, wie individuelle Freiheit für Erwachsene und strikter Jugendschutz in eine ausgewogene Balance gebracht werden können. Wir wollen einen Jugendschutz mit strengen Kontrollen, mehr Prävention und die Vermeidung von Gesundheitsrisiken für erwachsene Konsumenten durch Regulierung und Kontrolle der Qualität.

11. Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt. Die öffentliche Zustimmung für eine Legalisierung steigt. Die Frage ist nicht mehr so sehr, ob wir legalisieren, sondern wie wir regulieren. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen?

In unserem Cannabiskontrollgesetz haben wir einen Weg dargestellt, wie der Schwarzmarkt ausgetrocknet und der organisierten Kriminalität entrissen werden könnte: durch einen regulierten Markt mit der Möglichkeit zur legalen Abgabe von Cannabisprodukten an Erwachsene in lizenzierten Cannabisfachgeschäften.

• Diese Cannabisgeschäfte unterliegen strengen Auflagen, insbesondere zum Jugendschutz. Kinder und Jugendliche dürfen das Geschäft nicht betreten und kein Cannabis erwerben. Die Einhaltung dieser Vorgabe ist durch Ausweiskontrollen am Eingang sicherzustellen. Das Personal muss eine Schulung zur Suchtprävention erfolgreich absolviert haben und sich regelmäßig fortbilden. Es ist verpflichtet, Kunden über Konsumrisiken, Suchtgefahren und schadensmindernde Maßnahmen aufzuklären und bei Bedarf auf Beratungs- und Therapieangebote hinzuweisen.

• Sämtliche Produkte müssen eine Packungsbeilage mit Hinweisen zu Dosierung und Wirkung, möglichen Wechselwirkungen sowie Vorsichts- und Notfallmaßnahmen enthalten. Zusätzlich müssen Warnhinweise u.a. zum Jugendschutz und zu Suchtgefahren aufgebracht sein.

• Der Anbau von Cannabis unterliegt strengen Vorschriften, beispielsweise hinsichtlich der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Darüber hinaus darf Cannabis nicht in Verkehr gebracht werden, wenn es so verunreinigt ist, dass eine Gesundheitsgefahr besteht.

• Der gesamte Wirtschaftsverkehr für Cannabis (Anbau, Verarbeitung, Transport, Im- und Export, Groß- und Einzelhandel) wird gesetzlich reguliert. Die Genehmigung ist an strenge personelle und organisatorische Voraussetzungen gebunden.