Als Vorbereitung für unsere Wahlempfehlung haben wir wieder unsere Wahlprüfsteine zum Thema Cannabis und Drogenpolitik an die Parteien geschickt. Hier die Antwort der Piratenpartei vom 05.07.13
Fragen des deutschen Hanfverbands an die Piratenpartei Deutschland zur Bundestagswahl 2013
Halten Sie die Repression und die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten für eine sinnvolle Säule der Drogenpolitik?
Nein. Der zwangsläufig daraus entstehende Schwarzmarkt birgt mannigfaltige Risiken. Sie reichen von der Unterstützung des organisierten Verbrechens bis zur billigenden Inkaufnahme von teilweise schwerwiegenden gesundheitlichen Gefahren für die Konsumenten.
Die Piraten setzen sich stattdessen für eine konsequente Suchtprävention und eine bereits in der Schule beginnende Aufklärung ein. Nur ein offener Umgang mit Gefahren und Risiken ermöglicht einen bewussten und selbstbestimmten Umgang mit der Droge. Darüber hinaus setzen wir auf erleichterten Zugang zu Therapien und eine verbesserte Schadensminimierung.
Wollen Sie die Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten generell eher mildern, verschärfen oder unverändert lassen?
Die Piraten fordern die komplette Entkriminalisierung des privaten Umgangs mit psychotropen Substanzen.
Als Sofortmaßnahme speziell für Cannabis haben sich die Piraten der Forderung des DHV nach einem bundeseinheitlichen duldbaren Besitz von 30g Cannabis angeschlossen, um die sehr unterschiedliche Praxis der einstellungsgeeigneten Menge kurzfristig abzulösen.
Wollen Sie die Strafverfolgung des Anbaus weniger Hanfpflanzen zur Deckung des Eigenbedarfs eher mildern, verschärfen oder unverändert lassen?
Die Piraten fordern die komplette Entkriminalisierung des privaten Umgangs mit psychotropen Substanzen. Der private Anbau von Cannabispflanzen für den Eigenbedarf darf nicht bestraft werden. Dies dient der wirkungsvollen Bekämpfung des Schwarzmarktes und der damit einhergehenden organisierten Kriminalität und stellt damit ein wichtiges Element piratiger Drogenpolitik dar.
Wie stehen Sie zur aktuellen Verordnung zur Anwendung der “geringen Menge” nach §31a BtmG und planen Sie Änderungen?
Die Piraten halten die Regelung, auch wegen ihrer je Bundesland sehr unterschiedlichen Auslegung, für wenig zielführend. Die zentralen Probleme werden dadurch nicht gelöst, da der Konsument weiterhin einem illegalen Milieu ausgeliefert bleibt und durch unsinnige Verfahrenseröffnungen wertvolle Geldmittel verschwendet werden, die sinnvoller in früh einsetzender Prävention angelegt wären.Wir fordern eine Neufassung des Betäubungsmittelgesetzes, in der die erfassten, psychotropen Substanzen neu bewertet werden: Nur wenn eine Fremdgefährdung realistisch nicht ausgeschlossen werden kann, dürfen die Freiheitsrechte des Einzelnen eingeschränkt werden.
Wie stehen Sie zu einem Modellversuch für eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten an Erwachsene?
Wir fordern Modellversuche für lizenzierte Fachabgabestellen. In diesen erfolgt der Verkauf von Tabak, Liquids für e-Zigaretten, Spirituosen und anderen psychotropen Substanzen, darunter auch Cannabis. Jugendliche haben dort keinen Zutritt. Qualifiziertes Personal soll Beratung zu verantwortungsvollem Gebrauch und möglichen Gefährdungspotentialen anbieten. Wie alle Genussmittel, müssen die angebotenen Substanzen dem Verbraucherschutz unterliegen und einer regelmäßigen Qualitätskontrolle unterzogen werden. Die Produkte dürfen nicht künstlich verteuert werden, damit ein Bezug über den Schwarzmarkt keine Alternative darstellt. Perspektivisch soll es möglich sein, Cannabis auch legal anzubauen, da wir ein “holländisches Modell” mit weiterhin in der Illegalität verbleibenden Bezugsquellen sehr kritisch sehen.
Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle von Drogen wie Cannabis?
Qualitätskontrollen müssen trotz der zur Zeit herrschenden Prohibition ermöglicht werden, denn das Wissen um Wirkstoff und Beimengungen ist Grundlage risikoarmen Drogengebrauchs. Viele Konsumenten werden sich noch lange Zeit illegaler Quellen bedienen. Um auch hier einen wirkungsvollen Verbraucherschutz zu ermöglichen, müssen sofort umfassende, bedarfsgerechte Möglichkeiten zum Drugchecking bereitgestellt werden. Als großräumig wirksame zusätzliche Maßnahme fordern die Piraten die Einrichtung einer bundesweiten Online-Meldestelle für problematische Substanzen zur Risiko- und Schadensminimierung für Drogenkonsumenten.
Auch nach erfolgter Legalisierung müssen Cannabis und andere Drogen selbstverständlich, wie alle Genussmittel, dem Verbraucherschutz unterliegen und einer regelmäßigen Qualitätskontrolle unterzogen werden.
Halten Sie es für sinnvoll, dass Cannabiskonsumenten bei der Überprüfung der Fahreignung gegenüber Alkoholkonsumenten benachteiligt werden oder setzen Sie sich für eine Gleichbehandlung ein?
Die Piraten können nicht erkennen, an welcher Stelle eine prinzipielle Unterscheidung zwischen Cannabis und Alkohol hier Sinn machen könnte. Die Gefährdung des Straßenverkehrs unter Einfluss von Rauschmitteln kann nicht geduldet werden. Aber die automatische und pauschale Sanktionierung des Konsums von Drogen und Medikamenten durch die Führerscheinbehörde nehmen wir nicht hin: Als Kriterium für den Entzug der Fahrerlaubnis müssen wissenschaftlich abgesicherte Grenzwerte für Wirkstoffkonzentrationen festgelegt werden, die eine akute Fahruntüchtigkeit nachvollziehbar definieren.
Es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konsum und dem Führen des Kraftfahrzeuges vorliegen. Allein die Vermutung oder die Feststellung, dass eine Person Drogen oder Medikamente konsumiert oder konsumiert hat, lässt keine Rückschlüsse auf die aktuelle Fahrtüchtigkeit zu und rechtfertigt keinen vorbeugenden Entzug der Fahrerlaubnis.
Welchen Handlungsbedarf sehen sie beim Einsatz von Cannabis als Medizin?
Cannabinoidhaltige Medikamente sollen anderen verkehrsfähigen Medikamenten gleichgestellt werden. Es liegt dabei im Ermessen des behandelnden Arztes, ob der Echtstoff zum Einsatz kommen soll. Die Kosten sind von den Krankenkassen zu tragen.
Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von ihrer Partei und Fraktion in der aktuellen Legislaturperiode?
Leider standen uns auf Bundesebene in der vergangenen Legislaturperiode noch keine parlamentarischen Mittel zur Verfügung. Unsere Landtagsfraktionen erinnern jedoch nach Kräftenan die Problematik, wie jüngst im Saarland[1] und in Nordrhein-Westfalen[2] und laufend in Berlin[3]. Darüber hinaus weisen wir darauf hin, dass unser Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Bayern, Emanuel Kotzian, das Thema Cannabislegalisierung als zentrales Wahlversprechen positioniert hat.
1.
2. https://www.welt.de/regionales/duesseldorf/article113783102/Drohnen-suchen-in-NRW-nach-Cannabis-Plantagen.html NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) auf eine Kleine Anfrage der Piratenfraktion im Landtag
3. https://www.abgeordnetenwatch.de/bundestag/wahl-2013/wahlprogramme
Welche drogenpolitischen Initiativen plant ihre Partei und Fraktion für die kommende Legislaturperiode?
Im Falle eines Bundestagseinzuges werden die Piraten die Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Gruppen anstreben, die sich vorurteilsfrei mit dem Konsum von psychotropen Substanzen und dessen Folgen auseinandersetzen. Unser Wahlprogramm[1] macht eindeutige Aussagen dazu, welche Initiativen von Piraten im Bundestag ausgehen werden.
1. http://www.piratenpartei.de/politik/wahl-und-grundsatzprogramme/wahlprogramm-btw13/gesundheitspolitik/#wahlprogramm-gesundheit-drogen-neustart
Wie sollte ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen?
Als erstes Ziel haben wir Piraten uns vorgenommen, die Entkriminalisierung der Endkonsumenten voranzutreiben und ihnen sichere Bezugsquellen, möglichst ohne direkten Kontakt zum organisierten Verbrechen zu ermöglichen. Daher setzen wir uns unter anderem für eine Entkriminalisierung des Eigenanbaus, vereinfachtes Drugchecking und Modellversuche mit lizenzierten Fachabgabestellen ein. Wie alle Genussmittel, müssen die angebotenen Substanzen dem Verbraucherschutz unterliegen und einer regelmäßigen Qualitätskontrolle unterzogen werden. Die Produkte dürfen nicht künstlich verteuert werden, damit ein Bezug über den Schwarzmarkt keine Alternative darstellt.
Da wir bei einem “holländischen Modell” nicht halt machen wollen, streben wir einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs darüber an, wie ein regulierter Markt für alle Drogen, einschließlich Cannabis aussehen könnte.