Cannabis Social Clubs in Spanien – Ein Überblick

In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts urteilte der Oberste Gerichtshof, dass der alleinige Besitz und Konsum von Drogen keine Straftat darstellt, sofern kein Handel damit betrieben wird. Diese Rechtsprechung gilt analog für die Aufzucht von Cannabispflanzen für den persönlichen Gebrauch. Die Konsumierenden müssen allerdings nachweisen, dass die Ernte nicht für den Handel bestimmt ist. Ebenso befand das oberste Gericht später, dass der gemeinschaftliche Konsum und Einkauf von Drogen durch abhängige Personen keine Straftat begründet.
Der 1993 gegründete Verein Asociación Ramón Santos de Estudios Sobre el Cannabis (ARSEC) baute für seine rund hundert Mitglieder selbst Cannabis an und führte dazu folgendes Argument ins Feld: Der Anbau einer oder mehrerer Pflanzen für den Eigenbedarf stellt keine Straftat dar. Dasselbe gilt für den gemeinschaftlichen Einkauf von Cannabis sowie für den gemeinsamen Konsum. Also könne es auch keine Straftat sein, wenn ein privater Personenkreis Pflanzen anbaut, die Ernte unter sich aufteilt und das Cannabis gemeinsam konsumiert (vgl. Zobel/Marthaler 2016, S. 23 m. w. N.).
Zwar wurden Mitglieder der ARSEC in der Folge durch alle Instanzen verurteilt. Ihr Vorbild hatte aber zur Folge, dass vor allem im Baskenland und in Katalonien zahlreiche so genannte Cannabis Social Clubs (CSC) gegründet wurden, denen Behörden widersprüchlich begegneten. Ein von der Regierung Andalusiens in Auftrag gegebene und 2001 publizierte Studie legte die Bedingungen dar, unter welchen Cannabis produziert und verteilt werden darf, ohne gegen das Gesetz oder die Rechtsprechung zu verstoßen: Die Clubs dürfen nur Erwachsene aufnehmen, die bereits Cannabis konsumieren. Ferner darf aus der Produktion und Verteilung des Cannabis‘ kein Gewinn erwachsen. Schließlich muss sichergestellt sein, dass die Produkte ausschließlich von Clubmitgliedern konsumiert werden (vgl. Zobel/Marthaler 2016, S. 24 m. w. N.).

Aktuelle Rechtslage und Rechtssprechung


Mittlerweile haben sich das Oberste Gericht des Landes (Tribunale Supremo, vglb. dem BGH) sowie das spanische Verfassungsgericht mehrfach mit Fällen von Cannabis Social Clubs beschäftigt. Denn auch wenn einige Landes- oder Lokalparlamente (Bsp: Barcelona in Katalonien, Narvarra im Baskenland) Regularien verabschiedet hatten, betrachten viele Staatsanwälte und Richter das Agieren der Clubs weiterhin als einen Verstoß gegen das auf Bundesebene geltende Betäubungsmittelgesetz. So klagen besonders die baskischen Clubs seit einem Urteil des Verfassungsgerichts Ende 2017 über zunehmende Repressalien seitens nationaler Strafverfolgungsbehörden.

  • Im Dezember 2017 erklärten die Verfassungsrichter das Gesetz der autonomen Region Narvarra im Baskenland zur Regulierung von Cannabis Social Clubs für ungültig, da es gegen nationales Recht sowie das UN-Einheitsabkommen über Betäubungsmittel verstoße (Urteil 144/2017 vom 14.12.2017).
  • Im März 2018 erklärten die Verfassungsrichter das Gesetz, das das katalanische Parlament 2017 zur Regulierung der Cannabis Social Clubs verabschiedet hatte (s.u.), für „nicht verfassungswidrig“ (Urteil 29/2018). Allerdings nur, weil es lediglich dem Konsum, nicht aber dem Anbau und der Abgabe von Cannabis einen rechtlichen Rahmen setze und nur ganz allgemein „eine Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden“ fordert. Die spanischen Verfassungsrichter haben im Urteil angemerkt, dass sich das Gericht nicht in die gesellschaftliche Diskussion um die rechtliche Stellung von Cannabis einmischen könne und somit das nationale BtMG ausschlaggebend zur Urteilsfindung sein müsse.
  • Im Februar 2018 hob das Oberste Gericht nach einer Stellungsnahme des Verfassungsgerichts ein eigenes Urteil aus dem Jahr 2015 auf und sprach fünf Mitglieder eines Cananbis Social Clubs (EBERS/Bilbao) aufgrund von Verfahrensfehlern frei. Diese waren 2015 zu Haftstrafen und Bewährungsstrafen verurteilt worden (Urteil 91/2018).
  • Im Oktober 2018 verurteilte das Oberste Gericht den Präsidenten und den Schatzmeister eines baskischen Clubs zu je drei Monaten Haft ohne Bewährung sowie einer geringen Geldstrafe. In der Begründung heißt es, die Betreiber hätten zugelassen, dass ihre Mitglieder Cannabis auch mitnehmen und somit öffentlich konsumieren konnten.

Zusammenfassung: Cannabis Social Clubs kommen in der spanischen Gesetzgebung nicht vor und agieren nach wie vor in einer Grauzone ohne Rechtssicherheit. Da das aktuell geltende Gesetz den Transport sowie jedwede Weitergabe unter Strafe stellt, werden die Clubs erst mit einer Gesetzesänderung auf Bundesebene Rechtssicherheit haben. Im Zweifelsfall müssen von Repressionen betroffene Clubs bis vor ein Bundesgericht ziehen, um Rechtssicherheit zu erlangen. Das wiederum hat dazu geführt, dass es trotz mehrerer hundert Clubs aufgrund zahlreicher, teils widersprüchlicher Einzelfallentscheidungen bis heute keinen verbindlichen Rechtsrahmen gibt.
Eine lokale Gesetzgebung wie im Baskenland oder Katalonien kann den Clubs keine Rechtssicherheit verschaffen, da Regionalparlamente nur Regularien bezüglich des Konsums schaffen dürfen. Sie haben keine Befugnis, den Anbau, Transport und die Weitergabe zu regulieren.
Alle aktuellen Urteile haben jedoch eine gemeinsame Tendenz: Können die Mitglieder/Betreiber nachweisen, dass sie ohne Gewinnabsichten arbeiten, keine Werbung betreiben, niemanden zum Konsum animieren, nur im Club konsumieren lassen sowie den Club nicht als Wachstumsmodell betreiben, tolerieren Gerichte dies in einigen Regionen Spaniens. In anderen Regionen wie zum Beispiel Andalusien gibt es sehr wenige Clubs. Die wenigen bestehenden agieren im Verborgenen und meiden im Regelfall aus Angst vor Repression den Kontakt mit Behörden.

Die Regeln


Zugang sollen nur erwachsene Mitglieder haben, die bereits Cannabis konsumieren. Die Clubs müssen in einem nationalen Register eingetragen sein und ihren Vereinszweck offenlegen, nämlich die Produktion und Verteilung von Cannabis an die Mitglieder und die Reduktion der Risiken, die mit dem Konsum einhergehen. Der Abgabepreis von Cannabis für die Mitglieder umfasst lediglich die Produktions- und Verwaltungskosten. Er soll unter dem Schwarzmarktpreis liegen. Zudem sind die CSC steuerpflichtig und müssten womöglich auch Mehrwertsteuer entrichten (Zobel/Marthaler 2016, S. 24 m. w. N.), aber über das Volumen dieser Abgaben ist nichts bekannt.
Wer einem CSC beitreten möchte, muss sich selbst als Cannabiskonsumierender erklären oder eine Verschreibung dieser Substanz für den medizinischen Gebrauch vorweisen. In einigen CSC ist zusätzlich die Empfehlung eines Clubmitglieds notwendig. Das Mindestalter beträgt 18 Jahre (Volljährigkeit), in einigen Clubs sogar 21 Jahre. Der gesetzliche Wohnsitz kann ein weiteres Kriterium für die Clubmitgliedschaft darstellen. Die Menge Cannabis, die der Einzelne beziehen darf, ist im Voraus festgelegt und liegt üblicherweise bei höchstens zwei bis drei Gramm pro Tag. Oft findet der Konsum vor Ort statt, um sicherzustellen, dass die Substanz nicht weiterverkauft wird. Bei der Aufnahme in den CSC sollen Kandidaten mit problematischem Konsumverhalten erfasst werden, damit die Clubverantwortlichen, wenn nötig, präventive oder schadenmindernde Maßnahmen ergreifen können. Über die konsumierte Cannabismenge wird für jedes Mitglied Buch geführt. Die Gesamtproduktion eines CSC muss auf der Hochrechnung der Mitgliederbedürfnisse fußen. Eine zusätzliche Reserve ist gestattet. Der Anbau der Cannabispflanzen kann entweder durch Personen aus dem Verein erfolgen oder Landwirten anvertraut werden. In jedem Fall müssen alle Phasen der Produktion protokolliert werden. Idealerweise sollten Inspektionen durch die Behörden stattfinden (Zobel/Marthaler 2016, S. 25 m. w. N.).

Im Zuge der raschen Verbreitung der CSC haben einige regionale Verwaltungen Kriterien für den Betrieb der Vereine entwickelt. Allerdings dürfen sich diese Anforderungen weder zum Anbau noch zum Transport oder der entgeltichen Weitergabe von Cannabis äußern, denn diese Aspekte werden in der nationalen Gesetzgebung über die Betäubungsmittel geregelt. Das Landesparlament Kataloniens verabschiedete 2017 eine Gesetz, das die Standards für die Gründung von Cannabis Social Clubs, das vom spanischen Verfassungsgericht 2018 als “nicht verfassungswidrig“ eingestuft wurde. Allerdings regelt es die oben angeführten, heiklen Punkte Anbau, Transport und Weitergabe nicht rechtsverbindlich.

Auch heute gelten die CSC als nicht gewinnorientierte private Vereine. Das katalanische Regulativ umfasst folgende Anforderungen: Ausbildung der Verantwortlichen der Cannabisclubs; Früherfassung von Mitgliedern mit problematischem Konsumverhalten; Verbot von Alkohol und anderen Drogen; Anwendung der Vorschriften des Tabakgesetzes; Einhaltung eines Mindestabstands zu Schulen und Gesundheitseinrichtungen; Befolgung der Betriebsdauer (maximal 8 Stunden täglich) sowie der Schließzeiten (22 Uhr an Werktagen, 24 Uhr am Wochenende); Verbot von Werbung; Beachtung der Bestimmungen über Hygiene und Umweltschutz. Zudem gilt für neue Clubmitglieder in einigen Clubs eine Karenzfrist von 15 Tagen zwischen dem Beitrittsgesuch und der erstmaligen Abgabe von Cannabis (vgl. Zobel/Marthaler 2016, S. 25 m. w. N.).
Es gibt in Spanien keine offiziellen Angaben zur Anzahl der CSC. Zobel/Marthaler berufen sich auf eine Schätzung, die von 500 bis 600 Clubs spricht. Die meisten von ihnen befinden sich in Katalonien (ca. 350) und im Baskenland (ca. 75). In Katalonien soll es 20 Clubs mit mehr als 1.000 Mitgliedern geben, zwei davon mit über 10.000. Einige CSC haben sich zu Vereinigungen zusammengeschlossen. Eine davon (CatFAc) beschränkt die Mitgliederzahl auf 650. Ferner dürfen pro Person im Monat höchstens 60 Gramm Cannabis abgegeben werden. Eine andere Vereinigung (FedCat) kennt keine Mengenbeschränkung, und die Höchstmenge pro Mitglied beträgt 100 Gramm im Monat. Eine Vorstellung über das Gesamtvolumen, welches in den CSC konsumiert wird, kann mit folgender Hypothese hergestellt werden: Man nimmt an, dass die rund 500 existierenden CSC im Durchschnitt 500 Mitglieder umfassen. Das ergibt insgesamt 250.000 Personen. Wenn jede dieser Personen 30 Gramm im Monat (360 Gramm im Jahr) konsumiert, würde sich ein Gesamtvolumen von 90 Tonnen Cannabis im Jahr ergeben (Zobel/Marthaler 2016, S. 25 m. w. N.).

Aufgrund der verfügbaren Zahlen hat der Cannabiskonsum in Spanien um die Jahrtausendwende zugenommen. Danach trat eine Stabilisierung ein, und seit 2009 stellt man sogar einen Rückgang des Konsums fest. Die letzten Daten stammen allerdings von 2013 und decken nicht die gesamte Periode der Verbreitung der CSC ab. Die nächste Erhebung bleibt abzuwarten. Die künftigen Zahlen aus Katalonien und dem Baskenland müssen vorliegen, bevor verlässlichere Aussagen über die Konsumentwicklung möglich sind. Immerhin wies Spanien im Dezember 2013 die höchste Prävalenz des Cannabiskonsums im letzten Monat in Europa auf: 6,6 Prozent in der Altersgruppe von 15 bis 64 Jahren. Nur in Frankreich wurden 2014 vergleichbare Konsumzahlen erhoben (vgl. Zobel/Marthaler 2016, S. 26 m. w. N.).

Eine Zusammenarbeit von Hannes Honecker, Henriette Scharnhorst und Michael Knodt