Wahlprüfsteine BTW 2017- Anworten von FDP

1. Die deutsche Drogenpolitik basiert auf vier Säulen: Prävention, Beratung und Behandlung, Überlebenshilfe und Schadensminimierung, Repression und Angebotsminimierung. In Deutschland werden weit mehr Ressourcen für Repression als für Prävention ausgegeben. Wie bewerten Sie die Schwerpunktsetzung in der Drogenpolitik? Welche Verteilung auf die vier Säulen sollte Ihrer Meinung nach die künftige Drogenpolitik haben? Halten Sie Repression und die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten für eine sinnvolle Säule der Drogenpolitik?

Wir Freie Demokraten wollen vor allem auf Prävention setzen und möchten Drogensüchtige durch Behandlungsprogramme helfen, zu einem normalen Leben zurückzufinden. Durch die Kriminalisierung des Cannabiskonsums werden unzählige Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt, abhängige Nutzer alleine gelassen oder mit Strafen belegt, die sie erst recht in der Drogenszene versinken lassen, und die Ressourcen der Polizei in großem Ausmaß zur Verfolgung von (Klein-)Konsumentinnen und Konsumenten gebunden.
Wir wollen zukünftig zusätzliche Mittel für Behandlungs- und Beratungsangebote einsetzen, indem das Genussmittel Cannabis für Erwachsene freigegeben, an lizenzierten Stellen verkauft und dann ähnlich wie Zigaretten besteuert wird. Diese zusätzlichen Einnahmen werden auf bis zu 1 Mrd. Euro jährlich geschätzt. Der Handel mit harten Drogen, aber vor allem auch der Verkauf von Drogen (inklusive Cannabis) an Minderjährige, ist weiterhin zu verfolgen und zu bestrafen. Im Übrigen wollen wir die Politik der Drogenbeauftragten der Bundesregierung fortsetzen und im Rahmen der internationalen Drogenpolitik stärker mit dem Büro der Vereinten Nationen zur Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zusammenarbeiten.

2. Menschen, die Cannabis konsumieren, werden immer noch strafrechtlich verfolgt. Wollen Sie diese Strafverfolgung generell mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

Wir Freie Demokraten fordern eine kontrollierte Freigabe von Cannabis an Erwachsene. Schätzungen zufolge konsumieren rund vier Millionen Menschen in Deutschland Cannabis. Damit werden unzählige Menschen kriminalisiert und immense Ressourcen bei der Polizei gebunden, die etwa bei der Verfolgung von Drogenverkauf auf unseren Schulhöfen oder von Einbrüchen besser eingesetzt wären. Das Verbot von Cannabis erleichtert durch den illegalen Kontakt zu Dealern erst recht den Einstieg zu härteren Drogen. Wir setzen uns dafür ein, den Besitz und Konsum für volljährige Personen zu erlauben. Denn nur mit einem kontrollierten Verkauf in lizenzierten Geschäften kann die Qualität kontrolliert und so die Weitergabe von verunreinigten Substanzen verhindert sowie der Jugendschutz gewährleistet werden. Zudem müssen die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Cannabis zur Schmerzminderung verbessert werden – das aktuelle System legt den Patientinnen und Patienten hohe Hürden auf.

3. Nach dem Urteil des BVerfG von 1994 sollen “Geringe Mengen” Cannabis für den Eigenbedarf nicht strafrechtlich verfolgt werden . Jedes Bundesland hat eine unterschiedliche Praxis für die Einstellung der Strafverfahren bei Geringen Mengen. Während in Berlin und Schleswig Holstein die Verfahren in der Regel bei bis zu 15-30 Gramm eingestellt werden, werden in Bayern und Baden-Württemberg manchmal selbst “Anhaftungen” und kleine Restmengen unter einem Gramm bestraft. Wie stehen Sie zu Bemühungen, eine bundeseinheitliche Regelung für die Geringe Menge festzulegen? Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, die Verfahren bei Geringen Mengen konsequenter einzustellen oder die Strafbarkeit des Besitzes geringer Eigenverbrauchsmengen gänzlich abzuschaffen?

Wir Freie Demokraten wollen eine bundeseinheitliche Regelung festlegen. Statt den illegalen Konsum von Cannabis durch eine weitergehende Nicht-Verfolgung auszuweiten, setzen wir uns dafür ein, den legalen Konsum und Besitz für Volljährige zu ermöglichen. Jeglicher Verkauf an Minderjährige ist aber umso konsequenter zu verfolgen und zu bestrafen.

4. Mehrere Länder in der EU sind bereits Wege gegangen, Drogenkonsumenten zu entkriminalisieren und Möglichkeiten für den legalen Erwerb von Cannabisprodukte zu schaffen. In Spanien ist der Anbau von wenigen Cannabispflanzen für den Eigenbedarf erlaubt und auf dieser Grundlage existieren Cannabis Social Clubs, um den kollektiven Anbau für
den Eigenbedarf zu organisieren. Das Bundesland Bremen versucht, den Eigenanbau von wenigen Cannabispflanzen über die Geringe Menge Verordnung zu entkriminalisieren. Wollen Sie den Eigenanbau von wenigen Cannabispflanzen für Patienten und für den Eigenbedarf bei
Freizeitkonsumenten erlauben?

Wir Freie Demokraten halten grundsätzlich den Bezug von Cannabis aus qualitätsgesicherten Quellen für sinnvoll. Eine Ausweitung des Eigenanbaus muss daher genau untersucht werden.

5. Diverse deutsche Kommunen haben nach § 3 Abs. 2 BtMG Ausnahmegenehmigungen für wissenschaftliche Modellprojekte zur legalen Veräußerung von Cannabis beantragt oder planen solche Anträge. Bisher wurden diese Anträge aber abgelehnt. Eine Bundesratsinitiative von Bremen und Thüringen ist kürzlich im Bundesrat gescheitert, mit der die Genehmigungsfähigkeit solcher Modellprojekte geklärt werden sollte. Wollen Sie die Möglichkeit für solche Modellprojekte auf kommunaler und /oder Landesebene gesetzlich verankern?

Wir Freie Demokraten unterstützen die Bestrebungen von Kommunen, entsprechende Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe von Cannabisprodukten an Volljährige durchzuführen, solange die Legalisierung noch nicht erreicht ist. Ein Modellprojekt sollte zeitlich befristet sein und der Ort muss sorgfältig ausgewählt werden. Das Projekt muss Teil eines Gesamtkonzeptes sein. Unverzichtbar ist dabei eine fundierte wissenschaftliche Begleitung. Dabei sollten vorrangig die Auswirkungen auf die gesundheitliche Situation der Konsumenten und ihr Konsumverhalten, insbesondere eine mögliche Reduktion problematischer Konsummuster, untersucht werden. Darüber hinaus wären Folgewirkungen bei der Einhaltung des Jugendschutzes, einer Verdrängung illegalen Handels sowie hinsichtlich Verbesserungen der öffentlichen Sicherheit zu überprüfen. Darüber hinaus sollte auf Bundesebene eine rechtssichere Grundlage für die Durchführung von Modellprojekten geschaffen werden, da die Praxis zeigt, dass entsprechende Ausnahmegenehmigungen nach § 3 Abs. 2. BtMG vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte aus grundsätzlichen Überlegungen verweigert werden.

6. Welche Strategie schlagen Sie für die Bewältigung der Probleme an bekannten Drogenumschlagplätzen vor?

An bekannten Drogenumschlagplätzen wollen wir Freie Demokraten durch eine städtebauliche Umgestaltung und bessere Beleuchtung mehr Übersichtlichkeit herstellen. Ferner braucht es wieder mehr Polizei im Straßeneinsatz; schon regelmäßige Präsenz an einschlägigen Orten kann zum Beispiel Drogenhandel entgegenwirken. Gegen den Handel mit harten Drogen wollen wir zielgerichtet, etwa durch den Einsatz von Zivilfahndern, vorgehen.

7. Ein regulierter legaler Markt bietet die Möglichkeit von Qualitätskontrollen bei Cannabisprodukten. Auf dem heutigen Schwarzmarkt sind der Wirkstoffgehalt sowie mögliche Verunreinigungen und Beimengungen des Cannabis für den Konsumenten nicht ersichtlich. Unter dem Aspekt der Schadensminimierung wäre die Möglichkeit für anonyme Substanzanalysen ein drogenpolitisches Instrument, das auch jetzt genutzt werden könnte. Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von illegalen Substanzen wie Cannabis?

Drug-Checking kann Risiken durch unbekannte Wirkstoffe, Verunreinigungen und Überdosierungen reduzieren und Drogenkonsumenten den Zugang zu einer Beratung erleichtern. Wir Freie Demokraten sehen aber auch die Gefahr, dass eine Pseudo-Sicherheit im Hinblick auf die Einnahme potentiell gefährlicher psychoaktiver Substanzen vermittelt und somit der illegale Konsum gefördert wird. Wir setzen daher vorrangig auf einen Bezug von Cannabis aus qualitätsgesicherten Quellen im Rahmen einer kontrollierten Abgabe. Der Schutz von Leben und Gesundheit hat hier für uns Priorität.

8. Cannabiskonsumenten werden bei der Überprüfung der Fahreignung gegenüber Alkoholkonsumenten benachteiligt. Selbst ohne eine berauschte Teilnahme am Straßenverkehr kann Menschen, die Cannabis konsumieren, der Führerschein über das Verwaltungsrecht gänzlich entzogen werden. Der Entzug der Fahrerlaubnis kann gravierende Folgen, wie Arbeitsplatzverlust und sozialer Isolation zur Folge haben. Was schlagen Sie vor, um diese Ungerechtigkeit und Unverhältnismäßigkeit zu beseitigen?

Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde richtet sich nach § 3 i.V.m. §§ 11-14 der Fahrterlaubnisverordnung (FeV). Wie insbesondere die §§ 13 und 14 FeV zeigen, kann die Verwaltungsbehörde sowohl bei tatsächlichen Eignungszweifeln aufgrund von Alkoholproblematik als auch bei entsprechenden Eignungszweifeln aufgrund einer Betäubungsmittelproblematik unter anderem die Beibringung eines medizinischen oder eines medizinisch-psychologischen Sachverständigengutachtens anordnen. In dieser Hinsicht unterscheiden sich Alkohol- und Betäubungsmittelproblematik nicht. Bedeutsam ist der Unterschied allerdings bei der strafrechtlichen Sanktionierung. Während die Rechtsprechung seit Jahrzehnten von gefestigten Grenzwerten für die Blutalkoholkonzentration ausgeht und daran die individuelle Fahrtüchtigkeit bemisst, fehlte es bisher weitgehend an entsprechenden Grenzwerten für Cannabis. Bereits der Konsum geringster Mengen kann unter Umständen  – bei Hinzutreten weiterer Indizien – zur Annahme einer Fahruntüchtigkeit führen; nach einer neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) soll jedenfalls bei einem Blut-THC-Wert von 1,0 ng/ml auch ohne weitere Indizien auf Intoxikation ein sorgfaltspflichtwidriges und damit ordnungswidriges Verhalten vorliegen (BGH, Beschluss vom 14.02.2017 – 4 StR 422/15). Für uns Freie Demokraten gilt es zu prüfen, ob wir die teilweise Ungleichbehandlung in Zukunft auflösen sollten. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls einheitliche Werte für die verwaltungsbehördliche Anwendung rechtsverbindlich festzulegen, um in diesem Bereich Rechtssicherheit zu schaffen und die Kosumentinnen und Kosumenten von Tetrahydrocannabinol (THC) nicht gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten von Alkohol schlechter zu stellen.

9. Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Partei und Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode?

Da wir Freie Demokraten in der aktuellen Legislaturperiode nicht im Bundestag vertreten sind, konnten wir bundespolitisch nur im Rahmen der außerparlamentarischen Opposition Werbung für unsere drogenpolitische Agenda machen. Auf Landesebene haben sich unsere Fraktionen und Parteigliederungen im oben beschriebenen Sinne aktiv eingesetzt.

10. Welche drogenpolitischen Initiativen plant Ihre Partei und Fraktion für die kommende Legislaturperiode?

Wir Freie Demokraten planen unter anderem drogenpolitische Initiativen zu den oben bereits angesprochenen Themen im Zusammenhang mit der Legalisierung des Konsums, des Besitzes und der Abgabe von Cannabis an Erwachsene. 

11. Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt. Die öffentliche Zustimmung für eine Legalisierung steigt. Die Frage ist nicht mehr so sehr, ob wir legalisieren, sondern wie wir regulieren. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen?

Wir Freie Demokraten treten für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene durch lizensierte Ausgabe-/Verkaufsstellen ein. Apotheken sehen wir dafür auch als geeignet an. Die Erteilung einer solchen Lizenz setzt umfangreiche Kenntnisse in Bezug auf Wirkungen, Produktion, Verarbeitung und Risiken voraus. Der Handel mit Cannabis ohne eine solche Lizenz soll weiterhin strafbar bleiben. Die Ausgabe-/Verkaufsstellen müssen durch Alterskontrolle die strikte Einhaltung des Jugendschutzes gewährleisten und über die Risiken des Konsums aufklären. Die Ausgabe-/Verkaufsstellen sind zudem nach einheitlichen Standards zu überwachen. Weiterhin ist in diesen lizenzierten Geschäften eine regelmäßige Qualitätskontrolle durchzuführen, um Verunreinigungen, zum Beispiel durch Pestizide, zu verhindern. Bei der kontrollierten Abgabe sollte auch ein Bezug von qualitätsgesicherten Cannabisprodukten über die neu eingerichtete Cannabisagentur des Bundes erfolgen. Eine kontrollierte Abgabe ist darüber hinaus mit verstärkter Aufklärung zu verknüpfen.