suite101.de: Interview mit dem Chef des Deutschen Hanfverbandes, Georg Wurth

Suite101.de veröffentlichte am 28.06.2011 ein Interview mit Georg Wurth zum Thema Cannabis.

Soll Cannabis in Deutschland legal werden? Was steht dieser Legalisierung im Wege? Ein Interview mit Georg Wurth, dem Chef des Deutschen Hanfverbandes.

Georg Wurth ist der Chef des Deutschen Hanfverbandes, der sich für die Legalisierung von Cannabis in Deutschland einsetzt. Er betreibt mit seinen Mitarbeitern Öffentlichkeitsarbeit in Form von Interviews und Interessenvertretung von Geschäftskunden und Privatpersonen, die eine andere Cannabispolitik in Deutschland wünschen.

Suite101: Wieso will Ihr Verband Cannabis in Deutschland legalisieren?

Georg Wurth: Heutzutage wird oft argumentiert, dass die negativen Auswirkungen, die das Kiffen haben kann, zu vermeiden wären, indem Angebot und Nachfrage durch dieses Verbot zurückgedrängt werden würden. Aber das ist gar nicht der Fall. Es gibt überhaupt keine wissenschaftlichen Hinweise, dass weniger Hanf geraucht wird, weil es verboten ist. In Holland wird zum Beispiel nicht mehr gekifft als bei uns, obwohl man dort im Laden ganz leicht an Cannabis gelangt. Das heißt, das Hanfverbot erreicht seinen Zweck nicht, Nachfrage und Angebot zu reduzieren. Kaum jemand lässt sich von dem Verbot abschrecken, zu konsumieren. Also Ziel nicht erreicht. Aber dafür hat das Verbot ganz viele andere Nebenwirkungen zur Folge, die so gar nicht geplant sind.

Suite101: Was sind das denn für Nebenwirkungen?

Georg Wurth: Es gibt zum Beispiel immer mehr Streckmittel auf dem Markt, und diese Streckmittel sind für die Konsumenten ein größeres gesundheitliches Risiko, als der Cannabiskonsum selbst jemals sein könnte. Zumindest was die Zahl der Schadensfälle angeht. Und dann kommt dazu, dass das alles kriminelle Strukturen fördert.

In Mexiko hat man zum Beispiel den totalen Krieg gegen Drogen ausgerufen. Die Regierung hat sich der ganzen Polizei entledigt, weil all die Beamten korrumpiert waren und hat stattdessen das Militär die Arbeit der Polizei übernehmen lassen. 40.000 Soldaten im Kampf gegen die Drogenkartelle. Seit dem sind innerhalb von etwa drei Jahren 37.000 Menschen gestorben. Die Kartelle übernehmen dort ganze Landstriche, schmieren die Politiker. Das ist eben auf die Spitze getrieben, was man hier in Anfängen auch sieht. Überführte man den Cannabishandel in legale Strukturen, so würde das alles vermieden werden.

Suite101: Wenn so viele Faktoren für eine Legalisierung sprechen, wieso findet die Idee dann in der Regierung keinen Anklang?

Georg Wurth: Ich denke, die Medien spielen dabei auch eine ganz große Rolle. Wenn man sich mal ansieht, was die so schreiben und berichten, gerade die Boulevardmedien, da wird praktisch immer negativ über Cannabis berichtet. Und die Presse sucht sich gerne die Fälle heraus, die wirklich extrem negativ sind. Es wird gerne dargestellt, als ob alle Cannabiskonsumenten einen psychotischen Rinderwahn kriegen. Und das über Jahrzehnte vermittelt, beeinflusst die Bevölkerung natürlich sehr. Die Politiker sind auch nur Menschen, sie sind auch alle mal jung gewesen, haben ihre Zeitung gelesen und sind dann irgendwann in die Politik gerutscht. Aber die wenigsten sind Fachleute in einzelnen Gebieten und schon gar nicht in Sachen Drogenpolitik. Das heißt, sie glauben dasselbe, wie die anderen Leute auch.

Das hat aber auch ganz viel mit internationalen Zusammenhängen zu tun. Man muss sehen, Cannabis ist auf der ganzen Welt verboten. Es gibt kein Land auf der Erde, wo Cannabis offiziell erlaubt ist. Und das hat ganz viel in erster Linie mit den USA zu tun, die dieses Drogenprohibitionssystem jahrzehntelang weltweit verbreitet haben. Die mit ihrer Stellung in der Weltpolitik auch so ein Land wie Laos, in dem Hanfkonsum traditionell erlaubt war, so wie bei uns Alkohol, genötigt haben, den Handel zu unterbinden. Und vor zehn Jahren habe ich in der Diskussion auch das Argument gehört, könne ja alles sein, aber es sei gar nicht möglich zu legalisieren, weil wir dann so viele Probleme, auch wirtschaftlicher Art, mit den Amerikanern kriegen würden.

Suite101: Wie stehen die Chancen für eine Legalisierung von Hanf in der Zukunft?

Georg Wurth: Ich denke, das Ganze ist nur eine Zeitfrage. Ich gehe davon aus, dass die Legalisierung kommen wird, zwar nicht in den nächsten fünf Jahren, aber doch sicherlich wird man in den nächsten Jahrzehnten anerkennen, dass ein Verbot einfach nichts bringt. So glaube ich, dass auch in den USA der Druck langsam nachlässt, wie zum Beispiel in Kalifornien, wo man jetzt zumindest für medizinische Zwecke in vielen Läden ganz legal Gras kaufen kann. Also wer weiß, es kann auch irgendwann sehr schnell gehen mit der Veränderung.