Antworten des GRÜNEN-Landesverbands Nordrhein-Westfalen auf unsere Wahlprüfsteine für die Landtagswahl im Mai 2017

Hier findet ihr die Antworten des GRÜNEN-Landesverbands Nordrhein-Westfalen auf unsere Wahlprüfsteine für die Landtagswahl im Mai 2017.

1. Die deutsche Drogenpolitik basiert auf vier Säulen: Prävention, Beratung und Behandlung, Überlebenshilfe und Schadensminimierung, Repression und Angebotsminimierung. In Deutschland werden weit mehr Ressourcen für Repression als für Prävention ausgegeben. Wie bewerten Sie die Schwerpunktsetzung in der Drogenpolitik? Halten Sie die Repression und Kriminalisierung von Drogenkonsumenten für eine sinnvolle Säule der Drogenpolitik?

Nein. Kriminalisierung und Repression haben sich als völlig unwirksam erwiesen, um eine Reduzierung gesundheitlich riskanten Drogengebrauch zu verhindern. Im Gegenteil: Die Kriminalisierung hat einen Schwarzmarkt geschaffen, auf dem die organisierte Kriminalität herrscht und keine Regeln für Jugendschutz und Verbraucherschutz gelten. Durch die unnütze Kriminalisierung von Drogenkonsumentinnen und -konsumenten werden Polizei und
Staatsanwaltschaften von wichtigeren Aufgaben wie etwa Wohnungseinbrüche aufzuklären oder zu verhindern oder gefährliche Terroristen zu fangen, abgehalten.

Im Umgang mit Drogen setzen wir auf eine präventive, beratende, aber auch akzeptierende Politik. Auf Bundesebene fordern wir daher eine grundsätzliche Neubewertung des Umgangs mit Cannabis. Wir wollen einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik herbeiführen und eine kontrollierte Abgabe von Cannabis ermöglichen. Hierzu haben wir GRÜNEN die politische Initiative übernommen und den Entwurf für ein Cannabiskontrollgesetz in den Bundestag eingebracht. Damit wollen wir für Anbau, Handel und Abgabe von Cannabis ein klar geregeltes und kontrolliertes System schaffen und damit auch den Verbraucher- und Jugendschutz stärken, der beim heutigen illegalen Drogenmarkt nicht gegeben ist. Der Verkauf soll unter strenger Wahrung des Jugendschutzes durch lizensierte Abgabestellen erfolgen.

Wir wollen gesundheitliche Schäden durch Drogen reduzieren, Konsumierende über Gesundheitsrisiken aufklären und ihnen die Möglichkeit geben, Drogen auf ihren Wirkstoffgehalt und ihre Reinheit überprüfen zu können (Drug Checking). Für NRW wollen wir unterdessen die Möglichkeit eröffnen, im Rahmen von Modellprojekten die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Volljährige vorzunehmen. Gerade das Wissen über Konzentration und Inhaltsstoffe ist präventiv sinnvoll.

2. Menschen, die Cannabis konsumieren, werden immer noch strafrechtlich verfolgt. Wollen Sie diese Strafverfolgung generell mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

Wir wollen den Drogenkonsum entkriminalisieren und mit Prävention vor Sucht schützen. Im Umgang mit Drogen setzen wir weiter auf eine präventive, beratende, aber auch akzeptierende Politik. Jeder Mensch entscheidet selbstbestimmt über seinen Konsum; Bevormundungen lehnen wir ab. Sanktionen und Repressionen sind notwendig gegenüber Dealern und Kriminellen, Süchtige hingegen brauchen Hilfe und Unterstützung. An diesem Umdenken
wollen wir weiterhin ansetzen.

Dabei geht es uns um mehr Differenzierung in den Hilfeansätzen und Zuwendung zu denen, die bislang von den bestehenden Hilfestrukturen
wenig bis gar nicht erreicht werden. Wie schon unter 1 ausgeführt hat unsere grüne Bundestagsfraktion hat einen Gesetzentwurf für ein Cannabiskontrollgesetz in den Bundestag eingebracht. Wir wollen damit den Vertrieb und die Herstellung von Cannabisprodukten im Sinne des Verbraucherschutzes regulieren und den Besitz, den Anbau sowie den Erwerb von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften für Erwachsene in einem bestimmten Umfang ermöglichen.

3. Nach dem Urteil des BVerfG von 1994 sollen “geringe Mengen” für den Eigenbedarf nicht strafrechtlich verfolgt werden. Wie stehen Sie zur aktuellen Verordnung zur Anwendung der “geringen Menge” nach §31a BtMG in Ihrem Bundesland und planen Sie Änderungen?

Wir haben in NRW die Grammzahl für „Geringe Mengen“ wieder angehoben. Wie unter 12 dargestellt haben wir GRÜNEN hier auch weitergehende Vorstellung. Wir werden uns dafür einsetzen, hier zu weiteren Veränderungen zu kommen.

4. Bremen will den Anbau von wenigen Cannabispflanzen zur Deckung des Eigenbedarfs in die Verordnung zur “geringen Menge” aufnehmen. Wollen Sie die Strafverfolgung des Anbaus weniger Hanfpflanzen zur Deckung des Eigenbedarfs mildern, verschärfen oder unverändert lassen?

Wir setzen uns – wie auch schon bei der Beantwortung der Fragen 1 und 2 ausgeführt – für eine Entkriminalisierung des Drogenkonsument*innen ein, also natürlich auch für eine Abmilderung der Strafverfolgung.

5. Nach §3 Abs. 2. BtMG kann eine Kommune oder ein Land eine Ausnahmegenehmigung für eine legale Veräußerung von Cannabis beantragen, wenn dies im wissenschaftlichen oder öffentlichen Interesse liegt. Wie stehen Sie zu einem Modellversuch für eine kontrollierte Veräußerung von Cannabis an Erwachsene?

Wir unterstützen die Beantragung solcher Modellprojekte, weil durch sie überprüft werden kann, wie sich eine kontrollierte Abgabe konkret auswirkt. Die Erfahrungen in Berlin und Ende der 90er Jahre in Schleswig-Holstein zeigen allerdings, dass die Unterstützung der Bundespolitik nötig ist, um die Genehmigung solcher Modellprojekte zu erreichen bzw. zu erleichtern. Derzeit haben hierzu Düsseldorf und Münster konkrete Ratsbeschlüsse gefasst, die jeweils auch von den GRÜNEN Ratsfraktionen initiiert (in Münster unter Einbeziehung des Bürgerantrags der Hanffreunde) worden sind.

6. Welche Strategie schlagen Sie für die Bewältigung der Probleme an bekannten Drogenumschlagplätzen vor?

Wir gehen davon aus, dass durch die Möglichkeit zur kontrollierten Abgabe auch örtliche Probleme entschärft werden können.

7. Ein regulierter legaler Markt bietet die Möglichkeit von Qualitätskontrollen bei Cannabisprodukten. Auf dem heutigen Schwarzmarkt sind der Wirkstoffgehalt sowie mögliche Verunreinigungen und Beimengungen des Cannabis für den Konsumenten nicht ersichtlich. Unter dem Aspekt der Schadensminimierung wäre die Möglichkeit für anonyme Substanzanalysen ein drogenpolitisches Instrument, das auch jetzt genutzt werden könnte. Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von illegalen Substanzen wie Cannabis?

Eine von uns angestrebte kontrollierte Abgabe von Cannabis und eine Regulierung der gesamten Herstellungs- und Vertriebskette führt unmittelbar auch zu mehr Verbraucherschutz. Es gibt klare Regelungen zum Wirkstoffgehalt, Streckmittel sind verboten. Bei illegalen Substanzen ist Drugchecking ein gutes Instrument, um gesundheitliche Gefährdungen durch den Schwarzmarkt wie Überdosierungen, gefährliche Beimengungen etc. zu reduzieren.
Deswegen sprechen wir uns dafür aus, das Drugchecking zu ermöglichen.

8. Cannabiskonsumenten werden bei der Überprüfung der Fahreignung gegenüber Alkoholkonsumenten benachteiligt. Selbst ohne eine berauschte Teilnahme am am Straßenverkehr kann Menschen, die Cannabis konsumieren, der Führerschein über das Verwaltungsrecht entzogen werden. Setzen Sie sich für eine Gleichbehandlung mit Alkoholkonsum bei der Auslegung der Fahrerlaubnisverordnung auf Landesebene ein? Halten Sie es für notwendig die Grenzwerte nach wissenschaftlichen Kriterien an internationale Standarts anzupassen?

Ja, in unserem Cannabiskontrollgesetz haben wir entsprechende Regelungen für realitätstauglichere Grenzwerte vorgesehen. In NRW haben wir die Eigenbedarfsgrenze für den straffreien Erwerb in dieser Legislaturperiode bereits angehoben. In einem nächsten Schritt wollen wir die automatische Regeleinstellung von Strafverfolgung bei kleinen Mengen sowie ein Ende der Praxis, dass der Konsum kleiner Mengen an die Führerscheinstellen
gemeldet wird.

9. Viele drogenpolitische Maßnahmen betreffen eher Bundesrecht. Haben Sie vor, Ihre drogenpolitischen Positionen, beispielsweise über Bundesratsinitiativen, auch bundesweit zu vertreten?

Wir werden uns dafür einsetzen, dass eine Neubewertung der Cannabis-Politik erfolgt, wie bereits unter Pkt.1 ausgeführt. Hierzu werden wir auch entsprechende Bundesratsinitiativen von der Landesregierung einfordern.

10. Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Landespartei und Landtagsfraktion in der aktuellen Legislaturperiode?

NRW hält für drogenkonsumierende, suchtgefährdete und drogenabhängige Menschen bereits ein gutes Angebot an Hilfen und Beratung durch freie Träger, Selbsthilfe und den Kommunen vor, das vom Land mit gefördert wird. Dabei haben wir GRÜNEN uns in den letzten Jahren dafür eingesetzt, dass die Haushaltsmittel wieder deutlich angehoben wurden. Zuvor hatte die CDU-geführte Vorgängerregierung die Haushaltsmittel für die Drogenpolitik
zusammengestrichen. Heute stehen jährlich wieder rd. 12,7 Mio. Euro Landesmittel für die Drogen- und Suchthilfe bereit. Dabei haben wir dafür gesorgt, dass auch die zielgruppen- und niedrigschwellige Drogenhilfe wieder gefördert wird. So haben wir auch wieder eine Landeskoordinierungsstelle „Frauen und Sucht“ sowie die Fachstelle Essstörungen eingerichtet. Neu eingerichtet wurde auch die Landeskoordinierungsstelle für berufliche und
soziale Integration Suchtkranker.

Zudem haben wir die Arbeit der DTA und Konsumräume gesichert. Gestärkt wurde auch die Angebote zur psychosozialen Betreuung von substituierten
Drogenabhängigen, die niedrigschwellige medizinische und psychosoziale Hilfeangebote für Drogenabhängige sowie Angebote zur Stärkung der Suchtselbsthilfe. In Bezug auf die Grammzahl für „Geringe Mengen“ für den Eigengebrauch haben wir diese wieder auf 10 Gramm angehoben. Schließlich haben wir auch einen umfassenden Antrag zur Ermöglichung von Modellversuchen zur kontrollierten Abgabe von Cannabis erarbeitet. Leider hat auch nach längeren Verhandlungen seitens des Koalitionspartners SPD keine Bereitschaft bestanden eine entsprechende von uns vorgelegte parlamentarische Initiative zu unterstützen, um sie letztendlich in den Landtag einbringen zu können. Koalitionsanträge können nur gemeinsam
gestellt werden. Für die kommende Legislaturperiode halten wir es für notwendig bezüglich Initiativen für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis klare Vereinbarungen zu treffen.

11. Welche drogenpolitischen Initiativen plant Ihre Partei und Fraktion für die kommende Legislaturperiode?

Auf Bundesebene fordern wir eine grundsätzliche Neubewertung des Umgangs mit Cannabis. Unser Ziel ist eine kontrollierte, legale Abgabe an zertifizierten Verkaufsstellen, die die Einhaltung des Jugend- und Verbraucherschutzes garantieren. Für NRW wollen wir die Möglichkeit eröffnen, im Rahmen von Modellprojekten die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Volljährige vorzunehmen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Land hierzu Initiativen ergreift.
Nachdem wir die Eigenbedarfsgrenze für den straffreien Erwerb bereits angehoben haben, wollen wir in einem nächsten Schritt die automatische Regeleinstellung von Strafverfolgung bei kleinen Mengen sowie ein Ende der Praxis, dass der Konsum kleiner Mengen an die Führerscheinstellen gemeldet wird. Wir wollen insbesondere die suchtvorbeugende, begleitende oder ausstiegsorientierte Hilfe weiter ausbauen. Niedrigschwellige Drogenhilfe, zielgruppenspezifische und aufsuchende Beratung und Hilfen spielen eine wichtige Rolle. Angebote wie Drogenkonsumräume, Spritzenvergaben und Substitutionsbehandlung tragen entscheidend dazu bei, die gesundheitliche Versorgung und das Überleben vieler Betroffener zu ermöglichen.

Vor allem geschlechtergerechte Unterstützungsangebote sind erforderlich, um auf geschlechterspezifische Ursachen von Sucht und Suchterkrankung effektiv reagieren zu können. Diese Angebote wollen wir sichern und gemeinsam mit den Trägern auch bedarfsgerecht weiterentwickeln. Dazu gehört auch flächendeckendes Drugchecking. Sucht im Alter und auch der Alkoholmissbrauch von jungen Menschen erfordert eine spezifische Prävention in diesen Bereichen. Auch die sogenannten „nicht stoffgebundenen Süchte“ wie Mager- und Esssucht aber auch Medien- und Onlinesucht sowie Glücksspielsucht werden weiterhin zunehmende Rolle spielen. Hier ist das Land bereits engagiert.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Angebote kontinuierlich und zeitgemäß weiter entwickelt und ausgebaut werden.

12. Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt. Die öffentliche Zustimmung für eine Legalisierung steigt derzeit rasant. Die Frage ist nicht mehr so sehr, ob wir legalisieren, sondern wie wir regulieren. Wie sollte Ihrer
Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen?

Die Regulierung wie im Entwurf des Cannabiskontrollgesetzes unserer Bundestagsfraktion ist von dem Ziel geleitet, die Kriminalisierung zu beenden, Verbraucher- und Jugendschutz zu ermöglichen.Mündige Erwachsene sollen selbst entscheiden können, ob sie Cannabis konsumieren. Unser Gesetzentwurf sieht folgende Eckpunkte vor:

– Entkriminalisierung: Erwachsenen Privatpersonen soll zukünftig der Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis oder drei Cannabispflanzen zum Eigenbedarf erlaubt sein.

– Kontrolle: Der gesamte Wirtschaftsverkehr für Cannabis (Anbau, Verarbeitung, Transport, Im- und Export, Groß- und Einzelhandel) wird gesetzlich reguliert.

- Geregelter Verkauf: Der Verkauf von Cannabis und cannabishaltigen Produkten darf nur in zugelassenen Cannabisfachgeschäften erfolgen.

 Cannabisfachgeschäfte: Cannabisgeschäfte selbst unterliegen strengen Auflagen, insbesondere zum Jugendschutz. Kinder und Jugendliche dürfen das Geschäft nicht betreten. Das Personal ist verpflichtet, Kunden über Konsumrisiken, Suchtgefahren und schadensmindernde Maßnahmen aufzuklären und bei Bedarf auf Beratungs- und Therapieangebote hinzuweisen.

- Verbraucherschutz: Der Anbau von Cannabis unterliegt strengen Vorschriften. Darüber hinaus darf Cannabis nicht in Verkehr gebracht werden, wenn es so verunreinigt ist, dass eine Gesundheitsgefahr besteht.

 – Prävention: Sämtliche Produkte müssen eine Packungsbeilage mit Hinweisen zu Dosierung und Wirkung, möglichen Wechselwirkungen sowie Vorsichts- und Notfallmaßnahmen enthalten.

– Straßenverkehr: In die Straßenverkehrsordnung wird – ähnlich wie bei Alkohol – ein Grenzwert für Cannabis beim Führen von Kraftfahrzeugen eingeführt (5,0 ng/ml im Blutserum).


– Evaluation: Die Bundesregierung wird verpflichtet, dem Bundestag alle vier Jahre einen Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes vorzulegen, der beispielsweise die Konsumentwicklungen, Verbraucherschutzaspekte und Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit umfasst.